Wie seriös ist History- und Sciencetainment?
Egal ob Dinosaurier, das alte Rom oder der D-Day: Auch im deutschen Privatfernsehen gelten Dokumentationen längst nicht mehr als Ladenhüter. Formate mit Peter Kloeppel bei RTL oder z.b. der von ProSieben gezeigte Film zum D-Day locken ein Millionen-Publikum und erreichen dabei auch viele junge Zuschauer.
Dabei ist ein Trend feststellbar: Immer öfter ersetzten computeranimierte Szenen und nachgestellte oder -gebaute Sets die reine Erzählweise. Mit Special-Effects und gezieltem Storytelling wird das Genre Dokumentation auf Hochglanz poliert und vortragende belehrende Altmeister werden durch smarte Stimmen aus dem Off ersetzt, welche zusätzliche Informationen geben.
Unter dem Titel "Von alten Ägyptern und rauchenden Vulkanan: Potentiale der Inszenierung von Geschichte und Wissenschaft" debattierten am Dienstag in Köln der RTL-Anchorman Peter Kloeppel, Welt der Wunder Gmbh-Geschäftsführer Hendrik Hey, ProSieben-Dokumentationsleiter Thomas von Hennet sowie Peter Arens (Redaktionsleiter Geschichte und Gesellschaft ZDF), Michael Kloft (Spiegel TV) und eben John Lynch (BBC Creative Director Science).
"Das Interesse der Zuschauer an diesen Themen ist gewachsen, aber auch die Umsetzung ist zuschauer-näher geworden", erklärt Peter Kloeppel den Erfolg der aufwändigen Doku-Produktionen. ZDF-Kollege Arens ergänzt: Die neuen Techniken ermöglichten das Erzählen ganzer Geschichten. "Die Renaissance des Bildungsformats ist in vollem Gange", ist sein Urteil. Das merke seine Abteilung auch durch das Feedback von Schulen und Universitäten.
Für ProSieben-Vertreter Thomas von Hennet leitet sich der Erfolg dieser erzählten Dokumentationen aus der Speilfilm-Tradition seines Senders ab. Die Zuschauer seien solche Erzählweisen gewöhnt. Spiegel TV-Producer Michael Kloft sieht aber gerade darin auch eine Gefahr und übt Kritik an den BBC-Produktionen, bei denen zwar Ausstattung und Technik stimme, aber es an Inhalten mangelt.
BBC Creative Director Science John Lynch weist die Vorwürfe zurück. Auch bei der bekanntesten BBC-Doku-Produktion "Dinosaurier - Im Reich der Giganten" habe man sauber gearbeitet. Aber man hätte, so Lynch einsichtig, vorweg sagen müssen, dass dies was man zeigt, natürlich nur das sein kann, was man nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält.
Ihm zur Seite springt Hendrik Hey, langjähriger Moderator der ProSieben-Sendung "Welt der Wunder" und jetziger Geschäftsführer der gleichnamigen Firma: Das Erzählen von Geschichten mit Hilfe von Geschichten sei legitim. Manche Themen lassen sich aufgrund ihres Alters nur inszenieren.
Die Popularität seiner Dokumentationen sieht RTL-Mann Kloeppel übrigens in seiner Rolle als "Museumsführer" begründet. Er führe als bekanntes und vertrautes Gesicht durch neue Themenwelten. Und seine Dokus würden in der Regel auch vor Ort moderiert, das unterschiedet sie von vielen Angeboten der Konkurrenz.
Den öffentlich-rechtlichen Vorteil sieht ZDF-Vertreter Arens in den regelmäßigen und festen Sendeplätzen für Dokumentationen und nennt dabei den ZDF-Sendeplatz Sonntag 19.30 Uhr als Beispiel, wo schon ein Format wie "Terra X" zwanzig Jahre lang erfolgreich war. Die BBC-Doku "Dinosaurier - Im Reich der Giganten" hätte er auch gerne für das ZDF gehabt. Als der Verkauf an ProSieben besiegelt wurde 1997, da hatte er, nach eigener Aussage, schon "Tränen in den Augen".
Darauf eingehend mahnt Hendrik Hey an, dass deutsche Sender lieber Produktionen z.b. der BBC einkaufen, anstatt selber Produktionen in Auftrag zu geben. In die Kritik einsteigend, bedauert Spiegel TV-Producer Kloft, dass bei den neuen Hochglanz-Dokus zur Vereinfachung der Erzählweise oft alternative wissenschaftliche Ansichten oder Erkenntnise aussen vor bleiben.
Lynch (BBC) kontert ganz grundsätzlich: "Auch der objektivste Dokumentarfilmer muss auswählen, welche Aussagen er in seinen Film nimmt und welche nicht. Jeder Journalist hat eine Linie, völlige Objektivität gibt es nicht". Da blieb Kloft nur noch zu erwähnen, dass seine Firma es trotzdem immer noch schaffe Dokus zu produzieren, die ohne Effekte und Storyline auskommen. Darauf sei er stolz.