Was in Großbritannien ganz selbstverständlich ist, kommt auf dem deutschen Markt bislang noch recht ungewohnt daher: Die Idee, einen Sender zu starten, der mit einer Stunde Verzögerung das identische Programm zeigt, wurde hierzulande bislang allenfalls im Pay-TV umgesetzt. N24 Doku möchte ab Samstag jedoch unter Beweis stellen, dass das Konzept auch im Free-TV funktionieren kann. Die Nachrichten-Live-Strecke am Vormittag sowie die übrigen Nachrichtensendungen werden dabei durch Dokumentationen und Reportagen aus den Genres Space, History, Nature & Wildlife, Technik, Automobiles, Gesellschaft und Mystery ersetzt. Konsequenterweise wird N24 Doku auch auf das bei N24 übliche Nachrichten-Laufband verzichten. Durch die Timeshift-Programmierung wird N24 Doku täglich mit "Welt der Wunder" in den Abend starten.

Thorsten Pütsch© Enno Kapitza / ProSiebenSat.1 TV Deutschland
Dass für Dokumentationen ein Markt vorhanden ist, beweist nicht nur N24 selbst, sondern auch der Sender ZDFinfo, der mit seinem Programm ein erstaunlich junges Publikum anspricht. Mitmischen will hier in Zukunft aber auch ProSiebenSat.1, das seinem bislang nicht gerade Doku-lastigen Sender kabel eins mit kabel eins Doku einen Ableger spendiert und hierbei auf Genres wie Natur, Technik oder True Crime setzt. Zum Sendestart wird der neue Sender auf Robert Redford setzen, dessen Doku-Reihe "The West" die entscheidenden drei Jahrzehnte der US-Geschichte nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865 aufarbeitet. Senderchef Thorsten Pütsch (Foto) sieht kabel eins Doku mit einer Mischung aus Dokumentationen, Reportagen, internationalen Formaten, einem eigenproduzierten Magazin und einem themenbezogenen Schema als "einmaliges Angebot" in Deutschland, mit dem man vor allem auf die 40- bis 64-jährigen Männer schielt. Ob das die direkte Konkurrenz genauso sieht, darf jedoch bezweifelt werden.

Dass die großen Sendergruppem verstärkt die sogenannten "Best Ager" in den Fokus nehmen, überrascht nicht, schließlich sind es vor allem sie, die dem Fernsehen nach wie vor die Treue halten. "Ältere Zuschauer werden auch für den Werbemarkt immer attraktiver - und hier besonders die älteren Männer", sagt Pütsch mit Blick auf die Vermarktung. "Wir konnten schon vor Sendestart den einen oder anderen Werbekunden von kabel eins Doku überzeugen. Das Feedback aus dem Werbemarkt auf den neuen Sender ist sehr positiv." Sorge, gegen all die Konkurrenz unterzugehen, hat man bei N24 unterdessen nicht. "N24 war der erste Sender im deutschen Fernsehen, der konsequent über längere Slots Dokumentationen angeboten hat", sagt Sendersprecherin Kristina Faßler. "Vor diesem Hintergrund ist es nur richtig, unter der Marke N24 auch einen Doku-Sender zu starten. Die Unterscheidung ist sehr einfach: Der First Mover mit der höchsten Kompetenz im Doku-Bereich bietet dieses Genre jetzt in einem eigenen Sender."

N24 Doku© N24
Wie viele Zuschauer die neuen Doku-Kanäle aus dem Stand erreichen werden, will man sowohl in Unterföring als auch in Berlin zunächst offen lassen. Ein leichtes Unterfangen ist so viel Konkurrenz in der Nische jedenfalls nicht. "Natürlich wollen wir erfolgreich starten und unsere Zuschauerzahlen kontinuierlich ausbauen. Klar ist aber auch, dass das nicht von heute auf morgen klappen kann", gibt sich Thorsten Pütsch mit Blick auf kabel eins Doku realistisch. Und N24-Sprecherin Kristina Faßler sagt: "Wenn man einen Sender startet, ist es wichtig, dass man eine technische Reichweite hat. Und die haben wir mit über 80 Prozent. Der nächste Schritt ist der Senderdurchlauf in jedem einzelnen Haushalt. Und danach denkt man dann über die eigenen Marktanteile nach." Hier sind die Kollegen von Super RTL, die im Juni mit Toggo Plus ebenfalls einen Timeshift-Kanal gestartet haben, bereits einen Schritt weiter: In immerhin 20 Prozent der Haushalte, in denen Kinder leben, sei der Sender bereits gefunden worden, rechnet man in Köln vor.

Super RTL experimentiert bereits mit Timeshift

Man sei daher schon jetzt "total zufrieden", wie Programmdirektor Carsten Göttel gegenüber DWDL.de betont. "Wir liegen genau im Plan mit dem, was wir uns vorgenommen haben." Der Plan sieht vor, dass Super RTL und Toggo Plus perspektivisch gemeinsam jenen Marktanteil holen, den Super RTL alleine erreichte, bevor der Disney Channel als neuer Konkurrent auf den Free-TV-Markt drängte. Und auch wenn sich auf lange Sicht erst noch zeigen muss, dass man sich nicht selbst kannibalisiert, so konnte Super RTL seine Marktführerschaft im Kindersegment zuletzt halten. Praktisch für die Kölner: Der Betrieb von Toggo Plus ist günstig und die zusätzlichen Marktanteile lassen sich gut kapitalisieren. Angesichts einer technischen Reichweite von 85 Prozent sieht Göttel für Toggo Plus zudem Luft nach oben. "Es ist noch zu früh, um die Quoten zu deuten, aber wir sind zuversichtlich, dass sich der Marktanteil noch steigern lässt", sagt er und verweist darauf, dass der Ableger erst am Mittwoch mit 1,4 Prozent Marktanteil in der Kernzielgruppe der 3- bis 13-Jährigen einen überzeugenden Wert verbuchte.

RTLplus / Jan Peter LacherNach oben zeigen auch die Quoten von RTLplus, das vor drei Monaten zeitgleich mit Toggo Plus an den Start gegangen war. Gerade erst hat der Sender, der sich - ähnlich wie Sat.1 Gold - an ein älteres Publikum richtet, mit der Neuauflage mehrerer Gameshow-Klassiker die nächste Stufe gezündet. Und auch wenn die Marktanteile von "Jeopardy!" und "Familienduell" am Vorabend noch stark schwankend sind und irgendwo zwischen 0,1 und 1,6 Prozent liegen, so gibt sich Senderchef Jan Peter Lacher (Foto) nach weniger als zwei Wochen zufrieden. "Wir freuen uns riesig, dass 'Familienduell' und 'Jeopardy' sehr gut gestartet sind und unser Publikum begeistern. Immer mehr Zuschauer finden und schauen RTLplus und fördern unser Wachstum", sagt er im Gespräch mit DWDL.de. Weil sich zu den Ausstrahlungen am Vorabend auch Wiederholungen am Vormittag und am späten Abend gesellen, kommen einzelne Folgen letztlich gerne mal auf 300.000 Zuschauer bei RTLplus.

Komplett anders als die klassischen Fernsehsender funktioniert unterdessen das Angebot von RTL II You, dem Ende Mai gestarteten jungen Ableger von RTL II. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Streaming- und On-Demand-Inhalte, was einen Vergleich freilich erschwert. Christian Nienaber zieht nach etwas mehr als 100 Tagen eine positive Bilanz. "Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung von RTL II You. Neben unserer Ausstrahlung über PC & Laptop haben sich nach nur drei Monaten schon fast 270.000 User die App auf das Smartphone, Tablet oder ihren Fire TV Stick geladen - Tendenz steigend." In den sozialen Netzwerken tut sich RTL II You hingegen bislang noch erstaunlich schwer. Auf kaum mehr als 6.000 Fans bringt es der Sender auf Facebook, bei Instagram zählt RTL II You bislang sogar nur etwa 500 Follower. Auch die Tatsache, dass man die Zusammenarbeit mit Joiz - unabhängig von den dortigen Turbulenzen - jetzt wieder beendet, zeigt, dass noch nicht alles rund läuft.

Als erfolgreichstes Daily-Format nennt Nienaber die Eigenproduktion "Mjunik - Home of You", die man demnächst auch noch einmal bei RTL II anteasern will. Auch Animes erfreuen sich "großer Beliebtheit", was dazu führt, dass inzwischen auch "Sailor Moon" ihr Comeback bei RTL II You feiern durfte. Konkrete Abrufzahlen nennt man in Grünwald bislang jedoch nicht. Die nächsten Wochen sollen nun dazu genutzt werden, um an einer Schärfung des Profils zu arbeiten. Das dürfte letztlich kaum anders sein als bei deren anderen Sender-Neulingen auch.

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