Am Dienstagvormittag hat ProSiebenSat.1 seine Pläne erläutert, um auch in Zukunft wachsen zu können. In wesentlichen Punkten unterscheidet sich die Strategie von CEO Bert Habets aber nicht von denen seines Vorgängers Rainer Beaujean (DWDL.de berichtete). Wie schon Beaujean zuvor will auch Habets einen Fokus auf den Unterhaltungsbereich legen und Unternehmensbeteiligungen verkaufen, wenn es dafür passende Angebote gibt. Bei einer Pressekonferenz vor Journalistinnen und Journalisten hatte Habets am Dienstag dann aber doch noch ein paar kleinere Neuigkeiten im Gepäck. 

So soll Joyn, so viel war schon klar, zur ersten Anlaufstelle des digitalen Entertainment-Auftritts werden. Man habe nach der Übernahme der Joyn-Anteile von WarnerBros. Discovery endlich das eigene Schicksal in der Hand, so Habets, der drei Arten von Inhalten bei Joyn unterschied. Bei den Inhalten für junge Zielgruppen sei man mit Influencer-Events und Serien wie "jerks" oder auch "Intimate" stark unterwegs. Bei der größten Zielgruppe, den 29- bis 59-Jährigen, will man Joyn künftig besser aufstellen, im Zuge dessen kündigten Habets und Unterhaltungsvorstand Wolfgang Link Investitionen in neue Eigenproduktionen, auch solche im fiktionalen Bereich, an. Bei den Best Agern ab 59 Jahren liege der Fokus auf dem Live-TV-Angebot sowie den Bereichen News und Sport.

"Unser größtes Wachstumspotenzial liegt in der Entwicklung von Joyn", zeigte sich Habets am Dienstag im Gespräch vor Journalistinnen und Journalisten sicher. Es ist gleichzeitig aber auch das Eingeständnis, dass die bisherige Strategie, vor allem die junge Zielgruppe zu bedienen, nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen ist. Nun muss man vor allem im Vergleich zu RTL+ aufholen, das schon länger ein breiteres Publikum anspricht. Als der ProSiebenSat.1-CEO auf weitere Kooperationen bei Joyn angesprochen wurde, musste er einräumen, mit RTL noch keine Gespräche zu einer möglichen Zusammenarbeit geführt zu haben. Zuletzt wollte Habets Joyn als branchenverbindene Plattform positionieren. RTL sei natürlich willkommen, versicherte Habets nun.

Unser größtes Wachstumspotenzial liegt in der Entwicklung von Joyn
Bert Habets


Die Marke Joyn will man nun offenbar auch mit Macht in alle Märkte drücken. In Österreich etwa war sie bislang quasi nicht existent, weil die ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe eine eigene App namens "Zappn" baute und bislang auch sehr erfolgreich betrieb. Zappn ist am Dienstag von Habets auch prompt als Positiv-Beispiel in Sachen Digitalstrategie genannt worden. "Wir sehen Joyn als Dachmarke in der digital Zukunft, auch in den anderen Märkten", erklärte Wolfgang Link später jedoch auf Nachfrage. Gut möglich also, dass Zappn in Österreich bald durch Joyn ersetzt wird - und gut möglich auch, dass man damit bei ProSiebenSat.1Puls4 überhaupt nicht glücklich sein wird. 

Personalabbau angekündigt

In der Sparte Commerce & Ventures, wo unter anderem die NuCom-Beteiligungen liegen, will sich ProSiebenSat.1 in Zukunft bei neuen Investments vor allem auf Minderheitsbeteiligungen konzentrieren, so viel war Konzernchef Habets in der Pressekonferenz immerhin noch zusätzlich zu den bisherigen Ankündigungen zu entlocken. Mehrheitsbeteiligungen wolle man nur noch eingehen, wenn die Unternehmen sehr gut zum Kerngeschäft Unterhaltung passen würden. Das war aber ohnehin schon seit einiger Zeit der Kurs. Und die ParshipMeet Group will man nun auf Effizienz trimmen. Einen Börsengang des Datingbereichs hält Habets aktuell für nicht realistisch, daher kündigte er an, auch andere Optionen der Wertsteigerungen prüfen zu wollen. 

Inhaltlich ist eigentlich nur der verstärkte Fokus auf Joyn mit zusätzlichen Investitionen eine Neuigkeit gewesen, die ProSiebenSat.1 am Dienstag in Unterföhring vorstellte. Darüber hinaus verwies Bert Habets aber auch immer wieder auf das schwierige makroökonomische Umfeld und kündigte im Zuge dessen einen Personalabbau an. Über die Höhe machte der Vorstandsvorsitzende keine Angaben, allerdings erklärte er, dass man sich alle Bereiche des Konzerns ansehen wolle. Einsparungen bei der ParshipMeet Group wurden bereits vor einigen Tagen angekündigt, inklusive Personalabbau, der wohl vor allem das US-Geschäft trifft. Hierzulande müssen sich die Entertainmentsparte und die anderen Beteiligungen auf Kürzungen einstellen. Man sei dazu aktuell in Gesprächen mit den Sozialpartnern und allen Beteiligten, so Habets. Ob man mit den Einsparungen und dem angekündigten Fokus auf Joyn mittelfristige Umsatzsteigerungen von vier bis fünf Prozent erreichen kann, bleibt abzuwarten. 

Eine Evolution mit starker Wirkung? 

Apropos Umsatzsteigerungen: Zu der vor einiger Zeit verschobenen Vorlage der Jahreszahlen 2022 und den regulatorischen Fragen in Bezug auf das Geschäft von Jochen Schweizer mydays, gab es von Habets am Dienstag ebenfalls nur wenig Neues. Man sei in Gesprächen mit der Finanzmarktaufsicht Bafin und das werde sich wohl auch noch vier bis sechs Wochen hinziehen. Dementsprechend wird auch die für Anfang Mai geplante Hauptversammlung nicht wie geplant stattfinden, einen neuen Termin für die Zusammenkunft der Aktionärinnen und Aktionäre gibt es noch nicht. Finanzvorstand Ralf Gierig erklärte, man befinde sich auch in einem Dialog mit der Deutschen Börse und befürchte nicht, aus dem MDAX zu fliegen. Es erscheint durchaus möglich, dass ProSiebenSat.1 die Fristen für die Vorlage seiner Geschäftszahlen nicht einhält, bis Ende April hat man dafür noch Zeit. Im schlimmsten Fall könnte ein Unternehmen bei Verzug aus dem Börsenindex fliegen. 

Seine Pläne für die Zukunft des Unternehmens seien keine Revolution, sondern eine Evolution, sagte CEO Bert Habets am Dienstag. Diese werde jedoch eine starke Wirkung haben. Inwiefern er damit recht behalten wird, bleibt abzuwarten. Nicht alle der anwesenden Journalisten waren am Dienstag von den Ankündigungen Habets’ überzeugt - auch, weil sie sich im Wesentlichen nur geringfügig von denen seines Vorgängers unterscheiden. Immerhin scheint es so, als habe Habets einen besseren Draht zu Pier Silvio Berlusconi und Media for Europe. Während Rainer Beaujean eine Zusammenarbeit hier meist kategorisch ausgeschlossen hatte, berichtete der neue CEO von "konstruktiven Gesprächen". Die würden sich aber noch in einem frühen Stadium befinden. Wenn Habets es schafft, das ständige Störfeuer des größten Gesellschafters zu beenden, hätte er in jedem Fall einen Meilenstein erreicht.