Die größte Gefahr besteht darin, sie zu unterschätzen: Seit 2012 führt Cecile Frot-Coutaz die RTL-Produktionstochter FremantleMedia und gibt dem Unternehmen eine charmantes Gesicht. Doch Lächeln ist auch für Sie offenbar die schönste Methode der Konkurrenz und den eigenen Mitarbeitern die Zähne zu zeigen. Denn was für Fort-Coutaz zählt, machte sie am Montag im Rahmen eines Gesprächs auf der Bühne der MIPCOM deutlich: Wachstum und Größe. Immer wieder ging es um Größe. Frot-Coutaz verantwortete vor ihrer Führungsrolle bei FremantleMedia die amerikanische Tochter mit den dort sehr erfolgreichen Castingshow-Franchises "Idol", "Got Talent" und "X Factor". Das mag die Vorliebe für Größe ein Stück weit erklären. Die will FremantleMedia auch im Digitalen erreichen und hat die Multi-Channel-Networks bei YouTube für sich entdeckt. "Wir sind im Digitalen sehr optimistisch", erklärte Frot-Coutaz. Man könne das Zuschauerverhalten, die neuen Formen der Unterhaltung und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ignorieren.



"Die Zeit, die junge Menschen vor dem Fernseher verbringen, ist von vier auf zwei Stunden gesunken", hielt die FremantleMedia-Chefin fest. Deswegen soll die Übernahme von Multi-Channel-Networks im Netz helfen, schnell an Größe zu gewinnen, um dann thematische Verticals zu bilden. Also Welten rund um Themen wie Ernährung, Mode, Musik oder Autos. "Und dafür ist Größe wichtig", so Frot-Coutaz. "Wenn Sie etwas über Fliegenfischen machen wollen, dann müssen sie das für einen großen Markt machen, sonst rentiert sich das nicht." Egal ob YouTube oder Netflix - das Netz bringe eine bahnbrechende Veränderung für alle Produzenten von Inhalten mit sich. Frot-Coutaz sagt dazu - und das lässt sich besser im Englischen formulieren: "It’s not about being everybody’s favourite programme, it’s about being somebody’s favourite programme." Eine erstaunliche Aussage für einen der Leuchtturm-Produzenten im internationalen TV-Markt. "Diese neue Welt ermöglicht viele,  ganz unterschiedliche Programme. Vor 15 Jahren konnte man nur überleben, wenn man Shows produziert hat, die jeden ansprechen. Aus der Perspektive der Kreativen sind das wirklich aufregende Möglichkeiten", so Fort-Coutaz.

Aber das alte Kerngeschäft gehe ja nicht verloren. Natürlich präsentiert FremantleMedia in Cannes in erster Linie Nachschub für klassische Fernsehsender. Die aktuellen Highlights, die bei der MIPCOM in den Mittelpunkt gestellt werden, sind die britische Gameshow "Break the safe" (BBC One) sowie die britische Unterhaltungshow "The Keyhole", das Dokutainment-Format "Genealogy Roadshow" und die japanische Comedyshow "The Boxing Glove", die auch bereits sechs Käufer, darunter Sender in Kambodscha, Indonesien, Mexiko, Portugal und Thailand, überzeugen konnte. Dazu kommt der große Katalog vom FremantleMedia. Neben den großen Castingshow-Franchises "Idol", "Got Talent" und "X Factor" läuft es auch für Klassiker wie dem "Familienduell" gut, das derzeit in 60 Ländern in Produktion ist. Die US-Designershow "Projet Runway" - drüben moderiert und koproduziert von Heidi Klum - wurde inzwischen in 21 Territorien verkauft. Noch erfolgreicher läuft weiterhin "Bauer sucht Frau" - verkauft in inzwischen 29 Territorien. Im Frühjahr, auf der MIPTV, stellte Fremantle "Family Harmony" und die Tanz-Show "Everybody dance now" in den Mittelpunkt. Beide haben in Europa und Asien erste Abnehmer gefunden.

"Es ist ein großartiges Jahr, selbst für unsere Verhältnisse. Unser Team hat unermüdlich mit Sendern daran gearbeitet, hochqualitative lokale Versionen unserer Formate in allen wichtigen Territorien umzusetzen, um dem Publikum so globale TV-Hits nahe zu bringen. Im Ergebnis führt das dazu, dass wir so viele Formaten in so vielen Ländern in Produktion haben, wie nie zuvor", erklärte in Cannes auch Rob Clark, Director, Global Entertainment Development bei FremantleMedia. Insgesamt 217 Fremantle-Sendungen in 117 Territorien - ein Rekord für die Produktionstochter von RTL, wie man betont. So sehr man sich also für das Netz begeistere - im Fernsehen laufe es weiterhin sehr gut. Und Chefin Cecile Frot-Coutaz gab auch noch zu bedenken: "YouTube machte Susan Boyle zwar zum Star und brachte unserem Format 'Got Talent' einen großen Schub. ITV verzeichnete bessere Einschaltquoten; die Staffel mit Susan Boyle war die stärkste, dank YouTube. Aber wer ist da als Sieger herausgegangen? YouTube machte nicht viel Geld damit, ITV machte es." Frot-Coutaz räumte jedoch ein: Das könne sich über kurz oder lang ändern.

Dass derzeit - und im Speziellen auch bei der MIPCOM - besonders Drama-Serien nachgefragt werden, beunruhigt Frot-Coutaz nicht. FremantleMedia ist traditionell stärker im Formatgeschäft, doch fiktionale Programme würden bereits 30 Prozent zum Umsatz beisteuern. Der Anteil soll aber gerne noch wachsen. Ansonsten gebe es im Fernsehen immer Wellenbewegungen, die auch wieder FremantleMedia in die Hände spielen werden. Eine zu starke Abhängigkeit vom oft als launisch und schwer zu ertragen beschriebenen Casting-Guru Simon Cowell wies Frot-Coutaz zurück: "FremantleMedia ist mehr als das." Über die Umstrukturierung von FremantleMedia, die sie als erstes Großprojekt nach dem Antritt angegangen ist, sagte Frot-Coutaz in Cannes: "Ich glaube das wir in der heutigen Welt nicht mehr voneinander abgeschottet arbeiten können. Wir können nicht auf der einen Seite die Kreativen haben, auf der anderen die Vermarkter." Aus diesem Grund führte Frot-Coutaz die Produktions- und Distributionseinheit von Fremantle zusammen.

Eine Trennung, die früher sicher Sinn gemacht habe. "Fremantle wäre nicht da, wo es ist, wenn das Geschäft nicht vor zehn Jahren so aufgestellt wurde. Aber ich glaube daran, dass Firmen ihre Struktur mindestens alle fünf Jahre ändern sollten", sagte die FremantleMedia-Chefin und ergänzte: "Manchmal nur um des Änderns willen." Und gefragt nach den Zielen von FremantleMedia in den nächsten fünf Jahren ging es wenig überraschend wieder um eins: Wachstum. "Eins meiner Ziele ist Größe. Ich glaube an Größe. Größe zählt", sagte Frot-Coutaz. Dafür will FremantleMedia künftig mehr eigenes Geld in Entwicklung investieren. In diesem Zusammenhang glaubt sie im Übrigen, dass die Konsolidierung im Produktionsgeschäft noch nicht abgeschlossen ist. Die Frage, ob FremantleMedia an einer Übernahme von Endemol interessiert sei, lächelte Frot-Coutaz jedoch weg. Geografisch hält Frot-Coutaz noch fest: "Wachstum kommt eher aus China als, sagen wir, Europa." Dazu passt auch die in Cannes gemachte Ankündigung eines umfangreichen VoD-Deals mit Youku - einer chinesischen VOD-Plattform.