Ich bin gerade dabei, meine größte Serienlücke zu füllen: Ich gucke "Twin Peaks". Endlich. Soeben habe ich Folge neun der zweiten Staffel geschaut. Und sobald ich diesen Text beendet habe, geht's mit Folge zehn weiter. Weswegen ich hier jetzt ganz schnell fertig werden will, denn diese Serie hat mich in ihren Bann gezogen. 

Wer sich jetzt fragt: Wie? Die kennt "Twin Peaks" nicht?!? fragt sich das zu Recht. Wobei, vielleicht nicht ganz. Als die Serie in Deutschland im Fernsehen lief - auf RTL plus, wie RTL damals ja noch hieß - hatten wir zu Hause noch kein Kabelfernsehen, ich konnte es also gar nicht gucken. Achja, ich wäre mit meinen 15 Jahren auch etwas zu jung dafür gewesen. Und ich habe auch einfach nichts davon mitbekommen, bis ich während des Studiums David Lynchs Film "Lost Highway" im Kino gesehen hatte und mir meine männliche Begleitung nach dem Film von Lynchs Serie "Twin Peaks" vorschwärmte. Ich war zwar ein bisschen verknallt, aber doch nicht so verknallt, dass ich mir sofort "Twin Peaks" angeschaut habe. (Das mit mir und dem Typen hielt übrigens nicht lange.) Und natürlich ist mir seit Jahren klar, dass die Serie zu den Meilensteinen gehört und ich wusste auch, dass ich die Serie irgendwann anschauen würde. Aber ich habe mich davor gedrückt.

Als die Nachricht kam, dass es eine Fortsetzung geben würde, hatte ich für das Nachholen eine Deadline: Ich würde die alten Folgen gucken müssen, bis Staffel 3 startet. Normalerweise mache ich Dinge eher auf die letzte Minute - ich war also davon ausgegangen, dass ich erst Mitte Mai anfange und dann rechtzeitig zum Start am 21. Mai fertig bin mit Staffel 1 und 2. Glücklicherweise bin ich nun doch früher dran. Dank eines Hexenschusses, der mich vor drei Tagen ereilt hat. (Ja, sogar sowas kann manchmal seine guten Seiten haben.) Weil ich nur liegen konnte und kann, habe ich mich mit Wärmflasche aufs Sofa gepackt und geguckt. Und geguckt und geguckt. Und war fasziniert. Und bin es immer noch (siehe oben).

Eine lange Vorrede, ich weiß. Doch ich wollte die berechtigte Frage nicht im Raum stehen lassen. Jetzt aber zur Serie: Ich liebe sie! Und ich denke, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt für mich ist, sie zu gucken. Vor ein paar Jahren wäre sie mir noch zu schräg vorgekommen, ich hätte zwar einordnen können, was daran fortschrittlich war. Aber ihre wirren Entwicklungen und absurden Nebenhandlungen hätte ich vielleicht nicht so zu schätzen gewusst wie ich es jetzt tue.

Was mich übrigens sehr überrascht hat: Dass sich "Twin Peaks" nicht alt anfühlt. Klar, viele der Schauspieler kenne ich eigentlich mit älteren Gesichtern. Ja, hin und wieder hat die digitale Überarbeitung ihre kleinen Macken. Und die Special Effects wären besser, wenn die Serie nicht schon mehr als 25 Jahre alt wäre. Aber sonst? Die Art zu erzählen, die Figuren, die Bildsprache - genau mein Ding. Ich habe natürlich das Glück, dass ich schon einiges über die Serie weiß und deswegen keine Auflösung erwarte. Ich lasse mich gerne auf die Wirrungen ein, finde es unterhaltsam, mehr über die Hintergründe und die Nebenbei-Geschichten auch unwichtiger Figuren zu erfahren, ohne darauf zu bauen, dass das alles irgendwann Sinn ergeben wird. 

Besonders überzeugt bin ich von der Hauptfigur: Agent Cooper ist ein spannender Charakter, schön schräg, nicht zu schräg. Überzeugend gespielt von Kyle MacLachlan, den ich bisher nur aus seinen Rollen in "Sex and the City" und "How I Met Your Mother" kannte. Ich freue mich schon darauf, ihn in der Fortsetzung zu sehen - vielleicht bringt Cooper dann ja endlich mal seine Assistentin Diane mit, die Frau, an die seine stundenlangen Aufnahmen mit dem Diktiergerät adressiert waren. Aber auch die anderen Figuren gefallen mir, allen voran Jodie und Audrey, beide fast erwachsen und weniger unschuldig als von ihrer Umwelt erwartet. Und Lucy, die in der Serie zwar die klassische Funktion der guten Seele der Polizeistation erfüllt, aber von der Umsetzung her deutlich über das hinausgeht, was man von einer solchen Figur erwarten würde. Die vielen Donuts, die Lucy besorgt und immer so ungewöhnlich drapiert, haben bei mir übrigens den Appetit auf Donuts geweckt. Ist das nur mir aufgefallen oder sind da wirklich ungewöhnlich viele Donut-Szenen in dieser Serie? (Von der Schwärmerei für Kirschkuchen und Co. ganz zu schweigen.)

Mit der Art des Soundtracks und mit seinem Einsatz habe ich in der ersten Folge etwas gefremdelt. Sehr viele Szenen sind ungewöhnlich stark und oft mit dominanter Musik unterlegt, Jazz-Elemente und andere Instrumental-Musik, die ich normalerweise nicht oft höre. Aber es dauerte nicht lange, bis sich die musikalische Untermalung in meinen Ohren einfügte in das Lynch'sche Gesamtkunstwerk aus skurrilen Figuren, starken Farben, langen Einstellungen, Close-Ups, ungewöhnlichen Erzählungen und überraschenden Entwicklungen. 

Einzig der Vorspann ist kurz davor, mich zu nerven. (Wer ihn nicht mehr vor Augen hat, hier geht's zum YouTube-Video.) Anfangs war ich fasziniert. Doch meine Faszination für den langen, langsamen, fast monotonen Vorspann hat sich abgenutzt. Was vermutlich daran liegt, dass ich ihn in den vergangenen drei Tagen bereits 17 Mal gesehen habe. Ja, für sich genommen ist er großartig - der Vogel, die Wälder, die Sägemühle, das Schärfen der Sägeblätter unterlegt mit einer romantischen, leicht monotonen Musik. Doch er ist eben nicht fürs Marathon-Gucken gemacht. Sowas gab's damals ja noch gar nicht. ;-)

Wenn ich "Twin Peaks" beendet habe, habe ich übrigens zweieinhalb meiner vier größten Serienlücken geschlossen, über die ich vor eineinhalb Jahren hier in dieser Kolumne geschrieben habe. Irgendwie beruhigend. 

Und zum Schluss noch vier Gucktipps: 

Am Donnerstag wurde mit viel Brimborium der Starttermin von Staffel 7 von "Game of Thrones" bekanntgegeben (der 16. Juli, übrigens), am Samstag startet Staffel 6 im frei empfangbaren deutschen Fernsehen: am 11. März um 20.15 Uhr geht's auf RTL II los.

Desaster in Washington DC: Die erste Staffel von "Designated Survivor" ist am 8. März in den USA weitergegangen, in Deutschland ist die neue Folge laut Netflix ab 29. März beim Streaminganbieter zu sehen. Ich hatte in meiner Kolumne im Dezember darüber geschrieben.

Amazons erste deutsche Serie: "You are wanted" von und mit Matthias Schweighöfer ist ab 17. März bei Amazon Video (Prime) verfügbar. Dürfte spannend werden.

Der vierte Netflix-Defender: "Iron Fist" startet am 17. März bei Netflix. Er soll das Superheldenquartett aus Daredevil, Jessica Jones und Luke Cage komplett machen. Leider sind die ersten Kritiken nicht gut: Hier zum Beispiel die von Alan Sepinwall

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Twin Peaks": Die Staffeln 1 und 2 gibt's bei Amazon Video (Prime), außerdem bei Sky Ticket und bei Sky Go. Und auf DVD. Die dritte Staffel startet am 21. Mai in den USA bei Showtime und soll 18 Folgen haben. In Deutschland wird die Fortsetzung zuerst bei Sky zu sehen sein, der Starttermin ist allerdings noch nicht bekannt.

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