Ein einmaliger Boxkampf gegen Regina Halmich. Nach dem Oster-Spektakel um seinen Instagram-Teaser sorgte die Enthüllung für gewisse Ernüchterung bei jenen, die sich eine Auferstehung von Stefan Raab erhofften. In der Branche war man sich schnell einig: Das kann nicht alles sein, auch weil die Ambitionen des früheren TV-Entertainers inzwischen fast ausschließlich hinter den Kulissen liegen. Doch auch die Produktion der angekündigten EM-Show für RTL ist nicht der Grund für die Neugründung der Raab Entertainment.
Das bislang geheime Großprojekt von Stefan Raab und Daniel Rosemann - zwei bestens vernetzte TV-Vordenker - ist ein konkretes „Rettungskonzept“ für den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest ab dem kommenden Jahr. Mit seiner bekannten Leidenschaft für den Gesangswettbewerb will Raab sich einmal mehr der Aufgabe annehmen, dem ESC in Deutschland einen Vorentscheid zu geben, der sich nicht hinter groß inszenierten Wettbewerben für die ESC-Teilnahme u.a. in den skandinavischen Ländern verstecken muss.
Mehr Rückhalt und Identifikation mit dem deutschen Act sind zwei der Ziele des Rettungskonzept von Raab Entertainment, das den Vorentscheid als nationale Kraftanstrengung sieht und deshalb nach Vorstellung von Raab und Rosemann alle vier großen Sendergruppen beteiligt: ARD, ZDF, RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 sollen den Vorentscheid gemeinsam veranstalten. Das Konzept wurde den Sendern in den vergangenen Wochen vorgestellt. Die Reaktionen: Interessiert, aber noch unentschieden. Es geht auch um Befindlichkeiten und die grundlegende Frage, wer das Sagen hat.
Vorentscheid über mehrere Sender hinweg
Stefan Raab und Daniel Rosemann nutzen mit dem Vorstoß eine zeitlich günstige Gelegenheit. Beide haben haben sich im Oktober vergangenen Jahres aus ihren bisherigen Aufgaben und Verpflichtungen zurückgezogen - und damit nur wenige Wochen nachdem öffentlich bekannt wurde, dass es beim NDR, der seit 1996 innerhalb der ARD die Verantwortung für den ESC trägt, insbesondere an hochrangiger Stelle eine latente ESC-Müdigkeit gibt. Nach dem zuletzt häufig schlechten Abschneiden deutscher Beiträge beim Eurovision Song Contest wurde man in Hamburg zum Prügelknaben.
Deshalb sieht Stefan Raab nach 2010-12 eine Chance für einen neuen Anlauf. Das Rettungskonzept für den deutschen Vorentscheid sieht nicht weniger als die Ausstrahlung über gleich vier Sender hinweg vor. Produziert werden sollen dem Plan zufolge alle Shows aus dem gleichen Studio. Jeder Sender kann seinen Abend jedoch nach eigenen Vorstellungen gestalten. Die Gewinner dieser drei Sendungen im ZDF, bei RTL und mutmaßlich eher ProSieben als Sat.1 würden dann im deutschen Finale im Ersten gegeneinander antreten, um das Ticket zum ESC zu lösen.
Ob auch die ARD in einer Show vor dem deutschen Finale eigene Kandidaten kürt oder „nur“ das deutsche Finale übernimmt, sei verhandelbar. So wie ohnehin derzeit noch über Details und Preis diskutiert wird. Alle unmittelbar Beteiligten schweigen. DWDL hat erfahren: Es gibt noch unterschiedliche Vorstellungen, auch darüber was das gemeinsame Projekt den teilnehmenden Sendern genau bringt, insbesondere wenn die Ausstrahlung des ESC selbst am Ende unverändert bei der ARD verbleibt. An ähnlichen Zweifeln ist im ersten Anlauf 2010 ein noch größerer Aufschlag gescheitert, als Raab immerhin ARD und ProSieben zusammenbrachte.
Sonderklausel für Dieter Bohlen
Dass eine Entscheidung etwas dauern wird, hat aber auch einen anderen Grund: Das deutsche Abschneiden beim diesjährigen ESC in Malmö Mitte Mai will mancher abwarten. Ein Überraschungserfolg von Isaak dort, würde die Notwendigkeit einer nationalen Kraftanstrengung relativieren. Daher gilt zu bedenken: Das Rettungskonzept der Raab Entertainment ist bisher ein unabhängiger Vorstoß zweier erfahrener und in der Branche sehr geschätzter TV-Macher, aber keine beauftragte Entwicklung. Raab und Rosemann sondieren den Markt.
Und das Duo findet Gehör. Ob neben der Klärung fachlicher Einwände auch so mancher über seinen Schatten springen wird? Für RTL, derzeit sicher die größten Raab-Fans im Markt, gilt übrigens noch eine spezielle Sonderregelung: Hier verbitten sich Raab und Rosemann in ihrem Rettungskonzept für den deutschen Vorentscheid zum ESC jede Beteiligung von Dieter Bohlen. Denn auch wenn Raab längst für das von ihm lange kultivierte Feindbild RTL produziert, gibt es offenbar weiterhin Grenzen.