Ende April 2017 wurde gemeldet, dass an einer Fortsetzung von "Roseanne" gearbeitet werde. Jetzt ist es so weit: Am 27. März laufen die ersten beiden neuen Folgen in den USA, mehrere Trailer wurden bereits veröffentlicht. Ich hatte also knapp ein Jahr Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es nach mehr als 20 Jahren eine weitere Staffel "Roseanne" geben soll. Ich habe wirklich immer mal wieder darüber nachgedacht, einiges darüber gelesen, aber: Ich bin noch nicht sicher, ob ich die neuen Folgen gucken möchte.

Dabei bin ich genau das Publikum, für das die zehnte Staffel gemacht wird: Ich habe die Sitcom geliebt. Sobald ich an die Serie denke oder auch nur irgendwo den Namen Roseanne lese, habe ich das breite, leicht dreckige Lachen von Roseanne im Ohr. Manchmal bauen sich bestimmte Szenen in meinem Kopf auf (allen voran die Halloween-Folgen!). Und ich weiß sogar noch, in welcher Situation ich mich befand, als ich die Serie zum ersten Mal geschaut habe. (Warum ich mir die DVD nicht schon längst gekauft habe, frage ich mich übrigens gerade auch.) 

Anders als bei meiner Ablehnung der Idee einer "Gilmore Girls"-Fortsetzung, geht es mir hier nicht darum, dass die eigentliche Geschichte zwischen den Charakteren in der letzten Staffel beendet wurde. Als ich die letzte Staffel von "Roseanne" gesehen habe, habe ich mir nichts mehr gewünscht, als dass das jemand rückgängig machen würde. Aber das war vor vielen Jahren. Jetzt ist "Roseanne" auch die Sitcom für mich, bei der ich die letzte Staffel gerne nicht gesehen hätte. Und von der ich daher einfach nichts Neues mehr sehen will, mit der ich abgeschlossen habe.  

"Roseanne", das ist für mich außerdem die Serie, in der ich einige Schauspieler und Schauspielerinnen zum ersten Mal gesehen habe, die später weitere spannende Projekte gemacht haben. Das Problem: Alle Gesichter, die auch in der Forsetzung zu sehen sein werden, sind 20 Jahre älter. Das ist bei den Charakteren, die früher Kinder oder Jugendliche waren, natürlich auffälliger als bei den anderen. Obwohl ich weiß, wer wer ist und die Figuren gut kenne, verbinde ich mit den älter gewordenen Gesichtern andere Charaktere. Wenn ich Sara Gilbert sehe, denke ich als Erstes an "The Big Bang Theory" - obwohl sie die schlechtgelaunte, düstere Darlene Conner und damit meine Lieblingsfigur gespielt hat. Bei Johnny Galecki, der Darlenes Freund David spielte, ist es natürlich auch "The Big Bang Theory". Bei Sarah Chalke, die zweite Becky, kommt mir immer als Erstes die wunderbare Elliot von "Scrubs" in den Sinn. Bei John Goodman denke ich an "Treme", "Alpha House" und "The Big Lebowski". Und bei Laurie Metcalf ist es ebenfalls "The Big Bang Theory", wo sie die streng-katholische texanische Mutter von Hauptfigur Sheldon spielt. Einzige Ausnahmen: Roseanne Barr selbst; Michael Fishman, der Sohn D.J. spielt; und die erste Becky, Lecy Goranson. In allen drei Fällen liegt es daran, dass sie danach meine Fernseh-Wege nicht mehr gekreuzt haben. Es könnte also schwierig für mich werden, mich tatsächlich auf die Figuren einzulassen. 

Kommen wir zu einem grundsätzlicheren Problem: Mir erschließt sich nicht, warum man altes Fernsehen unverändert wiederbeleben sollte. Und ich habe bewusst "altes Fernsehen" geschrieben. Denn nichts anderes ist "Roseanne". Die Serie war etwas Besonderes, als sie Ende der 80er-Jahre auf Sendung ging, weil sie die erste Sitcom war, die die Sorgen und Nöten der weißen Unterschicht in den USA behandelte. Aber das ist eben mehr als 30 Jahre her. Seitdem hat sich die Art des Erzählens in Serien radikal verändert, die Themen sind vielfältiger geworden. Entsprechend haben sich die Ansprüche des Publikums verändert: Ich als Zuschauerin habe ganz andere Erwartungen an eine Sitcom als damals, als ich "Roseanne" das erste Mal gesehen habe - völlig unabhängig davon, dass ich damals sehr viel jünger war.  

Natürlich ist es für die Sender reizvoll und risikoarm, auf eingeführte "Marken" zu setzen. Aber es ist zu einfach und nicht nachhaltig, auf das pure Nostalgie-Gefühl beim Publikum zu setzen. Für neun Folgen mag es funktionieren, den früheren "Roseanne"-Fans die gealterten Charaktere im alten Format vorzusetzen. Ich dagegen finde es reizvoll, wenn man eingeführte Marken nimmt und etwas Neues daraus schafft. Ein Beispiel: Die Netflix-Serie "One Day at a Time" ist ein Remake der gleichnamigen Sitcom, die von 1975 bis 1985 bei CBS lief. Die Figurenkonstellation ist zwar ähnlich wie in der Originalserie - alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern -, doch durch die Entscheidung, den Charakteren einen kubanischen Hintergrund zu geben, wurden die Weichen für etwas Neues gestellt. Herausgekommen ist eine moderne Sitcom voller relevanter gesellschaftspolitischer Themen. Ein weiteres Beispiel: Die Sitcom "Sabrina", die von 1996 bis 2003 lief und auf einer Comic-Reihe basiert, soll neu aufgelegt werden. Allerdings nicht als Comedy, sondern als düstere Serie für die Young-Adult-Zielgruppe. Eine Fortsetzung der "Sabrina"-Sitcom hätte ich mir nie angeschaut, obwohl ich die Serie früher ganz gerne schaute - auf die düstere Version dagegen freue ich mich.    

Meine Bedenken haben eines gemeinsam: Sie senken meine Erwartungen. Ja, tatsächlich sind meine Erwartungen mittlerweile so niedrig, dass ich im Grunde nicht enttäuscht werden kann. Ich werde also auf jeden Fall die erste Folge anschauen. Und vermutlich lachen.

Die zehnte Staffel von "Roseanne" startet am 27. März in den USA beim Sender ABC und umfasst neun Episoden. Wann die neuen Folgen in Deutschland zu sehen sein werden, ist bisher nicht bekannt.