Nach dem Abschied von Frank Plasberg bei "Hart aber fair" steht noch in diesem Jahr der nächste Talk-Rückzug im Ersten an. Überraschend hat der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Freitag mitgeteilt, dass Anne Will zum Jahresende die Moderation ihrer sonntäglichen Polit-Talkshow abgeben wird. 16 Jahre lang hatte Will die nach ihr benannte Sendung im Ersten moderiert und produziert.

Eine erneute Vertragsverlängerung für die bisherige Sendung schließt Anne Will nach Angaben des NDR zugunsten neuer Projekte aus. Über diese befinde sie sich mit dem NDR bereits im Gespräch, heißt es. "So jung das Jahr erst ist, so sehr lohnt ein Blick voraus. Am 31.12.2023 endet mein Vertrag mit dem NDR, nach dann 16 Jahren politischer Talkshow im Ersten, knapp zwölf davon auf dem legendären Sonntagabend", sagte Will. "Ich habe die Sendung immer außerordentlich gerne gemacht und bin unendlich dankbar für das Vertrauen in meine journalistische Arbeit und den großen Erfolg unserer Sendung."

Auch im zurückliegenden Jahr sei ihre Sendung "wieder die mit Abstand meistgesehene politische Diskussionssendung im deutschsprachigen Fernsehen" gewesen, betonte die Moderatorin. "Das ist ein guter Zeitpunkt, um zu sagen: Ich will mich gemeinsam mit meinem tollen Team voll auf die noch verbleibenden Sendungen konzentrieren, den Vertrag also mit unvermindertem Engagement und großer Freude erfüllen, möchte ihn aber nicht verlängern. 2024 ist Neustart angesagt! Dann ist Zeit für Veränderung, andere Projekte, neue Perspektiven."

Joachim Knuth © NDR/Thomas Pritschet Joachim Knuth
"Die sonntäglichen Streitgespräche im Ersten sind Teil der deutschen TV-Geschichte und gelebte Pluralität. Unterschiedliche Positionen helfen dem Publikum bei der Meinungsbildung", sagte NDR-Intendant Joachim Knuth. "Anne Will hat die politische Diskussion im Land über viele Jahre mit großem Erfolg geprägt: Sie informiert, überrascht, manchmal provoziert sie auch. Gäste und Publikum schätzen ihre Gradlinigkeit und Professionalität. Für diese konstante und starke Leistung bin ich Frau Will sehr dankbar. Wir richten den Blick nun nach vorne, freuen uns auf die nächsten Ausgaben 'Anne Will' und arbeiten bereits an Projekten für die Zukunft."

Will-Nachfolge noch nicht geklärt

Völlig unklar ist noch, wie es mit dem viel beachteten Talkshow-Sendeplatz nach dem "Tatort" weitergeht. "Über eine Nachfolge für das sonntägliche Format sind der NDR und die ARD in Gesprächen", erklärte der Sender. Noch bleibt allerdings ausreichend Zeit, um sich Gedanken über die künftige Talk-Aufstellung im Ersten machen.

Christine Strobl © ARD/Laurence Chaperon Christine Strobl
ARD-Programmdirektorin Christine Strobl: "Wenn Anne Will sich Ende des Jahres verabschiedet, hat sie über 16 Jahre den Polittalk im Ersten geprägt. Dies war und ist nur möglich, weil sie sich persönlich und mit ihrer Sendung immer weiterentwickelt hat. Dass sie diesen Weg nun konsequent weiterverfolgt und sich neuen Herausforderungen stellt, ist bewundernswert, macht sie aber als politische Journalistin eben auch aus. Es ist noch nicht Zeit, Abschied zu nehmen, sondern ich wünsche Anne Will für die folgenden 30 Ausgaben ihres Talk-Formats den Elan und die Diskussionsfreude, die ihre Sendung zu einem Markenzeichen gemacht haben und bei ihrem Publikum so beliebt sind."

Anne Will hatte im Jahr 2007 am Sonntagabend die Nachfolge von Sabine Christiansen am Sonntagabend angetreten. Das wurde auch deshalb möglich, weil der damalige Favorit Günther Jauch der ARD zunächst abgesagt hatte - aus Ärger über die "Gremien voller Gremlins", wie er damals sagte. Als Jauch sich Jahre später dann doch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender einig wurde, musste Wills Sendung auf den späten Mittwochabend weichen. Auf den prominenten Sonntagabend-Termin kehrte sie schließlich 2016 zurück, nachdem Günther Jauch ebenso überraschend ankündigte, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen.

Aus Quotensicht lief es zuletzt besser denn je: Die zurückliegenden beiden Jahre waren die erfolgreichsten seit dem Start von "Anne Will". Iim Jahr 2022 verfolgten im Schnitt mehr als 3,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer den Talk am Sonntagabend, der Marktanteil lag bei 15,1 Prozent.