Der Redaktionsausschuss des Hessischen Rundfunks (HR) warnt intern vor einem Verlust von journalistischer Qualität im Sender. Hintergrund sind geplante Kürzungen in der sogenannten Hessen-Unit, durch die freie Reporterinnen und Reporter künftig weniger Einsatztage erhalten sollen. Dadurch würde wohl vor allem das Hörfunk-Angebot leiden, aber nicht nur. Ein vom DJV initiierter Offener Brief an Intendant Florian Hager erreichte in der vergangenen Wochen innerhalb kurzer Zeit mehr als 300 Unterschriften (DWDL.de berichtete). Der Redaktionsausschuss spricht nun von einem "fatalen Signal", das von dem Sparvorhaben ausgehe. 

Die Mitglieder des Redaktionsausschusses werfen der Programmdirektion unter der Leitung von Gabriele Holzner vor, die Tragweite der Entscheidung in gleich mehreren Punkten zu unterschätzen. So riskiere der HR mit den Plänen einen "Brain-Drain" im Haus, also den Abfluss von Know-How der betroffenen Journalistinnen und Journalisten - diese seien aber "integraler Bestandteil", damit man den Auftrag erfüllen könne. Außerdem werde es einen Verlust von regionalen Kernkompetenzen geben. Die Einsparungen würden vor allem freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen, die Festangestellten seien aber heute schon ausgelastet. "Sie werden die Lücke, die die Freien hinterlassen, nicht stopfen können", warnt der Redaktionsausschuss. Die gerade erst begonnene Regionalisierung im Hörfunk sei so kaum umsetzbar. 

Weil der HR künftig einen Fokus auf regionale Aktualität legen will, befürchtet der Redaktionsausschuss zudem weniger Raum für langfristige Recherchen und gut vorbereitete Geschichten abseits von Terminberichterstattung. Und letztlich warnt man auch davor, dass die Crossmedialität im HR durch die Maßnahme leiden wird. Neben dem Radio würden künftig auch "Hessenschau", "Maintower" oder auch die Social-Media-Kanäle weniger Inhalte aus Hessen erhalten, heißt es. Freie Hörfunkreporterinnen und Hörfunkreporter würden heute längst nicht mehr nur fürs lineare Radio arbeiten. 

Offenbar hat es aus der Programmdirektion mittlerweile die Ankündigung gegeben, gemeinsam mit dem Controlling prüfen zu wollen, inwiefern der Etat des Programmbereichs Hessen-Information auch 2024 aufgestockt werden kann, um Kürzungen abzumildern. Das begrüßt der Redaktionsausschuss ausdrücklich. "Zugleich beunruhigt es uns, dass die Programmdirektion anscheinend erst nach Schilderung betroffener Reporter*innen die konkreten Auswirkungen ihrer Pläne für den Gesamt-HR und die Berichterstattung über den Hörfunk hinaus verstanden hat."

Derweil hat das Führungsteam der Hessen-Unit angekündigt, unter anderem eine Definition und Abgrenzung des Begriffs "regionale Aktualität" erarbeiten zu wollen. In Gesprächen mit anderen Units des HR (Kultur, Sport, Familie) soll zudem geklärt werden, ob sie wegfallende Themenbereiche des Hörfunks teilweise auffangen können. "Der Redaktionsausschuss fordert, dass künftig zuerst die Kernaufgaben definiert und erst dann journalistische Bereiche umstrukturiert werden - statt umgekehrt."

HR wehrt sich: Journalistische Qualität nicht in Gefahr

Der HR selbst sieht die Sache naturgemäß etwas anders. Gegenüber DWDL.de heißt es von einem Unternehmenssprecher, der Redaktionsausschuss gehe in seiner Darstellung von "teilweise unrichtigen oder in falschem Kontext stehenden Sachverhalten aus", die schon im Offenen Brief des DJV Hessen nicht korrekt wiedergegeben worden seien. "Zum behaupteten Verlust journalistischer Qualität: Diese sehen wir weder in Gefahr noch steht diese zur Disposition, übrigens auch nicht quantitativ", heißt es in einer Stellungnahme des HR.

In Summe werde es nicht weniger, sondern mehr journalistischen Leistungen mit Hessenbezug geben, so der Unternehmenssprecher. Zuletzt habe man die Berichterstattung aus den hessischen Regionen im Hörfunk "massiv ausgebaut", seit Anfang Oktober würden insbesondere HR1, HR3 und HR4 wöchentlich mit 40 bis 50 Themen aus den Regionalstudios versorgt werden. "Gleichzeitig müssen wir, um notwendige Ziele der Einsparung und Umschichtung in digitale Produkte zu erreichen, künftig auf das eine oder andere zeitlose Thema verzichten", so der HR-Sprecher. Die Belastungen, die der Reformprozess mit sich bringe, sei den Verantwortlichen "sehr bewusst". 

Hinweis (12:45 Uhr): Wir haben den Text um die Stellungnahme des HR ergänzt.