"Alle warten wie das Kaninchen vor der Schlange auf die KEF-Empfehlung", sagt Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt und damit in dem Bundesland, in dem der Landtag schon bei der letzten Anhebung des Rundfunkbeitrags seine Zustimmung verweigerte, woraufhin das Bundesverfassungsgericht erneut deutlich machte, dass das mit der Verfassung gar nicht vereinbar ist und die Erhöhung dann eben doch nachträglich in Kraft setzte.

Nun nähert sich die nächste Rundfunkbeitragsperiode - und es käme schon einer großen Überraschung gleich, wenn angesichts der massiven Inflation, die natürlich auch vor den Rundfunkanstalten nicht Halt macht, diesmal keine zumindest moderate Anhebung des Rundfunkbeitrags empfohlen wird. Trotzdem haben diesmal gleich sechs Länderchefs erklärt, einer Erhöhung diesmal nicht zustimmen zu wollen. Auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage? Unklar - die wahrscheinlichste Variante ist einfach ein kalkulierter Verfassungsbruch.

Das dreistufige Verfahren ist eigentlich eindeutig geregelt, um den Rundfunk vor politischer Einflussnahme zu schützen. Zuerst melden die Rundfunkanstalten ihren Bedarf an, dann schaut die mit unabhängigen Finanzexperten besetzte Kommission KEF darauf, kürzt die Wünsche der Anstalten deutlich zusammen und errechnet, wie viel Geld ARD, ZDF und Deutschlandradio zur Erfüllung ihres - von der Politik erteilten - Auftrags zustehen, woraus sich automatisch der neue monatliche Rundfunkbeitrag ergibt. Von dieser "Empfehlung" darf die Politik nur in ganz eng begrenzten und zu begründenden Ausnahmesituationen abweichen. Populistische Stammtischparolen reichen dafür nicht.

Dabei ist der Unmut der Politiker, die die unpopuläre Entscheidung zu einer Beitragserhöhung treffen sollen, ja durchaus zu verstehen - wenn ihnen doch verfassungsmäßig eigentlich gar keine Wahl bleibt. Am liebsten wäre es vielen Politikern daher wohl, wenn sie sich mit dieser Frage gar nicht mehr beschäftigen müssten. Rainer Robra drückte es auf den Medientagen München so aus: "Die dritte Stufe muss nicht parlamentarisiert sein" - sprich: er möchte das bisherige Verfahren, nach dem jedes einzelne Länderparlament zustimmen muss, gerne abschaffen.

Das Problem: Auch darauf müsste sich die Politik ja erst einigen - und wenn das im Zuge eines Staatsvertrags geschehen soll, dann geht das nur, wenn auch hier alle Länderparlamente zustimmen. Auch dafür wird es aber wohl kaum in allen Parlamenten eine Mehrheit geben. Weil die Politik also in diesem Punkt handlungsunfähig scheint, liegen die Hoffnungen Robras hier auf dem Bundesverfassungsgericht, das mit einer früheren Festlegung dafür gesorgt hatte, dass das dreistufige Verfahren so aussieht, wie es heute aussieht - und das doch im dahingehend ändern könnte, dass die KEF-Empfehlung - sofern sie sich in einem gewissen Rahmen bewegt - ohne Parlaments-Abstimmung in Kraft treten könnte.

Bei Tom Buhrow, mit dem Robra eigentlich ein "Streitgespräch" führen sollte, rannte er damit offene Türen ein. Auch aus dessen Sicht, sollte die KEF selbst die Beitragshöhe im Zuge einer Rechtsverordnung festsetzen können. "Wenn das Briefporto erhöht wird, dann stimmt ja auch nicht immer der Bundestag darüber ab", so Buhrow. "Wir müssen das Verfahren entpolitisieren" - schließlich könne man auch nicht alle vier Jahre erneut das Bundesverfassungsgericht anrufen, um das wegen einer fehlenden Zustimmung eines oder mehrerer Parlamente urteilen zu lassen.

"Wenn man Dysfunktionalitäten erkennt, dann darf man nicht zu lange damit leben, sondern muss sie lösen", meinte Robra - und ist sich damit im Grunde auch einig mit Rudi Hoogvliet, der in Baden-Württemberg für Medienpolitik zuständig ist und an anderer Stelle auf den Medientagen auch schon gefordert hatte, die Entscheidung über die Höhe des Rundfunkbeitrags aus der politischen Diskussion herauszunehmen. Ideen wie eine Indexierung, eine Koppelung an die Preisentwicklung oder der jüngst ins Spiel gebrachte, aber noch nicht ganz ausgereifte "Beitragskorridor" gibt es bereits. Sicher ist in jedem Fall: So wie bislang kann es kaum weiter gehen. Zumindest da sind sich Kritiker wie Unterstützer des öffentlich-rechtlichen Systems einig.