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Von allen fiktionalen TV-Produktionen, die 2019 und 2020 zwischen 18 und 24 Uhr zu sehen gewesen sind, kamen nur 1 Prozent von Unternehmen, die mehrheitlich weibliche Eigentümerinnen haben. Außerdem hatten nur 4,5 Prozent der Unternehmen, die fiktionalen TV-Produktionen in dieser Zeit verantworteten, eine mehrheitlich weibliche Geschäftsführung. Zu diesem Ergebnis kommt eine erstmals zu diesem Thema erhobene Studie von der Medienwissenschaftlerin und Präsidentin der Universität Rostock, Prof. Dr. Elizabeth Prommer. In Auftrag gegeben wurde die Studie von der Produktionsallianz (früher: Produzentenallianz). 

Die Studie hält fest, dass die überwiegende Anzahl (84,2 Prozent) der Produktionsfirmen mit anderen Gesellschaften verflochten sind, etwa als Tochtergesellschaften mit Produktionskonzernen oder TV-Sendern. Nur an 12,5 Prozent der Unternehmen sind auch natürliche Personen beteiligt. Untersucht wurden alle Erstausstrahlungen von fiktionalen deutschen Programmen bei Das Erste, ZDF, RTL, ProSieben, Sat.1 und Vox. Dokumentarische Formate und Unterhaltungssendungen wurden nicht analysiert. Ausgewertet hat man in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 2.924 Sendungen. 

Wie die Studie außerdem zeigt, produzierten die Unternehmen, die im überwiegenden Eigentum von Frauen stehen, in der Regel die ökonomisch meist riskanteren TV-Movies und keine langlaufenden Serien oder Daily Soaps. Private Sender und Streamingdienste arbeiten wenig bis gar nicht mit von Frauen geführten Produktionsfirmen zusammen. Die 36 Produktionen, bei denen Unternehmerinnen mit mehr als 25 Prozent beteiligt sind, wurden ausschließlich von den öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt. Amazon Prime Video, Sky und Warner haben im untersuchten Zeitraum gar keine Produktion bei einem frauengeführten Produktionsunternehmen beauftragt, heißt es in der Studie. 

Unterschiedliche Ergebnisse hat die Studie beim Kino-Förderanteil für Produzentinnen festgestellt. Zwar erhalten frauengeführte Unternehmen einen unterdurchschnittlichen Anteil der Filmfördermittel. Dabei gibt es jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Förderinstitutionen. Die höchsten Förderquoten für Frauen weisen BKM und die Film- und Medienstiftung NRW auf, Schlusslicht ist das Medienboard Berlin-Brandenburg.

Björn Böhning, CEO und Sprecher des Vorstandes der Produktionsallianz, sagt, dass frauengeführte Unternehmen ein blinder Fleck in der deutschen Produktionslandschaft seien. "Das muss sich ändern. Produzentinnen sind ausgezeichnete Unternehmerinnen und haben ein hohes Gespür für relevante, bewegende Inhalte. Sender und Streamer müssen umdenken, die Förderung muss deutlich aufmerksamer für Frauenförderung werden und nicht zuletzt müssen sich die Unternehmen diverser aufstellen."

Gabriele Walter, Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Caligari Film- und Fernsehproduktion: "Unternehmerinnen in der Film- und Fernsehproduktion sind in Deutschland nicht nur in der Minderheit – sie werden auch seltener beauftragt. Die Studie von Prof. Prommer unterstreicht eine strukturelle Benachteiligung von Produzentinnen. Sender und Streamer sind zum Handeln aufgerufen!"

Meike Kordes, Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Kordes & Kordes Film: "Die Filmwirtschaft bildet leider keine Ausnahme, wenn es um die Verteilung von Macht und wirtschaftlichem Erfolg geht. Es ist wie so oft: Männer bekommen Chancen, Frauen hingegen müssen sich erst beweisen. Ohne Vergaberegeln sind Produzentinnen im Hintertreffen. Das darf so nicht bleiben!" 

Und Prof. Corinna Mehner, Geschäftsführerin und Gesellschafterin der blue eyes Fiction und Professorin des Studiengangs Produktion und Medienwirtschaft an der HFF München, ergänzt: "An den Hochschulen sind die Absolventinnen und die Absolventen in den Produktionsklassen zahlenmäßig gleich, im Gegensatz zu ihren männlichen Mitstudenten werden jedoch nur wenige Studentinnen unabhängige, freie Produzentinnen. In der Produktionswirtschaft liegen die Hürden für Frauen viel höher als für Männer. Auftraggeber, Förderer und Unternehmen selbst: Alle sind aufgerufen, das zu ändern!"

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