In der Kölner Flora ist am Donnerstagabend der Grimme Online Award verliehen worden - erstmals seit drei Jahren gab es also wieder eine Präsenzveranstaltung. Dabei zeigte sich, dass der Podcast-Trend auch Grimme erreicht hat: Gleich mehrere Podcast-Projekte wurden ausgezeichnet, darunter "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?" von Studio Bummens, NDR, RBB und K2H. Mit viel Originalmaterial wird hier nachgezeichnet, wie aus einem innovativen Radiomoderator und professionellen Medienmacher ein einflussreicher Verschwörungsideologe werden konnte. Die hohe Relevanz entstehe aber auch dadurch, so die Jury "dass an der Figur Jebsen auch die Entstehung und rechte Instrumentalisierung der 'Querdenker'-Szene veranschaulicht wird".

Ebenso wie "Cui Bono" wurde auch der NDR-Podcast "Slahi - 14 Jahre Guantanamo" in der Kategorie Information ausgezeichnet. Erzählt werde bei "Slahi" mit gebührend "Raum für Ambivalenz" die Geschichte eines ehemaligen Gefängnisinsassen, so die Jury in ihrem Statement, die zugleich die Macher Bastian Berbner und John Goetz lobten: "Die beiden Moderatoren nehmen immer wieder unterschiedliche Perspektiven ein" und setzten "das gern bemühte Podcast-Prinzip dialogischer Präsentation produktiv ein". Ein weiterer Preis in der Informationskategorie ging zudem an die MDR-Storytelling-Reportage "Umwelt in Ostdeutschland", die sich mit der bedrohten Umwelt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und deren Einfluss auf Natur und Klima beschäftigt.

In der Kategorie Wissen und Bildung erhielt "safespace.offiziell", ein innovatives TikTok-Format der RBB-Gesundheitsredaktion, einen Grimme Online Award. Darin wird einem jungen Publikum alles über Sexualität und die Veränderungen des Körpers vermittelt. Mit seiner diversen Besetzung der Hosts, dem authentisch genutzten Format und der sympathischen Wissensvermittlung habe es "alles richtig" gemacht, so die Jury. In der gleichen Kategorie erhielt "Nuclear Games - Die atomare Bedrohung" von Docmine und der Schweizer SRG einen GOA. Das Format erzählt in einem klugen Mix aus interaktiver Animation und Web-Dokumentation und eröffne so Einblicke "in die Schicksale der bisher häufig unsichtbar gebliebenen Menschen, die für unsere Atomkraftwerke und unsere Atomwaffen mit ihrer Heimat oder gar ihrem Leben bezahlt haben", so die Jury.

In der Kategorie Kultur und Unterhaltung gingen die Preise in diesem Jahr an das Netz-Angebot "Im Dunkeln – ein Leuchten" der Staatsgalerie Stuttgart und die Multimedia-Reportage "Kandvala" von Sitara Thalia Ambrosio und Iván Furlan Cano. Mit einem Spezial-Preis wurde darüber hinaus  das Netzwerk "CORRECTIV.Lokal" geehrt. Den Publikumspreis erhielt zudem der YouTube-Kanal "Scobel", in dem Gert Scobel seinen philosophischen Blick auf die unterschiedlichsten Themen zwischen Geschichte des Internets und Abrüstung wirft.

"Das eine, alles beherrschende Thema des Jahres - in den Medien und damit erst recht im Internet, in dem alle Medien zusammenwachsen - kommt bei den Preisträgern des Grimme Online Award 2022 nicht vor", schrieb die Jury in ihrem Statement mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Und doch war der Angriffskrieg bei der Verleihung präsent, etwa in Laudatios wie für den Preisträger "Nuclear Games", der sich mit acht Jahrzehnten Nukleartechnologie beschäftigt. "Die Zeiten waren ernst, und sie sind es - leider - weiterhin. Das spiegelt sich in der Online-Publizistik", sagte Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei NRW und Staatsekretär für Medien, in seinem Grußwort.

Das wiederum sei ein gutes Zeichen. "Denn es zeigt: Wir haben eine Online-Publizistik, die uns als Gesellschaft den Spiegel vorhält." Auch Grimme-Direktorin Frauke Gerlach sieht im Grimme Online Award daher auch eine Orientierungsfunktion. "Wir sehen im Netz aber auch eine robuste Zivilgesellschaft, die viel zu selten im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung steht. Zugleich gibt es eine Formatvielfalt, die nicht nur Inhalt, sondern auch Freude vermittelt. Nicht zuletzt, zeigen Institutionen wie beispielsweise Museen, mit eigenen, sehr aufwändigen, multimedialen Websites, wie man niederschwellig und jenseits der Ausstellungen vor Ort auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen kann."

Die Preisträgerinnen und Preisträger

Kategorie INFORMATION

  • Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?
  • Slahi – 14 Jahre Guantánamo
  • Umwelt in Ostdeutschland

Kategorie WISSEN und BILDUNG

  • Nuclear Games – Die atomare Bedrohung
  • safespace.offiziell

Kategorie KULTUR und UNTERHALTUNG

  • Im Dunkeln – ein Leuchten
  • Kandvala

Kategorie SPEZIAL

  • CORRECTIV.Lokal

PUBLIKUMSPREIS

  • Scobel