Patricia Schlesinger, die zunächst zurückgetretene und inzwischen auch abberufene und fristlos entlassene ehemalige Intendantin des RBB, hat sich in einem Interview mit der "Zeit" nun ausführlich zu den gegen sie vorgebrachten Vorwürfe geäußert - und sie, wie auch schon bei früheren Einlassungen etwa vor dem RBB-Rundfunkrat - zum allergrößten Teil zurückgewiesen. Sie sei "erschüttert über die Wucht der Berichterstattung", die sie als "Tsunami" beschreibt und die Tatsache, dass die Anschuldigungen teils aus ihrem engsten Umfeld kämen, obwohl es im Alltag einen "freundlichen, vertrauensvollen Umgang" gegeben habe.

Sie habe zwar bemerkt, dass manche Vorhaben in der Belegschaft "nicht gut ankamen", etwa die Pläne für das übermäßig teure Medienzentrum in Berlin, für das die Pläne inzwischen angesichts der Kostenexplosion auf Eis liegen. "Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir da Kritik übergehen würden - aber offensichtlich kam das so an. Ich habe den großen Unmut, die Wut der Leute beim RBB unterschätzt". Diese führt sie auch auf von ihr angestoßene "Modernisierungsvorhaben" wie die Umschichtung von Teilen des linearen Programmetats ins Digitale oder Einsparungen beim Vorabendprogramm zurück, die sie aber nach wie vor als notwendig erachtet. "Das hat den Arbeitsalltag vieler Mitarbeitenden auf den Kopf gestellt. Der Unmut und die Wut im Sender sind aus meiner Sicht so stark, dass ich mir vorwerfe, dass ich das nicht gesehen habe. Das tut mir leid."

Dass über Tage ständig neue Vorwürfe gegen sie gestreut wurden, sieht Schlesinger hingegen als Kampagne. "Menschen haben offenbar gezielt über Wochen und Monate Sachen gesammelt, die sie gegen mich verwenden wollten", so Schlesinger. "Es fühlte sich an wie das Nachladen eines Gewehrs, das auf mich gerichtet war." Viele der Vorwürfe stimmten zudem nicht. Bei den vielfach kritisierten bei ihr zu Hause veranstalteten und beim RBB abgerechneten Abendessen bleibt sie etwa bei ihrer schon mehrfach vorgebrachten Verteidigungslinie: Es sei darum gegangen, den RBB stärker in der Stadt zu "verankern" und ein Netzwerk aufzubauen.

Sie habe auch Angebote von Restaurants einholen lassen, die ihr aber zu teuer erschienen - daher habe sie ihren "Esstisch zur Verfügung gestellt". Die Einlassung von Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik, es habe sich um eine Einladung zu einer Wohnungseinweihung und einen "Abend unter Freunden" gehandelt, weist Schlesinger zurück. Alle hätten die gleiche Einladung bekommen, von einem Abend unter Freunden sei "definitiv nicht die Rede" gewesen. Die Abrechnung habe sie nach bestem Wissen vorgenommen. Dass der Vorwurf, sie habe ihrem Mann einen Auftrag bei der Messe Berlin verschafft, nicht stimme, belege inzwischen eine Compliance-Untersuchung. Trotzdem wünsche sie sich aus heutiger Sicht, sie hätte ihren Mann gebeten, den Auftrag nicht anzunehmen.

Bezüglich diverser Privilegien werfe sie sich vor, dass sie sich früher hätte Gedanken machen müssen, ob diese noch zeitgemäß seien. Sie mache sich beispielsweise nichts aus teuren Autos und habe auch keinen Massagesitz verlangt. Ihre Anforderung sei lediglich gewesen, dass es Platz für Aktenordner und eine Steckdose zum Aufladen von Laptop und Handy gebe, weil der Wagen auch als rollendes Büro diene - weshalb auch der Chauffeur wichtig sei. "Wenn ich dienstlich durch Brandenburg, nach München oder Leipzig gefahren bin, wäre ich ohne Fahrer am Steuer stundenlang weitgehend arbeitsunfähig gewesen", so Schlesinger.

Der ebenfalls zum Symbol gewordene Massage-Sessel im Büro habe nicht in ihrem Büro gestanden, sondern für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Intendanz zugänglich in einem "Raum ganz am Ende des Ganges". Angeschafft worden sei er nicht auf ihren Wunsch hin, sondern für zwei Menschen mit Bandscheibenvorfällen. Das fast 17.000 Euro teure "italienische Eichenparkett" sei ebenfalls nicht auf ihre Anforderung hin angeschafft worden, sie habe sich lediglich einen Holzboden gewünscht. Die Möbel in ihrem Büro habe sie von ihrer Vorgängerin übernommen, das Sofa in ihrem Büro sei ihr privates. Warnungen vom Controlling, dass der übliche Kostenrahmen gesprengt werde, seien nicht zu ihr durchgedrungen.

Während Schlesinger aus ihrer Sicht rechtlich also wenig falsch gemacht hat, räumt sie im Interview doch ein, dass sie bei einigen Sachen unterschätzt habe, wie Dinge von Außen wahrgenommen werden - etwa wenn die Intendantin eines beitragsfinanzierten Senders mit einem Luxusauto vorfährt. Schlesinger: "Es geht hier auch um die Macht des Anscheins und die Ohnmacht der Fakten. Die Fehler, die ich gemacht habe, sehe ich. Ich habe über die Außenwirkung meines Handelns zu wenig nachgedacht." Und auch wenn Schlesinger nun im Mittelpunkt der Kritik steht, geht es aus ihrer Sicht längst um anderes: "Es geht hier doch nicht nur um mich, sondern um das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die ganze Aufregung um mich steht doch stellvertretend für die Wut mancher Menschen auf das System dahinter. Ich gebe dem Apparat ein Gesicht, an mir lässt man jetzt auch all die angestaute Wut aus."

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