Wenn heutzutage von Serien gesprochen wird, kommt es irgendwann unweigerlich zu dem Punkt, bis jemand erwähnt, dass wir uns momentan im “Golden Age of Television” befinden. Oft wird diese Aussage vor allem mit High-End-Produktionen wie “Game of Thrones”, “House of Cards” oder “The Handmaid‘s Tale” in Verbindung gebracht. Es ist aber auch dafür verantwortlich, dass in europäische Serien endlich der Einsatz gesteckt wird, den sie schon längst verdient haben. Wer nämlich glaubt, dass nur amerikanische und britische Produktionen das Zeug zur potenziell neuen Lieblingsserie haben, ist schief gewickelt. Und muss ganz dringend “Haus des Geldes” schauen.

“Haus des Geldes” heißt eigentlich “La casa de papel” und kommt ursprünglich, es kann erahnt werden, aus Spanien. Vor noch wenigen Jahren hätte wohl kein Sender oder Network der Welt den Mut gehabt, diese Serie mit in sein Programm zu nehmen, da man ihr schon deutlich anmerkt, wo sie herkommt. Schwierig, haben sich doch eine lange Zeit klassische amerikanische Serien in den Vordergrund gespielt. Doch Netflix sei Dank und dem Willen, die Qualitätsjuwele allerlei Regionen dieser Erde auf die internationalen Bildschirme zu bringen, dürfen nun nicht nur die knapp 47 Millionen Bewohner Spaniens die Antena-3-Produktion genießen, die in unterhaltsamster Weise zeigt, wie eine ordentliche Schachpartie zwischen Polizei und Gangstern auszusehen hat.

Genauer gesagt dreht sich beim “Haus des Geldes” alles darum, dass ein Mann, der sich lediglich als “der Professor” ausgibt, acht Verbrecherspezialisten um sich versammelt, um mit ihnen das größte Ding ihres Lebens zu drehen. Ihr Ziel ist nämlich die Banknotendruckerei Spaniens und insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Was sich wie ein Film aus der “Oceans”-Reihe anhört, ist im Endeffekt sogar noch deutlich mehr. Die längere Laufzeit, wir sprechen hier von zunächst dreizehn Folgen á 50 Minuten, wurde in bester Manier dafür genutzt, Charaktere aufblühen zu lassen, wie es bei Steven Soderberghs Trilogie nie der Fall war. Die Filme waren spaßig, keine Frage. “Haus des Geldes” ist jedoch spaßig und in den Bann ziehend.

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Sobald die Truppe in der Banknotendruckerei ankommt, was bereits nach einer kurzen Einführung der Fall ist, kommt nämlich ein dynamisches Spiel ins Rollen, welches endlich mal wieder ein guter Grund zum binge-watchen ist. Die Spanier haben ihr feuriges Temperament genommen und in eine Räuber und Gendarm-Version gepackt, die wie ein fesselnder Salsatanz hin- und her und nach links und nach rechts führt. Kaum eine Aktion, egal von welcher Seite, ist zu erahnen.

In gewissen Ausnahmemomente ist ein Twist aber auch dann mal nicht zu erahnen, weil etwas unverhältnismäßig dämliches passiert. Wer schon einmal eine spanische Telenovela gesehen hat, weiß, wie gerne sie etwas überdramatisierten. Zwar hat sich Regisseur Álex Pina für “Das Haus des Geldes” in dieser Hinsicht ordentlich zusammengerissen. Manchmal gingen die Pferde dennoch mit ihm durch, um seinem Heimatpublikum etwas gewohntes bieten zu können: Situationen, die in einem 2,4 Milliarden Euro-Heist niemals nie passieren dürften. Eine bescheuerte Liebesromanze beispielsweise.

Es kann jedoch an der eigenen Hand abgezählt werden, wie oft der Kopf geschüttelt werden muss. Dann kann die Konzentration wieder darauf gelenkt werden, wie harmonisch sich der Rest anfühlt. Allen voran die Geschichte des Professors, der auf der einen Seite die Fäden des Überfalls organisiert, da er es sich an einem sicheren Ort gemütlich gemacht hat. Auf der anderen Seiten kopuliert er aber auch noch mit der im Fall leitenden Kommissarin. Diese weiß natürlich nicht, dass sie tagsüber mit ihm über Telefon und seiner verstellten Stimme über den Überfall verhandelt, während sie später mit ihm in Echt einen Kaffee trinken geht. Diese immer intensiver werdende Beziehung wurde mit einer Klasse geschrieben, von der sich jeder 08/15-Krimi-Autor eine Scheibe abschneiden darf.

Um noch weiter zu gehen, würde ich behaupten, dass die Macher von "Haus des Geldes" kein Drehbuch im herkömmlichen Sinne aufgesetzt haben. Sie haben es sich zum Ziel gemacht, ein Statement zu schaffen. So tragen die Räuber rote Overalls und absurde Salvador Dali-Masken. Das nicht ohne Grund, repräsentierte der Künstler Dali schon damals ein Leben, das nicht den typischen Moralvorstellungen entsprach. Die acht Einbrecher identifizieren sich mit ihm und seiner Aussage. Die roten Overalls stehen außerdem, wie Pina bereits in einem Interview bestätigte, für den Sozialismus und dass diejenigen, die sie tragen, gegen den Kapitalismus sind. Die Kapitalisten werden von der Polizei verkörpert. Wirklich deutlich werden diese philosophischen Gedanken dann, wenn das Team um den Professor den Spieß umdrehen und der zuschauenden Welt klar machen möchte, dass nicht sie die Bösen sind.

Mit welchen Mitteln er dies versucht, sollte aber von jedem selbst entdeckt werden. So wie dieser Serien-Nugget im Allgemeinen, der neben einer packenden Geschichte nicht nur mit der ein oder anderen grandiosen Filmreferenz aufwarten kann – wie bei Quentin Tarantinos “Reservoir Dogs” wählen die Gangster hier Codenamen – sondern auch mit Liedern, die euch als wohlige Ohrwürmer lange verfolgen werden. So kann ich ihnen jetzt schon prophezeien, dass sie nach kurzer Zeit den Intro-Song “My Life is going on” bei Spotify suchen werden und wie sie sich bei der letzten Folge des ersten Teils dabei ertappen, wie sie plötzlich inbrünstig das Widerstandslied “Bella Ciao” mitgrölen.

Die Serie teilt sich in zwei Teile auf. Der erste Teil umfasst 13 Folgen und ist derzeit bei Netflix zu sehen. Der zweite Teil samt seinen neun Folgen erscheint am 6. April.