Monatsbilanzen: Wie die Sender tricksen
Der Fernsehmonat Juli war für alle Fernsehmacher ein hartes Pflaster: Ungewöhnliche hohe Temperaturen und Hochsommer-Wetter sorgten für magere Reichweiten. Selbst Quotengaranten brachten zwar Marktanteile, nicht jedoch hohe Zuschauerzahlen. Eine Situation, in der vorallem Favoriten wackeln, weil sie eine größere Zielgruppe ansprechen und so ihre Zuschauerschaft nicht schlechter disziplinieren kann. Ein kleinerer Sender wie z.b. RTL II kann durch Formate für ganz spezielle Zielgruppen auf mehr Gefolgschaft hoffen, selbst wenn draußen die Sonne reizt.Die Zahlen für den vergangenen Monat zeigen dies deutlich: Die drei führenden Sender bei der werberelevanten Zielgruppe der 14-49-Jährigen, RTL, ProSieben und SAT.1 mussten deutliche Verluste hinnehmen. RTL II und VOX konnten dagegen zulegen, ebenso wie auch die alte Tante ZDF. Die Zahlen im Einzelnen: RTL führt immer noch mit 17,3 Prozent Marktanteil, musste jedoch einen wahren Einbruch verzeichnen, lag man doch im Vormonat noch 1,1 Prozent höher. ProSieben musste 0,6 Prozentpunkte abgeben und landete im Juni bei 11,7 Prozent. Die hausinterne Konkurrenz von SAT.1 schaffte 10,9 Prozent und damit 0,4 Prozent weniger als im Vormonat Mai. Mit Abstand folgt dann die ARD mit stabil 8,4 Prozent sowie der Aufsteiger des Monats, RTL II, mit ebenfalls 8,4 Prozent: Ein Plus von 0,8 Prozent dank "Big Brother: The Battle". Es folgen das ZDF und VOX mit 7,1 Prozent bzw. 5,1 Prozent. Die Mainzer konnten einen halben Prozentpunkt zulegen, der ehemalige "AllyMcBeal"-Sender nur 0,1 Prozent. Dahinter landete Kabel 1 mit 4,8 Prozent und einem Minus von 0,3 Prozentpunkten auf dem achten Platz.
Fast schon kurios ist es angesichts dieser Zahlen, so manche Pressemitteilung der Sender zu lesen: Angefangen mit RTL. Der Marktführer bleibt zwar weiter auf dem Thron, musste jedoch erhebliche Verluste hinnehmen. Da wird schon in der Headline der Pressemitteilung getönt "RTL baut Vorsprung aus". Eine interessante mathematische Interpretation. Erst beim genauen Lesen erfährt man: Hier drückt sich RTL um die Juni-Werte und bilanziert lieber das ganze erste Halbjahr. Man erfährt viel über die Erfolge des Senders...aus den letzten Monaten. Zum Juni selbst wird wenig gesagt. Und wenn, dann vergleicht man lieber mit dem Vorjahresmonat. Natürlich kein einziges Wort zu 1,1 Prozent Verlust.
Amüsant ebenfalls eine Aussendung der ProSiebenSAT.1 Media AG: Mit keinem einzigen Wort wird dort überhaupt auf die Juni-Marktanteile Bezug genommen. Auch hier ziehen es die großen Verlierer des Monats vor, das erste Halbjahr zu bilanzieren. Anders sieht es dagegen beim Aufsteiger des Monats aus: RTL II strotzt fast schon vor Stolz, die Erfolge verkünden zu können. Kabel 1, der einzige Privatsender der zweiten Generation, der im Juni Verluste verbuchen musste, interpretiert alles dann wieder ganz anders: Hier verkündet man stolz die Werte des 2.Quartals. Da ist von "Wachstumsspitzenreiter" und "hervorragenden Zuwächsen" die Rede. Nur komisch, dass einem diese Worte bei dem Betrachten der Juni-Werte nicht sofort in den Sinn kommen wollen. Auch Kabel 1 vergleicht übrigens Halbjahreswerte. Allerdings zieht man es hier vor, das 1.Halbjahr 03 mit dem 2.Halbjahr 02 zu vergleichen.
Die Bilanz-Pressemitteilungen der Sender offenbaren einmal mehr das herrlich-lustige Spiel mit Statistiken. Kein einziger Sender fühlt sich als Verlierer, jeder war auf seine eigene Interpretationsweise ein Sieger. Auf die richtige Statistik kommt es an; oder auf das, was man aus ihr macht.