Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht wird man sich eines Tages positiv an das Jahr 2022 erinnern, als ausgelöst durch den Skandal beim RBB eine breite Diskussion über die Öffentlich-Rechtlichen auch innerhalb der ARD zu einem größeren Reformwillen und dann auch tatsächlichen Veränderungen geführt hat. Letzteres muss sich erst noch beweisen. Doch die Debatten innerhalb der ARD bzw. ARD-Keisen werden intensiver, nicht nur durch die Forderung der Privatperson Tom Buhrow (beruflich WDR-Intendant und aktuell nochmal vorübergehender ARD-Vorsitzender), "aus dem bisherigen System" auszubrechen.

Wird über einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen, dann geht es um Einsparungen insbesondere unnötiger doppelter Strukturen. Manchmal geht es um die ganz große Revolution, also eine Zusammenlegung von ARD und ZDF. Manchmal um pragmatischere Ansätze wie die Forderung des kommenden ARD-Vorsitzenden und SWR-Intendant Kai Gniffke, der vor knapp zwei Jahren in einem Exklusiv-Interview mit DWDL.de schon einmal eine Fusion von SR und SWR vorschlug, ohne es Fusion zu nennen. Ein Vorstoß, der extern gefeiert und ARD-intern als unschicklich kritisiert wurde.

Doch knapp zwei Jahre später sind es andere Zeiten und die ARD in der Post-Schlesinger-Zeit. Man ist aufgewacht und hat begriffen: Vielleicht sind eigene Impulse zur Abwechslung sinnvoll, um die Debatte über einen effizienteren öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht allein schrillen politischen Kräften zu überlassen. Der jüngste Beitrag zu der Debatte ist der "Saarbrücker Zeitung" gelungen, die in ihrer Freitagsausgabe unter der Überschrift "Soll der SR eigenständig wie bisher bleiben?" dem Thema eine ganze Seite widmet.

Thomas Kleist © SR/Cora Staab Thomas Kleist
Ja, sagt erwartungsgemäß Thomas Kleist (SR-Intendant von 2011 bis 2021). Nein, kontert Peter Voß (Gründungsintendant des Südwestrundfunks). Mit welchen Argumenten? Voß hält kleinere ARD-Sender für kaum überlebensfähig, Kleist für besonders schlagkräftig. Rechenbeispiele werden ausgepackt. So schreibt der ehemalige SR-Intendant Kleist, dass dort die Hörfunk-Produktion pro Minute 12,80 Euro, beim SWR aber 19,63 Euro koste, im TV beim SR 354 Euro, beim SWR 594 Euro. Beim SR würden rund 9000 Hörfunk-Sende-Minuten je Beschäftigtem/r im Jahresdurchschnitt produziert, beim SWR seien es nur circa 6000. 

"Nach einer Fusion würde der SR also die teuren Strukturen des SWR übernehmen und wäre selbst nur noch eine Landessenderdirektion ohne Sitz und Stimme in der ARD", befürchtet Kleist. Gegenrede kommt von Peter Voß, der in seinem Beitrag indes die personelle Situation beim SR anprangert. "Der SWR-Landessender Rheinland-Pfalz braucht für seine Programmleistung für über vier Millionen Einwohner 218 Festangestellte, der SR für das Saarland mit knapp einer Million Einwohnern 544, also im Verhältnis zu Einwohnerzahl und Beitragsaufkommen zehn mal so viel." Das falle ins Gewicht, auch wegen der wachsenden Last der Altersversorgung.

Peter Voß © Imago / Hogreve Peter Voß
Und ohnehin macht Voß beim Schlagabtausch in der "Saarbrücker Zeitung" einen Punkt: Kleine Sender wie der SR seien "aus eigener Finanzkraft kaum lebensfähig, ihr Beitragsaufkommen reicht dafür nicht. Als Quersubvention sorgt der ARD-Finanzausgleich dafür, dass der Rundfunkbeitrag bundesweit einheitlich bleibt." It's not a bug, it's a feature, scheint sich Thomas Kleist zu denken und verleiht dem SR indes schon mal einen Titel – und zwar den es Kooperationsweltmeisters. Diese seien kostenreduzierend und aktuell etwa beim Orchester, der Verwaltung und auch im Programm zu finden. 

Weitere Kooperationen würden Sinn machen, findet er, schränkt aber auch ein: "Allerdings darf die Zusammenarbeit nicht immer nur am Standort der großen Einheit stattfinden, sonst wird man den SR auf Dauer 'kaputt-kooperieren'". Ein Gewinn für die gesamte ARD wäre es, schlägt der Ex-Intendant vor, dem SR für die gesamte ARD die Verantwortung des Bereichs für das wichtige Thema Cyberkriminalität zu übertragen - mit dem Cispa Helmholtz-Zentrum. Peter Voß indes bedauert das Wachrufen alter Abwehrreflexe, wenn es um eine nachhaltige Intensivierung der Kooperation gehe. 

 

Zur Debatte um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen müsse seiner Meinung nach ein Reformschritt stehen, "der diesen Namen verdient". Sonst, und da wird der einstige SWR-Intendant deutlich, "erledigt sich das Thema womöglich auf andere Weise, weil in anderen Bundesländern die Unlust wächst, sich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der heutigen Konfiguration noch lange zu leisten." Es sind zwei unversöhnliche Positionen zweier Ex-Intendanten, doch allein die Tatsache, dass der Austausch dieser Positionen passiert - noch dazu in der "Saarbrücker Zeitung" - ist ein Fortschritt gegenüber der Empörung über Kai Gniffkes DWDL-Interview. 

Damals gab es Kopfschütteln in der ARD. Einer wie Gniffke müsste doch besser wissen, dass man so etwas in der ARD bitte erstmal intern diskutieren sollte statt über die Öffentlichkeit zu gehen. Das gehöre sich nicht. So habe man das noch nie gemacht. Und dann kam 2022 - und die Debatten werden selbstverständlich offen geführt.

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