Der Geschichtslehrer  -  oder sollte ich besser sagen - der Geschichtsprofessor der Republik geht in Rente. Der Abschied von Guido Knopp ist ein Verlust für das ZDF. Über 30 Jahre hat er den Zuschauern Lust auf Geschichte gemacht. Knopp hat es geschafft, ein Millionenpublikum zur Auseinandersetzung mit der NS-Zeit zu bewegen. Er hat ein Thema, das in den 80er Jahren ganz oben im Zeitgeist der Republik stand, fernsehfähig gemacht. Und das nicht ohne Konflikte. Geschichte war damals ein Kampffeld, ein Fall für Aufklärung.

Guido Knopps Erfolg war es, ein breites Publikum zu erreichen, historische Themen populär zu machen, auch wenn er dafür vom Feuilleton oft und gerne Kritik geerntet hat. Mit „Hitlers Helfer“ oder „Hitlers Krieger“ hat er zur Primetime ein Millionenpublikum erreicht. Nie vorher hat jemand mit diesem Genre solch einen Zugang zu den Fernsehmassen bekommen. Knopp hat neue Standards gesetzt. Er emotionalisierte, personalisierte und setzte als einer der ersten nachgespielte Szenen ein, diese Reenactments sind heute überall Standard. Mehr als 2.000 Stunden Geschichtsfernsehen hat er seit seinem Beginn beim ZDF 1978 verantwortet. Seit 1984 war er Leiter der Redaktion Zeitgeschichte und hat dabei kontinuierlich sein Portfolio erweitert – beispielsweise um Filme über gekrönte Häupter oder Hollywood-Größen. Schnell kannte Guidos Reich kaum noch Grenzen.

Guido Knopp produzierte unzählige Dokumentationen und Reihen, die international erfolgreich waren, hat unzählige Preise abgeräumt und Traum-Quoten erzielt. Dazu Dutzende Begleitbücher und DVDs veröffentlicht, über 180 gebundene Titel, einige davon wurden in bis zu 42 Sprachen übersetzt. Guido Knopp ist mit dem ZDF zur Marke und zum markanten Kopf geworden. Seine Expeditionen führten ihn zuletzt bis nach Übersee und in längst vergessene deutsche Kolonien. Man kann nicht sagen, er hätte den Job nicht voll ausgekostet.

Mit „ZDF-History“ ist es ihm gelungen, viele junge Zuschauer anzusprechen und ans ZDF-Programm zu binden. Auch mit neuartigen, populären Formen, weit weg vom akademischen Habitus. Der Fundus, der so entstanden ist, gegründet heute den Erfolg von ZDFinfo mit. Nicht zuletzt hat Knopp Zeitgeschichte miterlebt und für das ZDF begleitet. Ich denke da nur an die bewegten Jahre 1989 und 1990 und seine Vorort-Recherchen in der ehemaligen DDR und Osteuropa. Mit dem großen Mehrteiler "Weltenbrand" hat sich Guido in den Ruhestand verabschiedet und mit farbigen Bildern die Geschichte des ersten und zweiten Weltkriegs noch einmal neu erleben lassen.

Wie das so ist, wenn der große Steuermann von Bord geht: Das ZDF muss sich fragen, wie Geschichtsfernsehen nach Knopp aussieht, wie wir Hitler, den 2. Weltkrieg, den Holocaust, die deutsche Teilung, den Kalten Krieg, die Bundesrepublik, die DDR und die Welt nach 1990 für eine neue Generation, gerade auch für Menschen mit Migrationshintergrund, neu erzählen. Diesen Prozess der Erneuerung und Auseinandersetzung über kommende Programmformen, auch auf neuen Plattformen, gehen wir jetzt an. Spannende Vorbilder aus dem Ausland gibt es genug, zum Beispiel „Making History“ von der BBC oder „Who's been sleeping in my house?“ aus Australien. Auseinandersetzung mit Geschichte muss heute persönlicher, konfrontativer, auch humorvoller sein als das vor 30 Jahren möglich war. Nach Knopp muss sich auch die Zeitgeschichte neu erfinden. Ich bin sicher, dass uns dies gelingen wird. Das ZDF wird der Sender für spannende und fundierte Geschichtsdokumentationen bleiben.