Welches internationale Potenzial sehen Sie für Ihre Serie?

Das Potenzial ist riesig. "Neandertaler" ist eine urdeutsche Marke wie Volkswagen, Porsche, Mercedes und international mega-kompatibel. Wenn man die Serie englisch untertitelt, kann sie wunderbar bei Netflix, Amazon oder Hulu laufen. Neben der Story ist auch der Look sehr außergewöhnlich, so dass wir uns nicht vor dem internationalen Markt zu scheuen brauchen. Ich glaube, wir können auch von einem möglichen Überraschungseffekt profitieren, dass so eine High-Concept-Serie aus Deutschland kommt. Die Rückkehr der Neandertaler – das würde man ja eher von J.J. Abrams oder Steven Spielberg erwarten. (lacht)

Hatten Sie denn überlegt, auf Englisch statt auf Deutsch zu drehen?

Neandertaler© RTL II
Ganz am Anfang gab es die Überlegung, ob wir das Projekt auf Englisch mit amerikanischer bzw. britischer Besetzung realisieren sollten. Aber es wurde allen Beteiligten schnell klar, dass "Neandertaler" dann wie ein ausländisches Lizenzprogramm ausgesehen hätte – und das wollte RTL II aus verständlichen Gründen nicht, sondern eine klar erkennbare deutsche Serie. Ansonsten hätte man ja auch zur Mip oder zu den LA Screenings gehen und dort eine ähnlich gelagerte US-Serie einkaufen können. Dennoch haben wir ziemlich international gearbeitet. Ich habe die Bücher zusammen mit Matthias Dinter auf Deutsch geschrieben, dann alle selbst ins Englische übersetzt. Beim Dreh war ich jeden Tag am Set, habe wenn nötig umgeschrieben und die Bücher an die realen Drehverhältnisse angepasst – erst auf Englisch für das ungarische Team, dann auf Deutsch für die Schauspieler.



Der Zusammenhang zwischen Drehsprache und internationaler Vermarktbarkeit wird ja momentan in Deutschland heftig diskutiert: Hat man auf Englisch bessere Chancen oder riskiert man seine lokale Authentizität?

Wenn nur wegen des Prinzips der Vermarktbarkeit auf Englisch gedreht wird, landet man schnell wieder bei einer neuen Form des "Europudding" ohne eigene Identität. Der internationale Serienmarkt fragt dieser Tage eher nach authentischen, lokalen Produkten, die so wie "Gomorrha" oder "Deutschland 83" qualitativ zu überzeugen wissen. Dass italienische Mafiosi in Neapel untereinander Englisch sprechen oder, in unserem Fall, eine deutsche Forensikerin mit ihren Kollegen in Berlin plötzlich Englisch spricht, macht keinen Sinn. Selbst im toughen US-Markt werden mehr und mehr herausragende europäische Serien im jeweiligen Original mit Untertiteln akzeptiert. Hollywood ändert sich nahezu im Monatstakt und ist für viele neue Entwicklungen offen.

Ihre Aufstellung als Autor und Produzent in einer Person ist in Deutschland noch eher selten. Brauchen Autoren mehr Macht?

Das vorherrschende Prinzip in Deutschland ist noch immer: Ein Autor schreibt, gibt das Buch ab, dann produziert der Produzent. Dass ein Autor mitproduziert und am Set kreative Entscheidungen trifft, ist die absolute Ausnahme. Ich bin sehr vorsichtig damit, das Wort "Showrunner" in den Mund zu nehmen, weil es plötzlich in Deutschland so omnipräsent geworden ist und sich jeder Zweite in der Branche "Showrunner" nennt. Ich sage lieber: Ich bin derjenige, der das Buch schreibt, es produziert und am Set gemeinsam mit dem Regisseur die kreative Verantwortung trägt. Nicht alle Sender und Produktionsfirmen haben den Weitblick, diese Konstellation zu akzeptieren und zu unterstützen. Aber ich halte es für notwendig, mehr in diese Richtung zu gehen. Das muss Deutschland lernen – sonst bleibt die Qualität der Stoffe und der fertigen Projekte weiterhin so, wie sie halt immer ist: the same old same old...

"Dass da plötzlich ein Urheber kommt, der mitreden will – das ist in den Köpfen vieler Produzenten noch nicht angekommen"

Nikolaus Krämer


Ist es Ihnen schon passiert, dass ein deutscher Sender Sie vor die Entscheidung stellen wollte – entweder schreiben oder produzieren?

Die Erfahrung habe ich gar nicht so sehr mit Sendern gemacht, sondern eher mit anderen Produzenten, mit denen ich gemeinsam Projekte am Markt platzieren wollte. Da heißt es oft zu Beginn: Ja, wir können uns vorstellen, mit dir als Koproduzent zusammenzuarbeiten. Aber wenn meine Anwältin dann die Checkliste schickt, an welchen Punkten ich Mitspracherecht haben möchte, dann wird's manchmal still auf der anderen Seite. Dass da plötzlich einer kommt, der mitreden will, weil er nun mal der Urheber ist – das ist in den Köpfen vieler Produzenten noch nicht angekommen. Der Wille ist grundsätzlich da, aber wenn es um die konkreten Details und insbesondere um Verträge geht, habe ich schon manchen Rückzieher erlebt.

Da hilft auf Dauer wohl nichts außer konsequent zu bleiben.

So ist es. Wenn's jemandem nicht gefällt, gehe ich halt eine Tür weiter. Ich gebe keinen meiner Stoffe mehr an andere ab. Entweder ganz oder gar nicht.

Herr Krämer, herzlichen Dank für das Gespräch.

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