"Sherlock" ist vorbei. Und keiner* weiß, ob wir Sherlock und Watson je wiedersehen. Nein, das ist jetzt kein Spoiler. Sondern trägt nur der Tatsache Rechnung, dass schon Monate vor Veröffentlichung der ersten Folge der vierten Staffel von allen Seiten klar gemacht wurde: Ob es je eine Fortsetzung geben wird, ist unklar - wir sind ja alle sooooo beschäftigt. Dazu kamen Aussagen, dass die Staffel sehr düster sein wird. Beides zusammen brachte mich übrigens auf folgende Gedanken: Sherlock wird sicher sterben (und falls sie dann doch irgendwann mit der Serie weiter machen wollen, tun sie so, als sei es wieder ein vorgetäuschter Tod - denn ich glaube den Showrunnern und Drehbuchautoren Mark Gatiss und Steven Moffat gar nichts mehr.)

So und jetzt ist es an der Zeit, dass ich eine Spoiler-Warnung ausspreche: Wer die vierte Staffel "Sherlock" noch nicht gesehen hat, sollte nur dann weiterlesen, wenn es ihm oder ihr nichts ausmacht, dass ich wichtige Entwicklungen verrate. 

Zuerst die Frage: War das wirklich eine Staffel? Sie wirkte auf mich so inkonsistent, auf schlechte Art hin- und hergerissen zwischen Beziehungsdrama und Detektivgeschichte. Oder war das bei "Sherlock" immer so, und ich habe das bei den anderen Staffeln einfach nicht mehr in Erinnerung?

Dann die nächste Frage: Warum sollte ich Mark Gatiss und Steven Moffat noch irgendwas glauben? Ja, es macht Spaß, wenn Dinge anders sind, als sie wirkten und in die Irre geführt zu werden. Aber irgendwann nutzt sich das ab, vor allem, wenn es nicht gut gemacht ist. Ich war zwar geschockt, als am Ende der Folge 2 der Schuss auf Watson fiel. Denn das bestärkte mich in meiner Vorahnung, dass Sherlock am Ende von Folge 3 sterben würde. Aber gleichzeitig war da ein Stimmchen, das flüsterte: "Ach, komm, der ist doch eh nicht tot." Und das Stimmchen hatte recht. Es war nur ein Betäubungsschuss. Ah. Ja. Genauso die erste Szene der dritten Folge: Ein Flugzeugabsturz ist greifbar, nur ein kleines Mädchen an Bord lebt noch, und dann klingelt das Telefon, Jim Moriarty ist dran. Jaja, im Nachhinein stellt sich heraus, das war alles nur Imagination. Und zwar die Imagination der super-cleveren und super-psychopathischen Sherlock-Schwester, von deren Existenz niemand wusste. Aber wenn es nur die Wahnvorstellung einer Figur ist, die noch nicht eingeführt ist - wie kann man ernsthaft eine Folge damit anfangen? Und "Moriartys" Anruf ergibt dann überhaupt keinen Sinn beziehungsweise: dient nur als billiges Schockmittel für uns Zuschauer. Herrje. Bevor ich jetzt noch mehr Unglaubwürdiges aufführe (zum Beispiel: War Mycroft schon als sehr junger Mann ein Entscheidungsträger beim Geheimdienst? Oder wie konnte es sein, dass er schon vor vielen, vielen Jahren die Verlegung seiner Schwester in diesen Superknast veranlassen konnte, ohne dass seine Eltern etwas davon erfahren?), komme ich besser zur nächsten Frage.

Was bitte sollte Marys Monolog am Ende der dritten Folge? Kitsch as Kitsch can! Eine Freundin von mir fühlte sich übrigens an das A-Team erinnert: "If you have a problem, if no one else can help, and if you can find them....maybe you can hire The A-Team." Und in diesem Fall: " ... The Baker Street Boys". Oder, noch passender: "... The 221-B-Team". Ich verstehe nicht, warum die Episode so geendet ist. Für mich wäre das perfekte Ende schon knapp drei Minuten früher gewesen: Die Szene, in der Sherlock und Watson gemeinsam die verwüstete Wohnung aufräumen gegengeschnitten mit der Szene, in der Sherlock und seine Schwester im Hochsicherheitsgefängnis gemeinsam Geige spielen.

Das führt mich zu der eigentlich völlig unwichtigen Frage: Wie hat Mary das eigentlich gemacht mit den DVDs? Wer hat sie für sie abgeschickt? Aber, wie gesagt, völlig unwichtig.

Natürlich hätte ich noch mehr Fragen, doch das würde vermutlich zu nichts führen. Denn mir tut es weh, dass ich an dieser Serie wie ein Geier herumpicke. Ich möchte sie eigentlich gar nicht zerpflücken. Ich mochte "Sherlock" und mag die Serie immer noch. Es war ein großes Vergnügen, in den vergangenen drei Wochen dreimal anderthalb Stunden in die Welt von Sherlock und Watson einzutauchen - auch wenn das Vergnügen alles andere als perfekt war. "The Lying Detective" hat mir übrigens am besten gefallen von den dreien, aber auch die abstruse Gameshow aka "The Final Problem" fand ich spannend. Steven Moffat und Mark Gatiss sind - ganz offensichtlich - außergewöhnliche Drehbuchautoren, die sich richtig austoben, wenn man sie lässt. Ich hätte mir nur manches Mal gewünscht, da wäre jemand gewesen, der sie nicht alles hätte machen lassen. 

Das bringt mich zu dem Schluss: Auch wenn ich mich freue, dass Sherlock Holmes nicht sterben musste und auch Dr. John Watson überlebt hat, bin ich eigentlich ganz froh, dass es bisher keine Pläne für Staffel 5 gibt. Die Figur Sherlock, wie sie Gatiss und Moffat modelliert haben, ist für mich auserzählt. Der eigentlich an Menschen uninteressierte Sherlock hat schließlich Gefühle gezeigt und ist sicher weiter ein außergewöhnlicher Detektiv. Das ewige Warten, das die Erwartungen nur noch gesteigert hat, ist vorbei. Wie sagte Watson so treffend mehrfach in der Staffel: "It is what it is." 

Good-bye, Sherlock and Watson! Es war schön mit Euch.

Nachtrag: Weil der Text anfangs nicht so fließen wollte, wie es Texte bei mir normalerweise tun, habe ich meine Twitter-Follower um Rat gefragt. Ich wollte wissen, welche Musik sie zum Schreiben über "Sherlock" empfehlen können (hier geht's zu meinem Tweet, unter dem Tweet finden sich die Antworten). Es kamen einige sehr schöne Vorschläge. Die, die am besten funktioniert haben, waren übrigens: Die Hebridenouvertüre von Felix Mendelssohn-Bartholdy (ich habe sie mehrfach nacheinander abgespielt), irgendwas von Edgar Elgar (ich habe einen einstündigen Mix auf Youtube gefunden und gehört) und "Don't Look Back In Anger" von Oasis. Was überraschenderweise gar nicht funktioniert hat, obwohl es naheliegend gewesen wäre: die Soundtracks zu den "Sherlock"-Staffeln. Danke an alle für die vielen Ideen! 

*Keiner von uns unbeteiligten Zuschauern, meine ich natürlich. Es gibt übrigens eine sehr interessante Fan-Theorie, derzufolge eine geheime vierte Folge existiert. Worum es geht und wie Steven Moffat darauf reagiert hat, verrät ein Text der "Radiotimes"

Und zum Schluss noch zwei Gucktipps und ein Hörtipp: 

Die sechste Staffel von "Homeland" ist am 15. Januar in den USA gestartet. In Deutschland sind die Folgen nach der sonntäglichen US-Ausstrahlung zum Beispiel bei Amazon Video, iTunes oder Maxdome verfügbar.

"Jerks", die neue Comedy-Serie von Christian Ulmen, ist ab 26. Januar bei Maxdome verfügbar. Und ab 21. Februar soll sie bei Prosieben zu sehen sein.

Es gibt ein "Seriendialoge"-Special: ein Realitäts-Check zu US-Politikserien. Im Serien-Podcast habe ich mit dem US-Experten Dr. Christoph Haas von der Uni Freiburg darüber gesprochen, wie authentisch Serien wie "House of Cards", "Veep" oder "The West Wing" sind.

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Soundcloud, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Sherlock", Staffel 4: Die neuen Folgen sind zum Beispiel bei iTunes und Amazon Video verfügbar. Irgendwann im ersten Halbjahr 2017 soll die vierte Staffel auch im Ersten zu sehen sein, ein Sendetermin ist noch nicht bekannt.  

Wer mir auf Twitter folgen möchte, kann das hier tun: @FrauClodette.