Frau Töpperwien, die Fußball-EM steht kurz bevor. Ist das für Sie inzwischen Alltag oder spielt da noch ein gewisser Nervenkitzel mit rein?

 Es ist eine ganz herausragende Situation, auch weil wir diese Großereignisse im Fußball nur alle zwei Jahre haben. Hinzu kommen verschiedenen Aufgabengebiete. In der Bundesliga bin ich Woche für Woche als Live-Reporterin unterwegs und habe seither rund 500 Spiele kommentiert – aber selbst da gehe ich immer noch mit einem gewissen Kribbeln ins Stadion.

Dabei läuft die Vorbereitung doch wahrscheinlich immer gleich ab...

Ja, die Vorbereitung ist inzwischen ziemlich institutionalisiert worden. Bei der Europameisterschaft bin ich dagegen als Teamchefin vor Ort. Ich bin da nicht nur für mich sondern auch für mein ganzes Team zuständig und muss dafür sorgen, dass alles von A bis Z funktioniert. Wir planen das inzwischen seit etwa eineinhalb Jahren und hoffen, dass alles klappt, wenn es drauf ankommt. Das ist nochmal eine ganz andere Herausforderung als in der Bundesliga.

Und anders als bei TV-Übertragungen wird der Aufwand beim Radio gar nicht unbedingt sichtbar. Ärgert es Sie vielleicht sogar manchmal, dass all das womöglich überhaupt nicht wahrgenommen wird?

Es ärgert mich nicht, aber ich überrasche damit natürlich manchmal Menschen, weil die immer glauben, dass wir im Radio uns einfach ein Übertragungsgerät unter den Arm nehmen, ins Stadion gehen, hinsetzen, reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist, und das war es! Das ist natürlich bei Leibe nicht so. Bei uns herrscht eine sehr professionelle Vorarbeit im Hintergrund, gerade jetzt auch bei so einem bundesweiten ARD-Team, wo wir für alle neun Landesrundfunkanstalten ein gemeinsames Angebot liefern. Das ist insofern schwierig, weil wir jeden einzelnen Sender glücklich machen möchten – vom Bayerischen Rundfunk über den Mitteldeutschen bis hin zum Norddeutschen Rundfunk. Jeder hat seine eigene Programmphilosophie, dementsprechend unterscheiden sich auch die Herangehensweisen. Letztlich ist es aber ganz toll, dass wir im Radio auch ein wenig Understatement machen können. Wir wollen nicht so sehr mit stolz geschwellter Brust vorne weggehen. Ich genieße den Windschatten unserer Fernsehkollegen.

Unser Job ist auch deshalb so fantastisch, weil die oberste Maxime immer lautet: „Live, live, live!“.
Sabine Töpperwien

Ist Fußball ohne Bilder eigentlich wirklich spannender?

Ja, weil Kino im Kopf entsteht. Wenn sie authentische, tolle Reporter haben, dann können Sie zu Hause die Augen schließen und sie bekommen durch die Reporter Ihr Stadion für zu Hause: Das reizt alle Sinne. Wenn Sie fernsehen, können Sie sich ständig selbst ein Bild machen – da kann es viel schneller vorkommen, dass man vom Kommentator genervt ist. Sie sagen: „Hallo, das sehe ich doch jetzt selbst!“ oder aber Sie denken: „Nein, das habe ich jetzt gerade ganz anders eingestuft!“ Im Radio haben Sie dagegen eigentlich nur den Soundteppich, die Stimme und sonst absolut nichts. Ihre gesamten Sinnesorgane sind viel mehr auf das Spiel fokussiert und Sie kriechen sinnbildlich in das Radio hinein. Ich bin fest davon überzeugt, dass man das Spiel vom gesamten Körper her dadurch noch viel intensiver erlebt.

Da passt das typische Beispiel von der Bundesliga in der Badewanne am Samstagnachmittag... Für Sie selbst kann es als Fußballreporterin im Radio ohnehin nichts schöneres geben als die Gewissheit, immer die erste zu sein, die das Tor vermeldet, oder? Die Fernsehkollegen sind ja doch immer etwas hinten dran.

Absolut! Unser Job ist auch deshalb so fantastisch, weil die oberste Maxime immer lautet: „Live, live, live!“. Wenn man dafür das Gen hat, das mir anscheinend mit in die Wiege gelegt worden ist, man in tollen Stadien sitzen und dabei aus vollem Herzen dieses Livehaftige rausrufen darf, ohne sich vorher Stilblüten notiert zu haben, dann ist das absolut authentisch. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum die Fußball-Konferenz nach wie vor ein großes Aushängeschild des Radios ist – trotz einer derart schnelllebigen, vielfältigen Medienlandschaft hat das Radio immer noch seinen festen Platz.

Gab es denn von Ihrer Seite aus nicht mal die Überlegung auf die andere Seite, also vor die Kamera zu wechseln? Das ist in Ihrer Familie ja durchaus auch schon eine Variante gewesen...

(lacht) Stimmt. Ich habe durch meinen zehn Jahre älteren Bruder sehr viele Eindrücke vom Fernsehgeschäft bekommen, das ohne Zweifel auch ein faszinierendes und spannendes ist, aber bei uns im Radio wird Woche für Woche die Live-Berichterstattung gepflegt und die liegt mir persönlich mehr am Herzen. Die Live-Berichterstattung ist zum Beispiel weitaus spannender als die Zusammenfassung von Spielen, bei denen man abends um 23:00 Uhr auf Spannung macht, nach dem Motto: „Mal sehen, was jetzt passiert“. Dabei erfolgte der Abpfiff in Wirklichkeit schon um 17:18 Uhr.