Die Pressefotos waren im Kasten, die dazugehörige Mitteilung wurde bereits verschickt. Alles schien klar geregelt, als RTL im vergangenen August die Nachricht verbreitete, dass Stephanie McClain, bis dahin Redaktionsleiterin des Magazins "Stern TV am Sonntag", zur Nachfolgerin von Primetime-Chefredakteur Michael Wulf bei RTL News ernannt wurde. Eine "Legende" nannte McClain ihren Vorgänger damals im gemeinsamen Interview bei DWDL.de, während Wulf über die "ideale Besetzung" frohlockte.

Gleichzeitig freute sich der Chefredakteur, die Arbeitsdosis von mehr als 60 Stunden allmählich zurückfahren zu können, indem sie schon seinen Job übernimmt, während er noch bis Ende 2025 als "Berater und für Sonderprojekte an Bord bleiben" wollte. Doch um den erhofft gemächlichen Übergang in den Ruhestand ist es nicht weit her, seit es nach der getroffenen Entscheidung Überlegungen gab, den Posten, in dessen Verantwortungsbereich zahlreiche Magazine, aber auch die Wallraff-Reportagen, Factual-Formate und Dokumentationen fallen, doch noch einmal anders zu besetzen. 

Bereits vor Monaten wurde nach DWDL.de-Informationen schließlich der Entschluss gefasst, vom bereits angekündigten Masterplan Abstand zu nehmen und die Nachfolge-Suche für Michael Wulff noch einmal von vorne zu beginnen. Seither blieb es erstaunlich ruhig - bis "Medieninsider" vor knapp zwei Wochen die Personalbombe platzen ließ, passenderweise nur einen Tag, nachdem in unmittelbarer Nähe zur RTL-Zentrale in Köln-Deutz eine echte Bombe entschärft werden musste. Die Nachricht von der Rolle rückwärts machte nahezu zeitgleich zu einer Mitteilung die Runde, in der RTL über McClains Nachfolgerin als Redaktionsleiterin von "Stern TV am Sonntag" informierte. Über die Neue sprachen nur wenige, stattdessen wurde plötzlich darüber spekuliert, weshalb Stephanie McClain nun doch nicht wie angekündigt zur Chefredakteurin aufsteigen wird.

Der Grund für die plötzliche Trennung, so mutmaßte "Medieninsider", liege in persönlichen Verwerfungen zwischen McClain und der Geschäftsführung von RTL News, die auch in den Händen von Martin Gradl liegt. Zu den Gründen, über die im Haus seit Wochen spekuliert wird, möchte man sich in Köln auf Nachfrage von DWDL.de nicht äußern - nur so viel, man befände sich "in guten und und vertrauensvollen Gesprächen mit Steffi McClain". Ob für sie eine neue Aufgabe im Haus gefunden wird oder es am Ende doch auf eine Trennung hinauslaufen wird, ist bislang unklar.

Stephanie McClain selbst äußert sich gegenüber DWDL.de recht gelassen. "Ich wurde vor zwei Jahren von Stephan Schmitter ins Unternehmen und in die Chefredaktion geholt und arbeite sehr gerne mit ihm zusammen. Dass ein neuer Geschäftsführer sich seine Chefredaktion nach seinen eigenen Vorstellungen auf- und umbaut, ist für mich nachvollziehbar", sagte sie auf Nachfrage und äußerte sich "dankbar für die im positivsten Sinne aufregenden und lehrreichen Jahre bei RTL News". McClain weiter: "Im Moment bin ich mit RTL News in Verhandlungen und als grundoptimistischer Mensch, freue ich mich auf alles, was kommen mag."

"Die Zeit reicht locker"

Martin Gradl © RTL / Marina Rosa Weigl Martin Gradl
Unterdessen geht die neuerliche Suche nach einer Primetime-Chefredaktion weiter. "Der Prozess ist nahezu abgeschlossen. Wir befinden uns auf der Zielgeraden", erklärt Martin Gradl, Co-Geschäftsführer von RTL News, im Gespräch mit DWDL.de und spricht von einer wichtigen Personalie für einen sehr wichtigen Bereich. "Für RTL News ist die Primetime immens wichtig. Während wir mit unseren täglichen Nachrichten und Magazinen vom tagesaktuellen Geschäft leben, ermöglicht uns die Primetime, noch tiefer in die Recherche einzutauchen. Hier geht es immer um gesellschaftlich und journalistisch hochrelevante Themen."

Gleichzeitig stehe man als RTL News mit anderen Produzenten im Wettbewerb für Primetime-Formate, "aber letztlich ist keiner so nah dran an RTL und RTL+ wie wir", sagt Gradl. "Gleichzeitig müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir zuletzt nicht so stark waren wie wir sein wollen." Insofern ist die Zielrichtung der neuen Chefredaktion klar. Martin Gradl: "Inhaltlich richten wir unsere Primetime-Formate auf vier Säulen aus, dabei spielen investigative Elemente und Undercover Einätze eine tragende Rolle. Neben Formaten wie Wallraff und Stern investigativ, die auf Missstände hinweisen und eine gesellschaftliche Verantwortung haben, wollen wir unsere Factual-Marken mit relevantem Service stärken, allen voran 'Gecheckt' und 'Durchleuchtet' mit Peter Kloeppel."

Dazu kommen die wöchentlichen Formate "Extra" und "Stern TV am Sonntag". Insbesondere bei "Stern TV am Sonntag" sieht Gradl die jüngste Entwicklung positiv. "Seit das Format in diesem Jahr inhaltlich verändert wurde, ist es spürbar erfolgreicher", sagt er. Eine weitere Säule sieht er künftig in Ranking-Formaten, einem Genre, das zuletzt etwas in Vergessenheit geriet. "Hier sehen wir eine kleine Marktlücke, insbesondere für jene Abende, an denen ein starkes Gegenprogramm zu erwarten ist. An diesen Abenden gibt es trotzdem viele Menschen, die sich für Events wie das DFB-Pokalfinale oder den Eurovision Song Contest nicht interessieren. Die wollen wir etwa mit der 'großen Lachparade' abholen – aber immer verbunden mit einem journalistischen Anspruch."

Mit Blick auf die Nachfolge von Michael Wulf sieht man sich in Köln derweil nicht unter Zeitdruck. "Wir sind davon überzeugt, dass wir den Übergang gut hinbekommen werden", sagt Martin Gradl, "schließlich ist Michael Wulf noch bis Oktober bei uns im Haus. Die Zeit reicht locker."