Frau Rathmann, für alle die sich jetzt nicht regelmäßig mit Ihrem Senderportfolio beschäftigen, zum Einstieg die Frage: Wie geht es DMAX, Tele 5, TLC und HGTV?
Wir konnten 2023 die Marktanteile des Senderportfolios von Warner Bros. Discovery besonders dank unseres Flaggschiffs DMAX ausbauen und kamen bei den 14-49-Jährigen auf einen Rekordmarktanteil von 4,4 Prozent für unsere Free-TV-Sender. Der Männersender DMAX erreichte dabei im vergangenen Jahr mit 1,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen den besten Marktanteil seit 2016. Das macht uns sehr stolz - und darauf wollen wir in diesem Jahr aufbauen und weiter in Eigenproduktionen investieren, allein schon weil wir wirklich nur ganz knapp die 1,9 Prozent bei DMAX verpasst haben.
Muss DMAX alles allein rausreißen?
Nein, wir sind mit dem kompletten Portfolio gut aufgestellt. Wir haben unsere Sendermarken Tele 5 und TLC ein bisschen neu definiert, dazu hat sich HGTV bei seinen Zielgruppen gut etabliert. Wir verfügen damit über ein breites, aber zugleich klar positioniertes Angebot. Bei uns weiß man, was man bekommt.
Was bekomme ich denn jetzt bei Tele 5 und TLC, wenn Sie die neu definiert haben?
TLC ist unsere Diversity-Brand, wie uns eine Studie von Publicis im vergangenen Jahr auch nochmals bestätigt hat. Unser Sender hat hier in der Wahrnehmung der ZuseherInnen den ersten Platz als diversester Sender im deutschen Markt belegt. TLC ist der Sender für vielfältige Lebensentwürfe, glaubwürdig und sympathisch erzählt, frei von Vorurteilen. Die Ansprache ist insgesamt offener geworden, aber die Hauptzielgruppe sind immer noch unsere Zuschauerinnen, die insbesondere die Genres Dating, Paranormal und Medical lieben und da für überdurchschnittlich hohe Verweildauern sorgen. Bei Tele 5 haben wir uns schweren Herzens entschieden, „SchleFaZ“ aufzugeben, um uns dort ganz auf ein Angebot kuratierter Spielfilme und SciFi-Serien zu konzentrieren. Mehr Filme als Tele 5 zeigt keiner im deutschen Free TV, also auch hier ein klares Versprechen.
Setzt der Sender künftig stärker auf Warner Bros.-Content?
Wir haben den Anteil von Warner Bros-Produktionen erhöht und z.B. mit Batman-Programmierungen Marktanteile von bis zu 3,1 Prozent bei den 14-49-Jährigen geholt. Der Plan ist natürlich, mit dem Zugriff auf Warner Bros. das Spielfilmangebot von Tele 5 zu stärken. Trotzdem werden wir für Tele 5 auch weiterhin im Markt gezielt passende Spielfilme oder Serien wie „Colony“ einkaufen, weil wir die Tradition von Tele 5 als spürbar kuratiertem Programm pflegen wollen. Es wird also kein reiner Warner-Channel, dazu haben wir ja Warner TV Serie, Warner TV Film und Warner TV Comedy im Pay TV. Dort schöpfen wir aus dem Vollen, aber kaufen auch vereinzelt zu. Wir haben uns tolle Premieren gesichert – mehr kann ich aktuell noch nicht verraten.
Wie sieht es dort eigentlich mit den fiktionalen Eigenproduktionen aus?
Wir freuen uns sehr über die Grimme-Nominierungen für „German Genius“ und „Boom Boom Bruno“, später im Jahr kommt bei Warner TV Comedy die zweite Staffel von „Oh Hell“, die 2022 mit dem Deutschen Fernsehpreis als beste Comedyserie ausgezeichnet wurde. Zu weiteren Entwicklungen können die KollegInnen von der fiktionalen Eigenproduktion im Laufe des Jahres sicherlich noch mehr sagen.
Dann bleiben wir beim Free TV: Welche Rolle spielen Eigenproduktionen bei TLC?
Wir wollen das Programm neben den Sendungen aus den USA und UK auch mit deutschen Geschichten bereichern, z.B. gerade im Bereich Übernatürliches bzw. Paranormal mit unserem deutschen Format „Kontakt: Unheimliche Begegnungen“. Und das in einer Form, die selbst Skeptiker dieser Phänomene ins Grübeln bringt. Daneben haben wir das Glück, auf eine gut gefüllte Format-Pipeline aus unseren internationalen Märkten zugreifen zu können -darunter absolute Quoten-Highlights und Zuschauer-Favoriten wie „Dr. Pimple Popper“ oder „Dating ohne Grenzen“.
Es dürfte bei TLC auch sehr schwer sein mit deutschen Produktionen den doch sehr extrovertierten Charakteren der US-Produktionen etwas entgegensetzen zu können oder?
(lacht) Ja, das stimmt leider oder Gott sei Dank - je nachdem wie Sie es sehen wollen. Wir haben letztes Jahr auch Eigenproduktionen aus dem Dating-Bereich ausprobiert bei TLC, aber nicht mit dem gewünschten Erfolg. Deswegen halten wir uns da etwas zurück und bauen auf die gute Versorgung aus den USA, die wir mit einigen gezielten Akquisen ergänzen. So haben wir uns für TLC echten US-TV-Kult gesichert und nehmen dieses Jahr „Judge Judy“ am Vorabend ins Programm. Und dazu kommen noch ein paar weitere, vielleicht überraschende Format-Tests.
"Wir haben unser Produktionsvolumen für 2024 nicht gekürzt."
Investieren Sie also weniger in Eigenproduktionen?
Nein, wir haben unser Produktionsvolumen für 2024 nicht gekürzt. Unsere Investitionen in lokale Programme bleiben unverändert hoch. Wir haben aber umgeschichtet und werden uns bei Eigenproduktionen weitgehend auf DMAX konzentrieren. Dort wollen unsere Zuschauer echte Charaktere und lokale Geschichten sehen. Wir werden beispielsweise das Thema Camping ausbauen am Samstag, wo wir den „Camping Clan“ schon gut etabliert haben. Hier wird es eine neue Staffel geben sowie ein SpinOff. Und am 6. April startet „Die Camper Schmiede“, hier blicken wir vier Werkstätten über die Schulter, wie sie individuelle Camper-Träume verwirklichen – vom Unimog, über den klassischen Bulli bis zum Hausboot. Später im Jahr kommt dann noch eine Motor-Offensive. Darüberhinaus wollen wir nicht nur das, was sich bewährt hat, behalten oder ausbauen, sondern auch 2024 Neues probieren. So haben wir dieses Jahr bei DMAX z.B. „Die Schlangenfängerin“ neu im Programm, also mal eine Protagonistin. Es handelt sich hier um eine deutsche Auswanderin, die ihr Geld in Australien damit verdient, Schlangen zu fangen. Und wir haben Heino gefunden - einen echten kölschen Jungen, der in Kenia ein Hotelresort betreibt. Neue Stoffe, neue interessante Charaktere.
Also nicht nur 24 Stunden „Steel Buddies“, weil die so gut liefen?
(Lacht) Wir haben uns nie allein auf ein Format verlassen. Es wird dieses Jahr auch wieder eine neue Staffel der „Steel Buddies“ geben, aber es wird nach heutigem Stand die letzte Staffel der Sendung werden. „Home of Steel Buddies“ mit mehr als 130 Folgen bleiben wir natürlich, weil die Serie auch auf Discovery+ und in Wiederholung auf DMAX sehr gut funktioniert.
Wenn man u.a. mit den „Steel Buddies“ zuletzt auch mal in die Charts der meistgesehenen TV-Sendungen kommt: Spricht das für die eigene Stärke oder die Schwäche der anderen?
Es ist einfach ein toller Erfolg, wenn man zehn Jahre gemeinsam so ein Format entwickelt hat und zusammen gewachsen ist. Darauf sind wir stolz. Es ist eine Qualität von DMAX, solche Charaktere zu finden und gemeinsam so lang laufende Formate zu entwickeln. Das waren einst auch „Die Ludolfs“ oder „Der Checker“ und natürlich unser „Germinator“, der im März mit neuer Staffel zurück ist. Damit sind wir aktuell so erfolgreich unterwegs wie mit den „Steel Buddies“, was uns sehr freut.
"Die Kampagne von damals würde man heute vielleicht etwas anders gestalten"
Wie ist DMAX 2024 positioniert: Ist das immer noch der „Sender für die besten Menschen der Welt - Männer“?
DMAX ist und bleibt der Männersender. Abenteuer erleben, werkeln, schrauben, anpacken. Das ist die DNA von DMAX. Gut, die Kampagne von damals würde man heute vielleicht etwas anders gestalten, aber man macht Programm fürs Publikum - und das liebt unser Angebot. Und natürlich sind auch Frauen dabei. DMAX ist eine echte Erfolgsgeschichte für Warner Bros. Discovery, nicht nur in Deutschland. Was, glaube ich, viele gar nicht wissen: Diese Marke wurde in Deutschland entwickelt, existiert aber auch in Spanien und Italien. DMAX ist eine TV-Marke made in Germany mit internationalem Erfolg und diese Marke wird dieses Jahr volljährig.
Einst war Factual Entertainment ein Genre für die Sparte, inzwischen setzen auch internationale Streamingdienste, die einst auf Fiction abonniert waren, und die größten Privatsender darauf. Macht Ihnen das zu schaffen?
In den 18 Jahren seit dem Start von DMAX haben wir uns eine gewisse Übung und Expertise angeeignet. Das sorgt für gutes Gespür und eine Machart, die uns von der Konkurrenz unterscheidet: Wir vertrauen bei unseren Factuals auf die Protagonisten und das echte Leben. Ein Beispiel: Wir haben im vergangenen Jahr mit zwei Neustarts das Blaulicht-Genre bei DMAX verstärkt, einmal mit der Stuttgarter Feuerwehr in „Feuerwache 4 - Alarm in Stuttgart“ und den „Speed Cops“. Beide Formate haben auf Anhieb einen Staffel-Durchschnitt von 3,5 Prozent geholt.
Wer macht Ihnen denn jetzt mehr Konkurrenz bzw. Sorgen im Factual: Die Streamer oder die großen Sender?
Ich würde sagen, die anderen FreeTV-Sender, weil das der härtere Wettbewerb um die deutschen Charaktere und deutschen Geschichten ist. Das macht die Arbeit anspruchsvoller. Die Streamer helfen eher, gewisse Genres wie z.B. Survival jünger, größer und breiter bekannt zu machen.
Super Überleitung. Wollte gerade nach Survival fragen, was im deutschen Markt zumindest noch recht jung ist. Wie viel Luft steckt noch in dem Genre nachdem zuletzt mehrere Formate zeitgleich um die Gunst kämpften?
Wir hatten mit „Fritz Meinecke - Facing the Unknown“ bei Discovery+ und auch in der Zweitauswertung auf DMAX einen sehr guten Erfolg und haben das Genre auch mit „Alone“ im US-Original bespielt. Da geht der Nachschub aus unserer US-Pipeline auch nicht so schnell aus, die Programmfarbe werden wir auf jeden Fall weiter verfolgen. Wir arbeiten gerade an einer Formatfortsetzung mit einem neuen Protagonisten in dem Bereich, wozu ich jetzt aber leider noch nichts sagen kann.
Produzieren Sie eigentlich exklusiv für Discovery+? Wie fügt sich Ihr Streamingdienst ins Programmangebot ein?
Wir sind sehr gut damit gefahren, die Eigenproduktionen unserer Sender mit einem gewissen Vorlauf als Preview bei Discovery+ zu zeigen. Dazu kommen Produktionen aus der US-Pipeline wie derzeit die achtteilige Doku-Reihe „On the Roam“ mit Jason Momoa und immer mal wieder auch Programme von europäischen Kolleginnen und Kollegen, die es so nur bei Discovery+ zu sehen gibt. Dazu kommt natürlich der Sport inklusive den Olympischen Spielen, die dort wie bei Eurosport eine Rolle spielen.
Wie steht es denn um HGTV? Wie bewerten Sie die Entwicklung des Senders?
HGTV ist bei uns in der Familie der kleinste Sender aber wir kapitalisieren ihn sehr gut. Mit „Haus des Jahres“ haben wir auch dort in eine Eigenproduktion investiert, aber das ist sicher eher eine Ausnahme. Würde ich gerne eine große Offensive starten, um die Marktanteile zu verdoppeln? Klar, wer würde das nicht gerne bei seinen Sendern machen, aber das bräuchte ein enormes Investment und da konzentrieren wir unsere Ausgaben im derzeitigen Umfeld lieber auf unsere anderen Sender. Wenn sich der Werbemarkt weiter erholt, kann das ein Thema für nächstes Jahr sein.
Frau Rathmann, herzlichen Dank für das Gespräch.