Die Qual der Wahl

Während die Politiker ihre Schäfchen am liebsten mit einer Morgenstern-Variante der Parteilogos vor die Wahlurnen prügeln würden braucht der große Bruder nur kurz mit zwei Nummern zu wedeln und das Volk greift kollektiv zum Telefon.

Woran mag das wohl liegen? An den im Vergleich zur Krawattenriege höheren Sympathiewerten? Schauen wir uns dazu die beiden Kandidaten doch einfach einmal genauer an..

Da wäre als erstes Mark, seines Zeichens das offizielle "Big Brother"-Prinzesschen und der wohl femininste Bartträger Europas - und dabei zählen wir die Türkei diesmal ausnahmsweise schon dazu! Niemand weint herzergreifender: An der offiziellen Haus-Heulgrenze (dem Kamerakreuz zwischen Survivor- und Bieder-Bereich) hängend, das Gesicht bestens ausgeleuchtet, den Blick telegen gesenkt und ein tränendurchnässtes Schluchzen im Rachen.

Zum Glück hat sich die Containerführung vor einigen Tagen erbarmt und dem einsamen Sehnsüchtling einen leckeren Truthahn geschenkt. So war endlich ein Opfer gefunden, das seinen subtilen Brunftversuchen weder davonlaufen noch -fliegen konnte. Zu dumm, das die herzlosen WG-Kollegen den Seelenverwandten kurze Zeit später einfach aufgefressen haben; eine weiterer schwerer Schicksalsschlag im Leben des "Jerry 2.0".

Als Testosteron-Gegengewicht hätten wir dann noch Nadja. Auch genannt "der Schatten". Die einzige Person im Haus, bei der ich regelmäßig auf der offiziellen "Big Brother"-Homepage nachsehen muss wie zum Teufel die Alte denn eigentlich noch einmal aussieht. Angesichts dieser bewundernswerten Fähigkeit, innerhalb eines komplett kameraüberwachten Hauses nahezu unsichtbar und unbemerkt mehrere Wochen lang zu wohnen gibt es für sie eigentlich nur noch eine Karriereperspektive: Geheimagentin.

Noch mehr Gründe gefällig? Schon einmal die "offiziellen" Nadja-Portraitfotos mit Livebildern aus dem Haus verglichen? Kein Zollbeamter diesseits der Milchstraße würde auf die Idee kommen, das sich diese beiden Personen dieselbe DNA teilen. Die perfekte Tarnung!

Können bei diesen beiden "Otto Normal"-Langweilern also tatsächlich Sympathien im Spiel sein? Im Gegenteil! Ganz Deutschland will die beiden Containeraffen nur möglichst schnell via E-Promi-Express kurz durch Boulevard und Talkshow direkt in die wunderbare Welt des Vergessens schicken.

Doch wenn man sich das Konzept der „Big Brother“-Abwahl etwas genauer anschaut, fällt schnell auf: Hier besteht noch Optimierungsbedarf. Wieso nur einen Kandidaten aus dem Focus der Kameras drücken, wenn man auch gleich zwei Langeweilern den Laufpass geben könnte? Und genau hier kommt meine neueste – übrigens bereits patentierte – Idee ins Spiel: Der Voting-Joker!

Einmal ausgespielt, wirft der Voting-Joker (der von mir aus auch in fernsehtauglicherer Form „Voker“ oder „VJ“ genannt werden kann) nämlich kurzerhand beide Kandidaten aus dem Haus. Ohne das Recht zur On-Air-Äußerung. Direkt und auf schnellstem Wege wieder zurück hinter die Kneipentheke, die GoGo-Stange oder (Promi-Bonus sei Dank!) auf die Cover der Coupé!

Der Zuschauer kann dabei natürlich nur gewinnen. Beide Störfaktoren des geselligen Fernsehabends aus dem Gedächtnis getilgt, zwei Plätze für Unterhaltungsgranaten vom Schlage einer Kader Loth geschaffen und die TV-Tränendrüse wieder auf erträgliches Maß gesenkt. Schöne neue Welt.

Doch damit noch nicht genug! Ich fordere: Dieses Vetorecht nicht nur für „Big Brother“, sondern auch in der Politik. Einziger Unterschied: Wo im TV anschließend beide Bewohner wieder in der wohlverdienten Versenkung versinken müssen die Parteien „nur“ schnellstmöglichst für qualifizierten Ersatz auf beiden Seiten sorgen.

Denn da wo Horst Köhler ausgegraben wurde, werden doch sicher auch noch ein paar andere ominöse Unbekannte herumlungern, oder?