Der Prophet ist vom Berg gestiegen: Schmidt ist zurück

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Die besten Sprüche von Harald Schmidt
Das Feuilleton war im Vorfeld aufgeregt, wie seit genau einem Jahr nicht mehr: Harald Schmidt feiert sein Comeback, und das genau ein Jahr nach seinem Abschied bei SAT.1; welch himmlischer Zufall. Der Liebling der Feuilletons, vor einem Jahr mit Lobeshymnen nach seinem Ausscheiden beweihräuchert und von mehreren Kollegen als „Gott“ stilisiert, ist also auferstanden, nachdem sie ihn vor 12 Monaten verabschiedet haben als wäre er von uns gegangen. Die Wiedergeburt der deutschen LateNight-Unterhaltung am Tag vor der Geburt des heiligen Kindes: Weihnachten 2004 wird so selbst Heiden in Erinnerung bleiben.

Dabei war es alles andere als beschaulich am Donnerstagabend: Der Opener der neuen ARD-Show, der Heimat der LateNight-Wiedergeburt, war poppiger, moderner als der klassische Nachtflug im Vorspann der alten SAT.1-Show. Dazu eine Stimme, die Generationen deutscher Autofahrer schon als oberlehrerhafter Schutzengel im Straßenverkehr bekannt ist: Der „7. Sinn“ wacht über Schmidt, ein beruhigender Gedanke. Kurz und schmerzlos der Auftritt von Schmidt: Nur eine kurze Drehung auf der Stelle und ein Herabschreiten von zwei Stufen; keine „Las Vegas-Zweite Wahl-Tür“ mehr, durch die er früher ins Studio schwebte.

Man könnte von Schmidtschen Kammerspielen sprechen, so intim, so klein wirkt der Rahmen der neuen Show. Wenig Bewegungsspielraum, kleinere Bühne und ein um die Hälfte dezimiertes Publikum näher dran am Propheten: Man hat das geschafft, was Roger Schawinski und Anke Engelke im Sommer auch versucht haben. Doch dort wurde zwar manches kleiner, vieles weiblicher, aber nichts besser. Doch zurück von dunklen Kapiteln deutscher LateNight-Geschichte hin zur Terracotta-Zukunft mit dem wiedergekehrten Schmidt.

Er sprach: „Sie haben es vielleicht bemerkt: In der vergangene Woche war keine Sendung“ und ging zur Tagesordnung über: Ein kurzer StandUp, dann die schwungvolle Handbewegung und der Verweis auf die altbekannte Band ohne Frontmann: Helmut Zerlett, langjähriger Weggefährte Schmidts und prominenter Partygast auf Society-Partys, ist nicht mehr mit an Bord. Von ihm werden wir allerdings im kommenden Sommer neue Töne hören: Nach DWDL-Informationen will er dem herabgestiegenen Propheten fremdgehen und Thomas Gottschalk bei seiner ZDF-LateNight musikalisch begleiten. Wer aber vermisst Zerlett, wenn der Prophet auf seinem Thron sitzt?

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Die erste Schmidt-Show im Ersten in Bildern
Kein Sven, der das Wasser bringt, kein Liebling des Monats auf dem Tisch und doch aus der Tiefe des kleineren Raums: Ein wohlbekanntes Gelächter. Manuel Andrack, von Schmidt liebevoll „Chefdramaturg“ genannt, kann immer noch voller Hingabe über seinen Chef lachen, wenn er will oder muss. Am Donnerstag musste er wohl weniger, er durfte: Schmidt setzte genau da an, wo er vor einem Jahr bei SAT.1 aufgehört hatte: Das Spiel mit den Gesten. Ob der Griff an die Haare, seine Pfeife im Mundwinkel oder das Bellen eines Hundes: Wann immer die Kamera groß auf Schmidt war, zählten die kleinen Gesten. Der Witz kam aber nicht zu kurz.

Mit einem Rundumschlag über Politik („Ich hatte 4.328.517 fantastische Gags zum Thema Laurenz Meyer – jetzt ist er zurückgetreten“), VIVA („Deutschlands größtes Schlampen-Reservoir wurde stillgelegt.“) oder Desiree Nick („„Ach, das ist das Gesicht von Desiree Nick, ich dachte das wäre der Arsch von Anouschka Renzi“) bot Schmidt bei seinem Comeback genau das, was seinen Fans und Feuilletonisten ein Jahr lang fehlte.

Seitenhiebe auf seinen ehemaligen Arbeitgeber SAT.1 („Unterschichtenfernsehen“) und Haim Saban konnte er sich bei der Premiere - „Hier. Bei uns. Im Ersten“, wie er stolz betonte, nicht verkneifen. So sprach Schmidt über VIVA: „Das ist schon hart. Da kommt so ein amerikanischer Investor, kauft einen Sender auf und dann wird der abgewickelt. Das soll uns nie passieren.“

Für die Millionensumme, die Schmidt von der ARD kassiert, schickte er auch brav Lobeshymnen über den Schirm. Stolz sprach er in Großaufnahme den Slogan der ARD („Das Erste ist das Fernsehen“) bedeutungsschwanger und machte sich dann doch, bei der Frage wieso er zurückgekommen sei, wieder lustig über den Rummel um ihn („Ich beuge mich damit dem tiefen Wunsch der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes“).

Mit einer fiktiven Umfrage untermauert er stolz: Die Deutschen würden ihn, den LateNight-Propheten, selbst dann zurückhaben wollen, wenn der Soli-Zuschlag verdreifacht würde und die WM 2006 ausfällt. Fußball-Fans hat Schmidt damit keine mehr im Publikum. Erst soll er wegen seinem teuren Vertrag schuld sein, dass der UEFA-Cup künftig nicht mehr im Ersten läuft und dann erdreistet sich der Prophet darüber noch zu scherzen.

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Auch Desiree Nick musste viel Spaß verstehen können. Beim Studio-Spiel „Fit für Deutschland“ wollte Schmidt beweisen, dass er trotz seines langen Urlaubs („Sauberes Wasser – hatte ich Dschungel ja Monate lang nicht.“) noch weiß, worüber er ab Januar zweimal wöchentlich scherzen soll. Bei einem Foto von RTL-Dschungelkönigin Desiree Nick mimte er den Ahnungslosen („Oh ein ernstes Thema: Die Vogelgrippe erreicht Deutschland“), bis Andrack aufklärte. Schmidt: „Das ist das Gesicht von Desiree Nick? Ich dachte, das ist der Arsch von Anouscka Renzi.“ Andrack ganz empört: „Also bitte: Wir sind im Ersten!“ Schmidt sichtlich in seinem Element: „Ist doch klar, im Dritten hätte ich das nicht gesagt.“

Es werde keine Gäste mehr geben, betonten Chefdramaturg Andrack und WDR-Redakteur Heinz schon im Vorfeld der Wiederkehr des Harald S. In Sendung verdeutlichten große rote Letter und ein Alarmsignal diese Botschaft. Doch Andrack schaffte elegant die Ausnahme von der Regel anzukündigen. Schmidt fragt „Also prinzipiell nie mehr Gäste?“ und Andrack kontert: „Außer wir haben Gäste“. Das Publikum lachte – ob über Andrack oder wegen Andracks Kommentar, sei dahin gestellt.

Die Show endete mit historisch-gewagten Witzen. Angesichts der 2005 anstehenden Feiern zum 60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs, stellte Schmidt die provokante Frage: „Im Rahmen der Versöhnung und Angleichung  […], ohne da missverstanden zu werden,  wäre es da nicht an der Zeit, dass wir auf der Seite der Sieger mitfeiern?“ und ergänzt nach „hohoho“-Gelächter im Publikum: „Der Sieger der Herzen oder so“.

Dann die letzte Rubrik der ersten Sendung: „Harold explains Germany“. In bestem denglisch wollte Schmidt ausländischen Gästen das heutige Deutschland erklären und landet bei Adolf Hitler: „Last week we had to learn that our Führer even didn’t pay taxes. This was a Riesen-Sauerei, because you know the war was not cheap and we needed every Reichsmark”. Gleich dahinter: „At least he could have paid Ausländersteuer by keeping his austrian Wohnsitz” Mit einem Lob für die Griechen, ihren Europameister-Titel und Olympia sowie Weihnachtsgrüßen beendete der Prophet der LateNight-Jünger und Feuilletonisten seine erste Audienz. Schöne Bescherung.