Keine Frage, es sind turbulente Zeiten - auch für Medienunternehmen. Gerade erst hat die TV-Branche die Corona-Krise überwunden, da sorgen die Folgen des Ukraine-Kriegs für neue Unsicherheiten, die sich in rückläufigen Werbebuchungen niederschlagen. Daneben gilt es außerdem Antworten zu finden auf die Herausforderungen, die der Shift hin zum Streaming mit sich bringt. Inmitten dieser Situation wechselt ProSiebenSat.1 nun den Vorstandsvorsitzenden aus. Und damit hatte man es offenbar eilig, denn überraschend teilte das Unternehmen noch am Abend des Tags der Deutschen Einheit mit, dass Rainer Beaujean aus dem Vorstand ausscheiden und Bert Habets seine Nachfolge antreten wird.

Die Rede ist davon, dass Beaujean sein Amt am Montag "in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat niedergelegt" habe. Was genau zu der Entscheidung führte, ist nicht bekannt. Klar ist allerdings, dass auch in Unterföhring die Verwunderung über die Personalie groß ist. Erst Ende vergangenen Jahres war der Vertrag mit Beaujean verlängert worden - auch, um ein Zeichen gegen den wachsenden Einfluss des Berlusconi-Imperiums Media for Europa zu setzen, wo man mit der Ausrichtung von ProSiebenSat.1 hadert.

Nun rückt also der ehemalige CEO der RTL Group an Beaujeans Stelle, der immerhin bereits seit Mai bei ProSiebenSat.1 als Aufsichtsratsmitglied engagiert ist. "Mit Bert Habets übernimmt einer der profiliertesten und erfolgreichsten Medienmanager Europas den Vorstandsvorsitz von ProSiebenSat.1", sagte Andreas Wiele, Aufsichtsratsvorsitzender von ProSiebenSat.1. "Seine umfassende TV- und Digital-Expertise und Transformationserfahrung wird Bert Habets intensiv einbringen, um die Entwicklung von ProSiebenSat.1 zu einem Digitalkonzern weiter voranzutreiben. Damit wird er einen signifikanten Beitrag zu den Wachstumsplänen von ProSiebenSat.1 leisten."

Tatsächlich sind die Herausforderungen groß, schließlich zeigte jüngst nicht nur der Trend bei den Werbeerlösen nach unten. Sorgen bereitet inzwischen unter anderem auch das Digitalsegment, wo die zum Konzern gehörende ParshipMeet Group rückläufige Umsätze hinnehmen müsste. Um den eigentlich für dieses Jahr angepeilten Börsengang war es zuletzt ruhig geworden.   

Zwei Jahrzehnte RTL-Erfahrung im Gepäck

Der Neue an der Konzernspitze ist ein echtes RTL-Urgestein. Zwischen 1999 und 2019 war Bert Habets bei der RTL Group tätig. In seiner Rolle als CEO war er - bis zu seinem überraschenden Abgang - für die strategische Ausrichtung und operative Führung der Bereiche Broadcast, TV Production (Fremantle) und Digital Business verantwortlich. In den Niederlanden, wo er neun Jahre lang als CEO von RTL Nederland fungierte, führte er zudem den Streamingdienst Videoland ein. Das Thema Streaming wird ihn nun auch bei ProSiebenSat.1 beschäftigen, wo Joyn nach der vollständigen Übernahme eine gewichtigere Rolle spielen dürfte - wenn auch mit einem anderen Fokus als etwa der Kölner Konkurrent RTL+. 

Habets selbst erklärte am Montagabend, er kenne "die Herausforderungen und Chancen gut, die sich für Medien- und Digitalunternehmen bei ihrer Transformation ergeben". Er freue sich daher, diese Erfahrung bei ProSiebenSat.1 einzubringen. Aufsichtsratschef Wiele wiederum dankte Beaujean "für seinen großartigen Einsatz". Weiter sagte er: "Er hat das Unternehmen zielstrebig durch die Corona-Krise gesteuert und über die letzten drei Jahre die Konzernstrategie in Richtung Digitalunternehmen weiterentwickelt sowie konsequent und erfolgreich umgesetzt. Rainer hat den Fokus auf Profitabilität gelegt und das Unternehmen unter anderem durch konsequentes Portfoliomanagement finanziell zukunftssicher aufgestellt."

Rainer Beaujean © Seven.One/Florian Bachmeier Rainer Beaujean
Auch Rainer Beaujean kam in der am Montagabend versendeten Mitteilung zu Wort. "ProSiebenSat.1 ist auf dem richtigen Weg ein erfolgreiches Digitalunternehmen zu werden, wobei insbesondere die Verzahnung der zuletzt vollständig übernommenen Streaming-Plattform Joyn mit dem Influencer Business und den Marken aus dem Dating & Video-Segment sowie dem Commerce & Ventures-Segment die digitalen Fähigkeiten der Gruppe erheblich verbessern soll", wird der scheidende Chef zitiert. "Die vergangenen Jahre waren allerdings auch von zahlreichen externen Faktoren gekennzeichnet, die unser Geschäft erheblich beeinträchtigt haben. Ich bin stolz auf das, was wir als Team erreicht haben."

Durch den Wechsel von Bert Habets vom Aufsichtsrat in den Konzernvorstand wird nun zugleich sein Sitz im Aufsichtsrat frei. Dieser soll nach Angaben von ProSiebenSat.1 spätestens im Zuge der nächsten Hauptversammlung neu besetzt werden - diese wird jedoch erst im kommenden Mai stattfinden. Bis dahin bleibt abzuwarten, welchen Stempel der neue CEO dem Medienkonzern aufdrücken wird. Einen ruhigen Start wird Habets gewiss nicht haben.