Friedrich Küppersbusch sitzt in einer schäbigen Nichtkulisse und sieht tatsächlich ein bisschen aus wie in Geiselhaft genommen. Fehlt noch das verquält hoch gehaltene Schild, das ihn als Gefangenen einer dieser Dreibuchstabenbanden ausweist. WDR. Ausgerechnet WDR.

WDR? Der WDR? Man glaubt es kaum, aber es scheint tatsächlich, als sorge dieses kleine Experiment mit dem alten Mann von ZAK für einen gewaltigen Ruck in der Senderkultur. Es geht noch was. Wir können das. Und es muss nicht einmal teuer sein. Wüsste man nicht, dass der neue Intendant keinerlei Einfluss auf dieses Projekt gehabt haben kann, man würde es gerne als Hoffnungszeichen der neuen, der Tom-Buhrow-Ära deuten.



Das Projekt heißt „Tagesschaum“, ist meistens gerade mal 13 Minuten lang und Fernsehen mit allereinfachsten Mitteln. Fernsehen mit allereinfachsten Mitteln? Moment. Das ist das WDR Fernsehen bisher, ein Quartier der Einfältigkeit, ein beliebiger Auswurf von anspruchslosen Versuchen, die Sendung zu nennen zuviel der Ehre wäre. Ja, ich weiß es gibt hier und auch mal ein kurzes Aufflackern von Qualität, aber nichts, was in der Lage wäre, langfristig aus dem Einheitsbrei herauszuragen.

Und nun kommt dieser Küppersbusch daher. Als grauer Held auf dem hohem Ross eines nie verlorenen Anspruchs. Lange schien er verloren in den dunklen Schulden-Sümpfen von RTL und Mordor, doch nun ist er back und kommentiert das politische Geschehen des Tages. Nicht so gefällig wie die „Heute Show“. Ohne klatschendes Publikum. Ohne Sucht nach der nächsten Pointe und ohne ein in die Jahre gekommenes Schreibaby.

Küppersbusch redet, wie ihm und seiner Redaktion der Schnabel gewachsen ist, und genau das ist gut so. Natürlich ist er wortverliebt, natürlich strickt er Verbalgirlanden, natürlich ist er eitel. Bin ich auch. Wer nicht?

Allein schon das Format? 13 Minuten. Wo gibt es das denn? Alles so schön gestripped im 45-Minuten oder im Stunden-Rhythmus. Aber 13 Minuten? Die passen doch sonst nirgends rein. Im WDR schon. Selbstredend weiß ich, dass so etwas nur im Sommer geht, wenn alle anderen Reihen Pause machen und es den Verantwortlichen relativ wurscht ist, was sich da auf dem Bildschirm tut.

Bis zur Bundestagswahl schlägt Küppersbusch den „Tagesschaum“ dreimal die Woche. Montags, dienstags und donnerstags um 23.15 Uhr. Man muss sich die Zeit eigentlich gar nicht merken, denn der „Tagesschaum“ macht sich vielfältig breit. Auch bei 1Festival. Und bei YouTube. Dort kann man sich nach Herzenslust einseifen lassen vom alten Onkel, wann immer man will. Natürlich sind die Quoten, die irgendwo im Nirvana zwischen 0,8 und 1,7 Prozent oszillieren ebenso schlecht wie die Klickzahlen. Noch. Ich prognostiziere, dass sich das entwickeln wird, dass es umso mehr werden, je näher die Wahl rückt und je mehr Menschen merken, dass sie nicht wissen, wie sie das alles finden sollen mit dieser Politik.

Beratung gibt es bei Küppersbusch. Der hält sich nicht auf mit halbgaren Höflichkeiten, und er ist auch nicht freundlich. Er ist klar, und hier und da werden die Betroffenen das, was er da sagt, auch als Beleidigung auffassen. Sollen sie auch. Der Quell aus dem all dies fließt, heißt Haltung. Küppersbusch steht für was, und genau das vermittelt er. Er zeigt nicht nur, wofür er steht, er zeigt auch, dass es sich lohnen kann, für etwas zu stehen. Haltung galt so lange als uncool, und Ironie war alles. Küppersbusch belegt nun, dass Haltung genau das ist, was diese Republik braucht. Und der WDR sowieso. Möge es so manche Beschwerde über den „Tagesschaum“ geben. Auf dass der Rundfunkrat reichlich zu tun bekommt.

Ich könnte hier sätzelang Zitate aus den ersten drei qualitativ noch ein bisschen mäandernden „Tagesschaum“-Folgen bringen, aber das würde eher mich schmücken als das Thema und der Komplexität dieser Sendung kaum gerecht werden. Ein Klick und man ist da. Der intelligente DWDL-Kunde weiß ja, wie so etwas geht.

Und wo wir gerade bei Intelligenz sind. Der WDR braucht im nächsten Jahr einen neuen Fernsehdirektor, einen, der sich auskennt mit Fernsehen, der weiß, wo es lang gehen soll, vor und hinter den Kulissen. Lieber Herr Buhrow. Pssst. Kommen Sie mal ganz nahe heran. Ich hätte da mal einen Tipp. Da ist einer in Ihrem Programm, der ein bisschen so aussieht wie sie, wenn sie es mit den Haaren mal ehrlich nähmen und nicht so erpicht auf weiches Licht wären. Friedrich Küppersbusch heißt der Mann. Der hat Haltung. Der täte dem WDR gut. Aber. Pssst. Nicht sagen, dass Sie den Tipp von mir haben.