Zunächst mal eines vorweg: Die Auswirkungen der Corona-Krise sind in den aktuellen Daten der Print-MA und der Zeitungs-MA nicht berücksichtigt, denn die neuesten Befragungsdaten, die in die heutigen Zahlen eingeflossen sind, stammen aus dem Februar. Zwischenzeitlich hatte die AGMA ja in einer Zwischenauswertung schon mitgeteilt, dass man eine deutlich steigende Nutzung von Print-Titeln während der Corona-Wochen sah - etwas, das sich durch die gestern veröffentlichten IVW-Zahlen, die die tatsächlichen Verkäufe wiedergeben statt wie die MA auf Umfragen zu basieren, überhaupt nicht widerspiegelte.

Doch für noch mehr Kopfschütteln sorgen nun die heute veröffentlichten neuesten MA-Daten, die diesen angeblichen Corona-Effekt ja noch gar nicht enthalten, aber trotzdem teils bizarre Reichweitensteigerungen für Zeitschriften und Zeitungen proklamieren, deren tatsächliche Auflagen seit Jahren deutlich schrumpfen. Der "Spiegel" etwa soll die Zahl seiner Leser um satte 12,9 Prozent oder 600.000 auf 5,26 Millionen Leser pro Ausgabe ausgebaut haben (bei einer tatsächlichen Auflage von zuletzt 650.000 übrigens). Für den "Stern" ermittelt die AGMA gar eine Reichweite von 5,51 Millionen Lesern - obwohl die tatsächlich verbreitete Auflage zuletzt bei unter 400.000 lag.

Und dabei handelt es sich nicht um einzelne Ausreißer, für 95 der ausgewiesenen Zeitschriften gab's steigende Reichweiten, nur bei 47 wurden rückläufige Leserzahlen ermittelt. Hier noch einige besonders fragwürdige Reichweiten-Entwicklungen: Die "Wirtschaftswoche" hat laut MA ihre Leserzahl um 37 Prozent gesteigert. Für "Audio Video Foto Bild" ging's um sagenhafte 32 Prozent nach oben, obwohl die tatsächliche Auflage etwa im 1. Quartal um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen war.

Anscheinend hat sich die Entwicklung der durch die AGMA ermittelten Reichweiten bei vielen Titeln völlig von der verkauften Auflage abgekoppelt. Das ist um so bedauerlicher, weil ja ein erheblicher Aufwand für die Ermittlung dieser Zahlen betrieben wird: Ausgewertet werden Befragungen von 80.000 Menschen. Die ohnehin angeschlagene Glaubwürdigkeit steigt durch teils äußerst bizarre Ergebnisse wie diesmal aber sicher nicht. Immerhin: Für den größten Leser-Gewinner und den größten Leser-Verlierer gibt's eine einleuchtende Erklärung: Prisma gewann 880.000 Zuschauer hinzu, rtv verlor fast eine Million. Hier spiegelt sich der Supplement-Wechsel einiger Verlage Ende 2018/Anfang 2019 nun wider.

Die 20 meistgelesenen Printmedien waren laut ma 2020/I:

  Leser in Mio.
ma 2020/II
Leser in Mio.
ma 2020/I
Veränderung
in Prozent
zum Vergleich:
IVW-Auflage*
Bild am Sonntag 
7,20
6,84
+ 5,3 %
0,66
Prisma
7,07
6,19
+ 14,2 %
6,58
Stern
5,51
5,14
+ 7,2 %
0,38
TV Movie
5,34
5,25
+ 1,7 %
0,75
Der Spiegel
5,26
4,66
+ 12,9 %
0,65
Bild der Frau
4,59
4,34
+ 5,8 %
0,55
tv14
4,50
4,86
- 7,4 %
1,80
Sport Bild
4,33
4,25
+ 1,9 %
0,18
rtv
4,05
5,04
- 19,6 %
4,87
Hörzu
3,71
3,51
+ 5,7 %
0,87
TV Digital
3,65
3,29
+ 10,9 %
1,16
Focus
3,47
3,30
+ 5,2 %
0,26
Bunte
3,44
3,37
+ 2,1 %
0,35
TV Spielfilm
3,36
3,36
± 0
0,82
Gala
2,70 2,48
+ 8,9 %
0,17
Geo
2,56
2,36
+ 8,5 %
0,17
tina
2,26
2,22
+ 1,8 %
0,28
tv Hören und Sehen
2,25
2,22
+ 1,4 %
0,48
kicker (Mo)
2,16
1,88
+ 14,9 %
0,10
Brigitte
2,15
2,06
+ 4,4 %
0,31

*Verbreitete Auflage 2/2020 in Mio.

Bei den Tageszeitungen befindet sich die Reichweite der "Bild" weiterhin im Sinkflug, um 8,7 Prozent schrumpft die Leserzahl laut Zeitungs-MA 2020 im Vergleich zum Vorjahr (die Werte werden anders als bei Zeitschriften hier nur einmal im Jahr ermittelt). Während sich hier die rückläufigen Auflagen widerspiegeln, lassen sich die massiven Gewinne von "FAZ" (+15,7 Prozent) oder "Handelsblatt (+15,6 Prozent) überhaupt nicht erklären. Die "Welt", einer der größten Verlierer der letzten Jahre in der IVW, bekommt gar ein Reichweiten-Plus von 27,1 Prozent bescheinigt. Und die "taz" soll plötzlich rund ein Drittel mehr Print-Leser haben als noch ein Jahr zuvor. Wer's glaubt...

Überregionale Tageszeitungen

  Leser in Mio.
ma 2020
Leser in Mio.
ma 2019
Veränderung
relativ
Bild
7,88
8,63
- 8,7 %
Süddeutsche Zeitung
1,27
1,28
- 0,8 %
Frankfurter Allgemeine Zeitung
0,96
0,83
+ 15,7 %
Die Welt
0,89
0,70
+ 27,1 %
Handelsblatt
0,52
0,45
+ 15,6 %
taz
0,32
0,24
+ 33,3 %

Auf Seite 2: Die Titel mit laut MA 2020/II größten Reichweiten-Gewinnen und -Verlusten