Eigentlich hätte er gestern gern die ersten beiden Folgen des Serien-Epos "Der Schwarm" gesehen. Doch das Serien-Highlight, mit dem das ZDF im kommenden Jahr beim Publikum punkten will, muss noch ein wenig warten, bis der Intendant die Zeit dafür findet. "Ich konnte wegen des Übersee-Clubs leider noch nicht reingucken", erklärte Norbert Himmler am Donnerstag bei seinem ersten Pressegespräch, seit er den Spitzenposten des öffentlich-rechtlichen Senders von Thomas Bellut übernommen hat. Der Übersee-Club – ein kleiner Gruß an Tom Buhrow, der eben dort eine Rede gehalten hatte, die von manchen Beobachtern schon als Revolution des öffentlich-rechtlichen Systems betrachtet wurde.

Auch wenn vieles von dem, was der WDR-Intendant in Hamburg äußerte, bei genauerem Betrachten gar nicht so revolutionär ist – es reichte, um seinem ZDF-Kollegen mit den Aussagen ein wenig die Show zu stehlen. Doch Himmler gab sich bei dem rund eineinhalbstündigen Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten betont gelassen. Ein Runder Tisch, um über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sprechen? Kein Problem. "Wir sind bereit für eine grundsätzliche Debatte und scheuen dabei auch keinen Vergleich der Systeme", sagte Himmler und verwies zugleich darauf, dass das ZDF als "zentral organisierter Sender gut und effizient aufgestellt" sei. Ein Seitenhieb in Richtung ARD, über die sich das oft nicht behaupten lässt.

Es sollte an diesem Donnerstag nicht der einzige Konter bleiben. "Ich teile nicht die pauschale Skepsis des ARD-Vorsitzenden in Bezug auf die Reformfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ganzes", betonte der ZDF-Intendant. "Das ZDF hat bewiesen, dass wir erfolgreiche Reformen durchsetzen und umsetzen können." Dabei verwies Himmler auf die erfolgreichen Digital-Angebote ZDFinfo und ZDFneo, die Mediathek und den Start der digitalen Plattform ZDFkultur. Und überhaupt nehme er die Medienpolitik "als beweglicher wahr" als es Tom Buhrow am Abend zuvor getan habe.

Mit Blick auf die jüngsten Skandale in der ARD sagte Himmler, es habe "Schäden gegeben". "Die wichtigsten Währungen, die wir haben, sind Glaubwürdigkeit und Vertrauen." Diese dürfe man nicht aufs Spiel setzen. Auch hier nutzte der neue ZDF-Intendant die Gelegenheit, seinen Sender deutlich von der ARD abzugrenzen. Zwar könne er auch in seinem Haus "nicht für jeden Mitarbeiter die Hand ins Feuer legen". Allerdings gebe es ein "sehr funktionales und sehr modernes System der Kontrolle". Doch bei allem Reformwillen machte Norbert Himmler auch deutlich, dass er auch in Zukunft auf zwei öffentlich-rechtliche Häuser setzt: "Zur Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt gehört bisher auch der publizistische Wettbewerb zwischen ZDF und ARD."

"Der nächste konsequente Schritt"

Dass es abseits aller aktueller Debattten gleichwohl auch auf dem Lerchenberg genügend zu tun gibt, zeigten indes mehrere Botschaften, die Norbert Himmler beim Pressegespräch im Gepäck hatte. Eine davon: Transparenz. So veröffentliche das ZDF ab sofort in Abgrenzung zu den internationalen Streaminganbietern alle verwendeten Algorithmen. Daneben kündigte Himmler einen stärkeren Dialog mit dem Publikum an. Helfen soll dabei die Einführung eines bundesweiten Online-Portals, durch das sich das ZDF Feedback von bis zu 100.000 Teilnehmenden erhofft. Ein "ZDF-Kompass" soll darüber hinaus die Qualität des Programms bemessen.

Mehr Akzeptanz erhofft sich Norbert Himmler zugleich von neuen Formaten, mit denen vor allem jene Zielgruppen angesprochen werden sollen, die bislang weitgehend vernachlässigt wurden. Dafür stellte der Intendant die Umschichtung von 100 Millionen Euro in Aussicht. "Die 100 Millionen sind der nächste konsequente Schritt bis 2025", erklärte Himmler in Berlin. "Da geht es um Programmgeld, das wir diversifizieren nach Inhalten und Ausspielwegen, um unserem Auftrag in der modernen Welt gerecht zu werden. Das hat jedoch zur Folge, dass das Geld in erster Linie nicht mehr im Hauptprogramm verwendet werden kann und damit an dieser Stelle logischerweise Einsparungen einhergehen werden. Die Etats werden auf Dauer entsprechend verlagert."

In welche Formate das Geld investiert werden soll, ist indes noch nicht entschieden. "Wir müssen jetzt zunächst einmal schauen, was wir Neues machen wollen", betonte der Intendant. "Neue Programme brauchen Anlaufzeit." Doch jede Direktion und jede Hauptredaktion könne jetzt überlegen, "was im Linearen aufgegeben werden kann, um an anderer Stelle, im Non-Linearen wie der Mediathek oder auch auf den digitalen Kanälen, Neues ausprobieren zu können". Investieren will Himmler aber auch in den Ausbau des weltweiten Korrespondentennetzes. 

Und dann ist da auch noch die Inflation, die für zusätzliche Herausforderungen sorgt. "Die Inflation treibt auch uns um", räumte Himmler ein. "Es geht nicht nur um die eigenen Kosten, die wir bislang gut im Griff haben. Wir tragen als größter Auftraggeber auf dem deutschen Fernsehmarkt für eine Branche auch eine Mitverantwortung, in der 50.000 Menschen arbeiten", betonte er. Er "im intensiven Austausch mit der Produzentenlandschaft" und nehme deren Sorgen "sehr ernst". Sicher ist: "Wenn die Preise steigen, dann bedeutet das aber auch, dass wir weniger Programm machen können."

Ähnliche Erfahrungen sammelte das ZDF bereits in der Corona-Krise. "In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir über 50 Millionen Euro an coronabedingten Mehrkosten als ZDF selbst finanziert, also nicht auf die Produzentenlandschaft umgelegt. Klar ist aber auch, dass uns diese 50 Millionen Euro an anderer Stelle im Programm fehlen." Die Herausforderungen, mit denen es Norbert Himmler in den ersten Monaten seiner Amtszeit zu tun bekommt, sind also immens. Auf die jüngsten Debatten um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen hätte er da wohl zu gerne verzichtet.

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