Beim offenen Fenster im Sommer war der Ärger bislang besonders groß - und vielen Sportfans gut bekannt: Je nach Empfangsweg jubelten Nachbarn oder die Kneipe an der Ecke möglicherweise schneller. Nicht alle TV-Empfangswege sind gleich schnell. Einst galt: Analoger Empfang ist schneller als das digitale Signal, doch längst sind fast alle Empfangswege digital und die Situation komplexer als je zuvor. Wer also jubelt zuerst über Tore oder - bei dieser WM mindestens so spannend - Proteste in den Stadien des Wüstenstaats Katar? +
 
 
Dieser Frage ist das Marktforschungsinstitut veed analytics nachgegangen und hat in den vergangenen Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft intensiv getestet. Oft vermutete Wahrheiten lassen sich so mit Daten belegen. Die DWDL vorliegenden Ergebnisse sind insbesondere für Fußball-Fans wichtig, die mit OTT-Boxen oder -Sticks streamen: Die Verzögerung zum Referenzsignal liegt hier bei Over the Top-TV-Nutzung (OTT) im Korridor von 23 bis hin zu 42 Sekunden Verspätung, basierend auf den über sechs Wochen durchgeführten Messungen von veed analytics an mehreren Standorten und Setups.
 
Das Referenzsignal ist laut veed analytics übrigens das digitale Satelliten-Signal. Ähnlich schnell, das ergaben frühere Untersuchungen, schaut man auch via DVB-T2. Mit einer Verzögerung von nur 3-4 Sekunden folgen dann der digitale Kabelanschluss (z.B. Vodafone) sowie Magenta TV, allerdings nur bei der IPTV-Nutzung über das eigene Netz. Das macht die überwiegende Zahl der bisherigen Kundinnen und Kunden aus. Allerdings wurden bei der Telekom dafür bislang die sogenannten Media Receiver vermarktet, von deren weiterer Vermarktung man sich allerdings trennt. 
 
Im Sommer erklärte TV-Chef Arnim Butzen im DWDL-Interview: „Die Zukunft bei Magenta TV gehört Unicast und damit der One Box bzw. dem TV-Stick“. Damit nutzt Magenta TV künftig ohne hauseigene Überholspur das jeweils verfügbare Internet wie andere Anbieter auch - und landet bei der Latenzbetrachtung im deutlich verzögerten Korridor der OTT-Nutzung, zwanzig Sekunden langsamer als die bisherigen Media Receiver. Abgesehen von Sportgroßereignissen wird das natürlich nicht ins Gewicht fallen. 
 
Die Latenz von OTT-Boxen und -Sticks ist übrigens messbar größer als bei der Nutzung von OTT-Apps über Smartphone oder Tablet. Bei mehreren von veed analytics untersuchten Streaming-Apps (Zattoo, waipu.tv, Magenta TV) auf mobilen Endgeräten lag die Verzögerung bei nur 11-14 Sekunden. Vodafone (GigaTV Net) und Sky Q (OTT) brechen allerdings mit längerer Verzögerung aus.
 
 
 
Immerhin: Wer über mobile Geräte streamt, gewinnt je nach Anbieter möglicherweise noch den Wettlauf mit Push-Benachrichtigungen zum Spielverlauf. Beim Fußball schauen via OTT auf dem heimischen Fernseher dürfte das bei den ermittelten 23 bis 42 Sekunden Verzögerung nicht mehr möglich sein. Bei dieser Winter-WM ist das für Zuschauerinnen und Zuschauer eine größere Spoiler-Gefahr als der frühere Jubel in der Nachbarschaft bei offenem Fenster - auch weil nicht nur sportlich in Frage steht, was es bei der WM in Katar überhaupt zu bejubeln gibt.