„Darf es ein bisschen mehr sein?“

Über Generationen kennen wir alle diese Nachfrage, meist dann gestellt, wenn die Fleischerei-Kraft sich im Abwiegen der Wurstware zu Ihren Gunsten verschätzt hatte.

Wir Deutsche sind traditionsgemäß ein Volk von Muffköppen.

Bis vor ca. 15 Jahren Unternehmens-und Kommunikationsberater massenhaft über die sich entwickelnde Dienstleistungsrepublik hermachten und uns die Illusion verkauften, dass es super sei, wenn man mit dem Kunden in einen Dialog einträte.

Von Anbeginn mied ich Läden (s.a. Herrenausstatter), wo man angesprochen wurde, wollte man sich doch nur die ausgehängten Textilien anschauen.

Irgendwie komme ich mir immer schäbig vor, wenn ich nur tasten, aber nicht kaufen will.

Anders, wenn man eindeutig weiß, was man will. Dies rettet einen jedoch längst nicht mehr vor einer Flut einstudierter, weil abverkaufsfördernder Nachfrageorgien.

Mit oder ohne „Beeken“?

Meist sind es anatolische Dickhüften, die einem derlei bei dem manchmal unvermeidlichen Besuch eines Bullettenbraters entgegen schleudern. Verbunden mit der sicheren Erkenntnis, dass sich die Fragende nicht bewusst ist, was sie da eigentlich wissen will.

Starbucks besuche ich aus Prinzip nicht mehr, weil ich dort keinen Kaffee bekomme.

Will man mir, meist nachlässig geschult, doch allerlei Kaffeeunähnliches mit verkaufen, was meiner Not nach Koffein keinerlei Linderung verspricht. 

Dabei  kommt die Bestellung eines Bohnengetränks in dieser Lokalität nichts anderem als einer Prüfungssituation nahe, die so gut wie keiner der Prüflinge (s.a. Kunden) bestehen kann. 

Am Ende geht man mit einem „XXL Double Tall Vanilla non fat Latte“  raus, wo man doch einfach nur Blümchenplörre wollte. Den Papier-Topf für 6 Euro.

Man stellt sich ja auch darauf ein; der Mensch ist ein lernendes Konstrukt. Bringt nur nichts.

Freundlichkeitsattacken

Als einer der Wenigen fliege ich immer noch vorne in der Lufthansa (besser: flog).

Der Grad der Freundlichkeit, mit dem man hier belästigt wird, ist nachgerade unsteigerbar. Lässt man sich darauf ein, ist man unrettbar verloren. 

Derart geschult bestelle ich äußerst präzise: „Ein Wasser mit Kohlensäure (nicht „Gas“) und einen Kaffee mit Milch.“ An sich einfach. Beim Verrichten fragt die Fachkraft selbstverständlich- weil sie sich nur die erste Bestellung merken kann – „den Kaffee mit Milch?“  Enttäuscht antworte ich: „ja“. 

Jetzt müsste es gehen...

Aber nicht so in der Nachfrager-Republik: „Ein – oder zwei Döschen“? Herrgott!

Nicht zu empfehlen sind auch bei Hotelübernachtungen Bestellungen von Frühstücksgarnierungen aufs Zimmer, wenn man vermeiden will, morgens mit gefräßigen britischen Handlungsreisenden in einen lukullischen Zielkonflikt in so genannten „Frühstücksräumen“ zu geraten.

„Continental“, „American“ oder „Fitness“-Frühstück ist die am Telefon harmlos gehaltene Einstiegsfrage der überaus beflissenen, meist 14-jährigen Auszubildenden. 

Reagiert man darauf, z.B., indem man die Schwäche zeigt, nicht sofort zu wissen, was was ist, ist man schon in der Falle. 

Es ist noch keine acht Uhr und ich habe schon 38 Entscheidungen zu treffen: „Greptfruht oder Orangschensaft“, „das Ei  5 oder 6 Minuten“, „mit Vollkorn oder Krossoahs“, „mit Nutella oder Marmelade“. 

Und letztens, kulminierend: „das Rührei mit Speck „(...und ich wollte schon fragen: „meinen Sie Beeken“, verkniff es mir aber). „Gerne mit Speck“ antwortete ich arglos. 

„Den Speck an der Seite oder im Rührei“. Herrgott!

Wir bei TELE 5 sind auch nicht frei von liebgemeinten Freundlichkeiten und dem tiefen Wunsch der Nähe zu unseren Kunden. So haben auch wir ein Zuschauertelefon. Den Segnungen der modernen Kommunikationstechnik war es zu verdanken, dass nach Dienstschluss das Telefon der Redaktion auf eine Zentralnummer geschaltet wurde, die, weil unbesetzt, auf meine Festnetznummer umgeleitet wurde, welche, weil unbesetzt, auf mein Handy umgeleitet war, welches klingelte, als ich mich in den eigenen Refugien befand:

„Blasberg“
„Wer ist da?“
„Blasberg, TELE 5“
„Was machen Sie da bitte?“
„Hm, ich bin der Chef“
„Nee klar, faaaschn kann ick mir alleene“ (aufgelegt)

Es gibt es also doch noch: das gute, alte Deutschland!

Ahoi!
Ihr Kai Blasberg

Grübelt, denkt, zweifelt, spinnt, träumt und visioniert.
Aber bitte mit Mut, Zuversicht und Lautstärke.
Tanzt,
tanzt,
vor allem aus der Reihe.

Diese Woche in Dur...

  • "Neues aus der Anstalt" (ZDF) – das Beste seit Jahren 
  • "DSDS" ist zu Ende
  • "A single man" von Tom Ford – schwul kann so schön sein

...und in Moll:

  • Kernsanierung gegenüber der Dachterrasse
  • Knöllchen, obwohl man ein Parkticket hat 
  • Guido W. („fühlen Sie sich ungerecht behandelt, Herr W.?“)