Leslie Knope (Amy Poehler), die Vize-Chefin des Grünflächenamts des fiktiven Städtchens Pawnee im US-Bundesstaat Indiana, ist zweifellos der strahlende Mittelpunkt der Sitcom "Parks and Recreation": optimistisch, gut gelaunt, motivierend, an das Gute im Menschen glaubend, liebt es, im Grünflächenamt zu arbeiten. Sie hat so viel Liebe zu geben! Und ja, manchmal ist sie auch ein bisschen nervig, rechthaberisch und unerbittlich. Doch die Figur Leslie Knope wäre undenkbar ohne ihren Gegenpart: Grünflächenamtsleiter Ron Swanson (Nick Offerman). Er ist grummelig, misstrauisch, meidet Menschen, hasst seine Behörde und den Staat an sich. Zumindest ist er so, als man ihn zum ersten Mal kennenlernt - in der ersten Folge. Sieben Staffeln später ist er auf den ersten Blick immer noch so und doch gleichzeitig ganz anders. 

Leslie und Ron sind ein besonderes Paar, eines, wie man es in Sitcoms nur ganz selten findet. In den großen amerikanischen Sitcoms sind Mann-Frau-Konstellationen als Kern ein gängiges Muster. In manchen Fällen ist die einzige Funktion der Frauenfigur, die Männerfigur zu einem besseren Menschen zu machen. Und in vielen Fällen spielen Liebesgefühle eine große Rolle, und die Protagonisten müssen einige Hindernisse überwinden, bis sie sich in den Armen liegen, dann Trennung, dann wieder Zusammenkommen, dann Trennung und so weiter. Das bekannte Will-they-won't-they-Spiel eben. Doch weder das eine - die Frau macht den Mann besser - noch das andere - Liebe! - ist bei Leslie und Ron ein Thema. Und es ist auch für mich als Zuschauerin immer klar, dass das beides nie ein Thema sein wird. Leslie und Ron sind eigenständige Figuren, die sich zwar im Laufe der sieben Staffeln entwickeln - auch dadurch, dass sie miteinander und aneinander wachsen -, die aber immer in entscheidenden Punkten uneinig sein und heftig streiten werden. Bis zum Schluss. 

In der siebten und letzten Staffel hat mich das Verhältnis der beiden besonders berührt. Die Wertschätzung, mit der sie sich begegnen, und die Freundschaft (oder wie Ron es nennt: "workplace proximity acquaintances" beziehungsweise "Bekanntschaft aus dem Arbeitsbereich" in der deutschen Synchronisation), die die beiden verbindet, waren zwar schon in den vorigen Staffeln zu spüren. Doch wie tief die Gefühle gehen, wurde erst in S7E04 deutlich, als die beiden gezwungen werden, sich auszusprechen. Sie verbringen eine verrückte und doch gleichzeitig sehr Ron-und-Leslie-typische Nacht in ihrem alten Büro miteinander, in der
- geflucht wird,
- ausgewichen wird,
- geschwiegen wird,
- geschnitzt wird,
- getrunken wird,
- genervt wird,
- ein Sprengsatz aktiviert wird,
- eine aufwändige Beziehungsgrafik erstellt wird
und schließlich über Gefühle gesprochen, umarmt, getanzt und gelacht wird. Eine Freundschaft, die man nur verstehen kann, wenn man die 115 Folgen vorher gesehen hat.

Es ist eigentlich unmöglich zu sagen, ob Ron und Leslie auch so überzeugt und die Serie so lange getragen hätten, wenn sie nicht von Nick Offerman und Amy Poehler gespielt worden wären. Aber was man auf jeden Fall sagen kann: Diese beiden passen zueinander und haben sich ihre Rollen auf eine gewisse Art zu eigen gemacht und die Figuren gleichzeitig stark beeinflusst. Bei Ron Swanson lässt sich das an einem handfesten Beispiel festmachen: Das leidenschaftliche Arbeiten mit Holz spielt auch deswegen eine so große Rolle, weil Nick Offerman es selbst sehr gut kann und mittlerweile als Nebenberuf betreibt. Und gleichzeitig ist es zu einem wichtigen Teil der Figur Swanson geworden, der sich in seiner Ablehnung eines Staats und der durch diesen bereit gestellten Infrastrukturen natürlich auf seine eigene Arbeitskraft und seine handwerklichen Fertigkeiten verlassen können muss, wenn der Staat endlich überwunden ist. 

Wenn man mehrere Schritte zurücktritt und die beiden Figuren aus einer großen Distanz betrachtet, stehen sie für entgegengesetzte, unvereinbare Konzepte: Leslie Knope verkörpert eine progressive Weiblichkeit - die Feministin, die an eine aufgeklärte, gleichberechtige Gesellschaft glaubt und daran glaubt, dass man die Welt durch eine bessere Politik lebenswert machen kann und dass sie als Politikerin den Wählerinnen und Wählern dient. Ron Swanson verkörpert eine rückständige Männlichkeit - der Individualist, der nur an seine eigene Stärke glaubt und der den Staat als überflüssiges Konstrukt sieht, das Menschen stützt, die zu faul sind, sich selbst zu helfen. Beide Figuren wurden mit Eigenschaften und Vorlieben ausgestattet, die die jeweiligen Konzepte unterstreichen und überspitzen sollen - und dann aufeinander losgelassen, sozusagen.   

Natürlich ist Michael Schur, der Erfinder, Autor und Showrunner der Serie, nicht unparteiisch in diesem Kampf der Konzepte. Seine Arbeiten haben eine klare Botschaft: Gemeinsam sind wir stark. Hindernisse werden in seinen Serien-Universen ("Parks and Recreation", "Brooklyn Nine-Nine", "The Good Place") dadurch überwunden, dass die wichtigsten Figuren zusammenarbeiten. Wodurch nicht nur das Problem gelöst wird, sondern woran auch die Figuren wachsen. Weswegen es nicht verwundert, dass Leslie und Ron im Laufe der Zeit feststellen, dass sie trotz ihrer Gegensätze gemeinsam etwas erreichen können. Entsprechend der Figurenzeichnung ist es Leslie, die das relativ schnell feststellt, und es dauert einige Zeit, bis sie Ron - der per Definition seines Charakters im Grunde kein Interesse hat, etwas zu erreichen - davon überzeugt. Doch ja, es passiert. Und das ist schön. 

Einerseits ist es schade, dass für dieses ungewöhnliche Paar nach sieben Staffeln Schluss war. Andererseits: Staffel 6 und Staffel 7 (beide waren in Deutschland erst in diesem Jahr zu sehen) sind sehr gut geworden, die Geschichten der wichtigsten Figuren nehmen besonders in Staffel 6 richtig Fahrt auf und werden in Staffel 7 überzeugend auserzählt. Und obwohl ich es sehr genossen habe, die beiden Staffeln zu gucken, sträube ich mich noch ein bisschen davor, endlich das Doppelfolgen-Finale einzuschalten. Denn dann ist mein Abschied von Leslie und Ron endgültig.

Alle 7 Staffeln von "Parks and Recreation" sind zum Beispiel bei Amazon, iTunes oder auch Sky Ticket und Sky Go verfügbar. Außerdem läuft die Serie derzeit beim Bezahlsender Sky 1.