Herr Käßbohrer, Herr Schulz, wenn man den Kritikern glauben kann, haben Sie mit „Roche & Böhmermann“ neue Maßstäbe im Fernsehen gesetzt. Wie macht man denn heute gutes Fernsehen?

Philipp Käßbohrer: Als Jan und Charlotte vor knapp zwei Jahren zu uns kamen, um gemeinsam eine Sendung zu entwickeln, haben wir praktisch gar kein Fernsehen geschaut. Darum haben wir uns bei der Sendung anfangs gefragt, wie es aussehen müsste, damit wir gucken. Wir kamen dann schnell zu dem Ergebnis, dass im Fernsehen nichts authentisch ist und man stets versucht, dem Zuschauer etwas vorzugaukeln. Das will in dieser medienreflektierten Zeit aber keiner mehr schlucken. Als die Sendung schließlich lief, waren wir trotzdem total überrascht, dass dem Publikum so extrem aufgefallen ist, dass sie echter war als „Maischberger“ oder „Jauch“. Dabei sind die Stellschrauben sehr klein: einfach Dinge öffnen, ansprechen und drinlassen.

Ihre Sendung hat stark polarisiert und manchen Pressewirbel ausgelöst – zum Beispiel bei Max Herre. Welchen Einfluss hat so etwas auf Ihren Zugang zum Fernsehen fernab der gewohnten Routinen im Mediengeschäft?

Matthias Schulz: Wir kommen ja aus einer Welt, in der wir Dinge wie Installationen, Kurzfilme oder Musikvideos aus reinem künstlerischen Antrieb heraus gemacht haben. Da heißt es entweder "fein gemacht" oder es interessiert sich niemand dafür. Jetzt standen wir mit einem polarisierenden Projekt zum ersten Mal wirklich in der Öffentlichkeit und haben gemerkt, dass wir ab einem gewissen Punkt aufpassen müssen, was wir sagen.

Die Sendung brach mit den Regeln des Fernsehgeschäfts im Allgemeinen und mit dem Talk-Genre im Speziellen. Welche Erfahrung nehmen sie nach einem bewegten Jahr mit spektakulärem Ende mit?

Käßbohrer: Es ging uns in der Sendung nicht um den Regelbruch als Selbstzweck. Aber wenn es heißt, man hat etwas schon immer so gemacht, dann ist es eben höchstwahrscheinlich falsch. Man muss die Routine überdenken. Weil das Fernsehen ein junges Medium ist, das nur ein bis zwei wirkliche Generationswechsel durchgemacht hat, ist es relativ sicher, dass Dinge heute nicht mehr so gemacht werden sollten, wie noch vor dreißig Jahren. Wir sehen das genau wie Jan Böhmermann. Er sagt: „Im Gegensatz zu anderen machen wir absichtlich Fernsehen“. Wir machen es nicht aus Versehen, weil wir in dieses System reingerutscht sind, oder weil es Sendeplätze gibt, die gefüllt werden müssen.

Schulz: Es ist sowieso absurd, dass immer noch so viel von den linearen Sendeplätzen abhängig ist. Ist es nicht viel interessanter, andere Plattformen als Leitfaden zu nehmen und ein Best Of als Schaufenster ins lineare Programm zu bringen?

Genau dieses Prinzip wirkt auch bei Ihrer Sendung, die in der Mediathek schnell zum Hit wurde. Auch sonst ist Ihr Format großes Gesprächsthema bei den vornehmlich jungen Zuschauern im Netz. Was geben Sie den alten Hasen mit, die versuchen, mit vorgelesenen Tweets an Ihr Publikum ranzukommen?

Käßbohrer: Mit dieser Art von Verwechselung sind wir ständig konfrontiert. Jan Böhmermann und wir stehen plötzlich für junges Fernsehen. Also wollen jetzt alle mit uns Internetsendungen machen. Das ist natürlich totaler Quatsch.

Schulz: Es macht ja auch keiner Sendungen über Fernsehkameras!

Käßbohrer: Es hat bei uns funktioniert, weil wir die gleiche Sprache sprechen. Es geht einfach nur um guten Content. Bei jungen Leuten funktioniert doch nicht nur "IT-Crowd", sondern auch "Mad Men" – und das hat nun wirklich nichts mit Internet zu tun. Das ist auch der große Fehler von „Gottschalk Live“ gewesen. Man muss wirklich keine Sendungen machen, in denen lustige YouTube-Videos gezeigt werden. Die gibt es ja schon bei YouTube.

Schulz: Wenn der Content gut ist, dann ist auch die Form egal: ob als Gespräch oder als fiktionale Inszenierung. Im zweiten Schritt geht es dann darum, die Inhalte verfügbar zu machen und zu begleiten. Twitter und Facebook also nicht als Selbstzweck zu nutzen, sondern um an diesem Prozess teilzunehmen und in die Diskussion mit einzusteigen.