Was mich an der Berlin-Staffel von "Homeland" fasziniert hat: Wie die Macher und Macherinnen es schaffen, eine hochspannende Handlung einer erfolgreichen amerikanischen Serie um Geheimdienst, Terrorismus und internationale Politik in eine Stadt zu verlegen, die mir gut bekannt ist, in der ich selbst mal gelebt habe. Und genau das war für mich der Einschaltimpuls bei "Berlin Station": internationale Spionage-Geschichten aus amerikanischer Sicht in Berlin erzählt, aber nicht nur eine Staffel, sondern eine gesamte Serie lang. 

Im Herbst 2016 in den USA gestartet, war die Serie ein paar Monate später auch in Deutschland verfügbar - dem Land, in dem sie spielt. Und natürlich wird in der ersten Staffel teilweise ein Berlinbild gezeigt, das auf ein amerikanisches Publikum zielt: schummrige, anrüchige Clubs; verführerische Transvestiten; ungewöhnlich, aber gut gestylte feierwütige Menschen; dazu die gängigen Touristen-Ecken gepaart mit verfallenen Ecken. Berlin als eine höchst lebendige, grenzenlose, unmoralische Stadt, in der alles möglich scheint - auch dass ein Whistleblower streng geheime Informationen aus CIA-Kreisen verbreitet. Denn genau darum geht es in der ersten Staffel: Die Spur zur Quelle, die die amerikanische Regierung nur zu gern austrocknen würde, führt nach Berlin. Eine von Edward Snowden inspirierte Geschichte wäre nicht die erste, die mir für eine Spionage-Serie in Berlin eingefallen wäre. Aber glücklicherweise hat mich niemand gefragt - und so entfaltet sich in der ersten Staffel von "Berlin Station" eine hoch spannende Geschichte um Geheimnisse, Verrat, Intrigen. Und von Berlin gibt es zwar ein paar Klischee-Bilder zu sehen, aber vor allem auch normale Straßenzüge und ungewöhnliche, heruntergekommene Ecken, die man nicht oft Fernsehen sieht. Das macht selbst einer Berlin-erfahrenen deutschen Zuschauerin wie mir Spaß. 

Die zweite Staffel überrascht im Herbst 2017 mit einem sehr deutschen Thema, denn es geht um eine erstarkende rechte Partei, die der AfD ähnlich scheint, und "Perspektive für Deutschland" heißt. Was der amerikanische Geheimdienst damit zu tun hat, wird schnell klar: Es gibt Hinweise auf illegalen Waffenhandel und mögliche Anschlägspläne aus dem Umfeld der Rechten. Um das zu verhindern, ziehen der deutsche Geheimdienst und die CIA an einem Strang. Und ja, auch diese Geschichte ist ausgezeichnet und spannend erzählt - so gut, dass ich mich wie in der ersten Staffel auf sie einlasse, selbst unglaubwürdige Vorgänge hinnehme und nicht in Frage stelle. Doch meine Faszination für die zweite Staffel geht darüber hinaus: Hier dient eine aktuelle politische Entwicklung in Deutschland, die Besorgnis erregend ist, als Ausgangspunkt für ein ausgefeiltes Szenario. In diesem Szenario geht es einerseits um die Radikalisierung und Bewaffnung der Rechtsextremen, andererseits aber auch darum, was passiert, wenn Sympathisanten der rechten Partei in Behörden wie dem Verassungsschutz an entscheidenden Stellen sitzen.

Ich bin ja grundsätzlich eine Anhängerin davon, dass man sich mit gesellschaftlich Entwicklungen auch fiktional auseinandersetzen sollte, weil das erstens zum Nachdenken anregt und zweitens eine Diskussion in Gang bringen kann. Dass das im Fall einer erstarkenden rechten Partei in Deutschland nun ausgerechnet eine amerikanische Serie tut, hat mich - wie oben geschrieben - überrascht. Wenn man genau hinschaut, fallen zwar Dinge auf, die amerikanisch sind und die aus deutscher Innen-Sicht in diesem Szenario keinen Sinn ergeben. Und auch über das amerikanische Geheimagenten-Bild, das hier gezeichnet wird, müssten wir nochmal reden. Doch wo sind sie denn, die deutschen hochwertig produzierten Serien, die sich mit der gesellschaftlichen und politischen Gegenwart beschäftigen? Krimis, sehr viele. Historienserie, einige. Aber sowas wie die zweite Staffel von "Berlin Station"? Hm. Schade. 

Seit Anfang Dezember läuft nun die dritte Staffel - in Deutschland wöchentlich veröffentlicht auf Netflix. Das CIA-Team ist etwas weiblicher geworden, aber im Großen und Ganzen sind es dieselben bekannten Gesichter wie in den Staffeln zuvor. Dieses Mal wird der Fokus noch größer gezogen: Es geht um einen politischen Umsturz in Estland und eine mögliche russische Beteiligung daran und ist damit genau wie S1 und S2 an aktuellen politischen Ereignissen orientiert, nämlich am Ukraine-Konflikt. Wieder spannend erzählt und hochwertig produziert, ohne Frage. Und die vielen über Europa verteilten Drehorte machen was her (wie auch schon in Staffel 2, wo Teile der Handlung in Spanien und Norwegen spielten). Doch das, was die ersten beiden Staffel geschafft haben - dass ich mich vollkommen auf die Geschichte einlasse und auch Unglaubwürdiges nicht in Frage stelle - gelingt dieser dritten Staffel nicht. Dazu sind die Ereignisse und Figuren dann doch etwas zu übertrieben. Oder, treffender formuliert: Dazu sind bestimmte Übertreibungen nicht gut genug hergleitet. Ein Ausstiegsgrund ist die dritte Staffel für mich allerdings nicht, nach zwei starken kann eine dritte auch mal ein bisschen holpern, finde ich. Ich werde sie natürlich zu Ende schauen - und sollte es eine vierte geben, werde ich die auch einschalten. Und gespannt sein, welches deutsche oder europäische Thema dieses Mal behandelt wird.

Die Folgen der dritten Staffel werden wöchentlich nach US-Ausstrahlung bei Netflix veröffentlicht. Staffel 1 und 2 von "Berlin Station" sind zum Beispiel bei Amazon, iTunes, Maxdome oder Netflix verfügbar.  

Noch ein kleiner Hinweis für alle, die sich für Spionage-Serien interessieren: In meinem DWDL-Podcast "Seriendialoge" habe ich vor gut einem Jahr mit einem Geheimdienst-Experten des Deutschen Spionagemuseums darüber gesprochen, wie realitätsnah Spionage-Serien wie "The Americans", "Deutschland 83", "Homeland" und "Berlin Station" sind.  

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