Kai BlasbergAm ersten Arbeitstag des Jahres kann man sich genauso viel für die nächste Zeit wünschen wie, sagen wir mal, am 18.April. Doch immer am Ende oder Anfang eines Jahres scheint die Seuche unausrottbar, in allen Fach-Gazetten und Online-Verlautbarungen Zahlenkolonnen konsumieren zu müssen. Dies gilt auch und vielleicht sogar besonders für diesen Dienst.

Seit ich in den Medien arbeite, interessieren sich nach meiner Wahrnehmung Medien-Journalisten mehr für Zahlen als für Inhalte. Dabei ist besonders die sinkende Zahl mit Kusshand genommen.

Nicht großartig von Wissen belastet schwadronieren die Kollegen über das, was sie glauben zu lesen. Wie sich ein Marktanteil zusammensetzt, was ihn wie gewichtet beeinflusst, was er überhaupt aussagt, warum ein Marktanteil stabil, die Zuschauerzahl aber sinken kann, der Marktanteil zu stagnieren scheint während die Zuschauerzahlen steigen, all das interessiert, weil dann doch ein bisschen komplex, wenig. 

Lieber werden Zahlen aufeinandergehäuft und ein Feuerchen drunter angezündet. Das manipulierte Opfer ist der Leser...und vielleicht das Image der betroffenen Sender.

Schnell ist da VOX der Verlierer des Jahres, gefolgt von Klassenprimus RTL. ARD und ZDF stabilisieren sich, ProSieben Sat1 steigt. Tolle Bilanz. Irgendwie fühlte es sich aber 2008 ganz anders an :

ARD und ZDF stagnieren selbst dann, wenn sie monatelang als Sportsender mit der besten Programmware der Welt ausgestattet werden. VOX und RTL haben das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr Ihres Bestehens hinter sich und werden als „Verlierer“  bezeichnet. Und im Zusammenhang mit ProSiebenSat1 2008 von Erfolg zu schreiben, mutet höchst erstaunlich an.

Medienjournalismus, der sich derart verirrt, sollte umdenken und nicht einfach nur Zahlenkolonnen abpinnen und bei der Formulierung der Texte dann auch noch Kommentierung und Berichterstattung miteinander vermischen. Falls man den Unterschied noch kennt.

Projekt gescheitert

Schmidt und Pocher werden bald kein Paar mehr sein. Das das nicht hinhauen würde, wussten wir ja, spätestens nach ein paar Sendungen war klar, dass diese Konstellation so erfolgreich sein würde wie Roberto Blanco als Leadsänger von Led Zeppelin oder Vernonica Ferres im Cast des neuen Tarantino-Filmes. Schmidt wird wieder alleine arbeiten, frei von Quotendruck und uns immer wieder erfreuen.

Bei Pocher muss man befürchten, dass er seinen Zenit überschritten hat, mit 30. Nicht, dass ich darob besonders beunruhigt bin, aber eine Stunde pro Woche bei RTL wird er nicht schaffen. Dazu fehlt ihm...alles. Und bei der ARD, sollte er dort bleiben, wird es über den Klassenclown-Status hinaus keinen Platz geben. Wir sollten uns dringend wieder Hape Kerkeling wünschen, der fehlt wirklich im TV.

Ein lehrreiches Jahr

Frau Roche ist jetzt wohlhabend, Frau Lierhaus bald auch ne gute Partie, wir haben gelernt, dass Boris-Manager Meyer-Wölden damals eine Tochter hinterließ, dass auch Veronas Mann für Geschäfte eine Idee braucht, dass rauchen so gesundheitsschädlich ist, dass man es verbieten muss, dass Frau Ypsilanti als Frau Dill wahrscheinlich niemand zur Kenntnis genommen hätte, dass Angela Merkel Brüste hat, sogar ziemlich viel, dass großartige Männer keine großartigen Zeiten brauchen (Helmut Schmidt), dass man innerhalb eines Jahres den besten und den schlechtesten Film an die Kasse bringen kann (Til Schweiger), dass Printen-Könige Printen-Könige bleiben, egal wie oft sie in der BUNTEn auf den kleinen Bildchen erscheinen, man in Köln nicht erfolgreich Fußball spielt, dass Wunder möglich sind (Obama, Hoffenheim, Seehofer) und Jörg Haider schwul war.

Über 2009 ist schon alles geschrieben. Das Jahr sieht aus wie ein Kombi von Kia. Und ist ganz und gar unrund. Zahlgewordener Übergang; nichts zum träumen und schwelgen, so was merkliges, arbeitssames, sekundärtugendhaft-deutsches, wir sollen jede Woche irgendwas wählen, werden auf Experten-, Moderatoren- und Politikerebene noch mehr Gleichgesichter sehen, noch mehr Gleichsager hören, dass wir sparen müssen, jetzt nicht zu viel fordern, Gürtel enger und den üblichen Quatsch. Die Kanzlerinnen-Darstellerin wird alles tun, dass sie es bleibt, niemand wird sich ihr in den Weg stellen, alle wissen, dass es weiter eine große Koalition geben wird, wir werden Wahlen mit unter 50 % Wahlbeteiligung haben und die CSU unter der 5 %-Hürde bei der Europawahl. 

Und wir alle werden wieder ungeheuer erfolgreich sein.

Frohes neues Jahr.

Kai Blasberg

Ohne Dur , ohne Moll, habe 12 Tage im Bett gelegen

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