Die Sache mit dem Dating ist heutzutage schon schwer, jammert Jennifer, "weil man eine Riesen-Auswahl hat". Und weil die Auswahl so riesig ist, wird es wirklich mal Zeit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Wie gut, dass RTL II neuerdings genau die richtige Plattform dafür bietet: In der neuen Show "Naked Attraction – Dating hautnah" muss sich ein Single nämlich zwischen sechs Kandidaten entscheiden, die sich in bunt beleuchteten Boxen so präsentieren, wie Gott sie schuf. Oder in einigen Ausnahmefällen der Chirurg.

Den Anfang macht besagte Jennifer, die neben Moderatorin Milka Loff Fernandes die einzige bekleidete Person im Studio ist. Die 24-Jährige wird dafür vor den im Halbrund aufgebauten Sarkophagen postiert, wohl wissend, dass sie gleich nicht nur zwölf Beine zu sehen bekommt, sondern auch sechs Penisse in unterschiedlichsten Variationen. "Bist du bereit für die Unterkörper?", fragt Fernandes zur Sicherheit noch einmal nach, um schließlich das Signal fürs "Windowshopping" der besonderen Art zu geben.

Sagen dürfen sie zunächst nichts, die Herrschaften in den Boxen – auch nicht, als Jennifer nicht nur Geschlechtsteile und Oberkörper sieht, sondern auch die dazu gehörigen Gesichter. Umso mehr sagt dafür Milka Loff Fernandes, die einem der Burschen attestiert, dass dessen bestes Stück doch sehr symmetrisch hängt. Einem anderen wiederum bescheinigt sie, im Besitz eines dicken Gemächts zu sein, woraufhin die Kandidatin lieber andere Prioritäten setzt: "Ich muss sagen: Die Hände gefallen mir." Auf diese Weise wird Runde für Runde aussortiert.

Es hat schon etwas unfreiwillig Komisches, wie die Moderatorin zusammen mit Jennifer und Rob, dem Kandidaten der zweiten Runde, das Äußere der Singles bewertet. "Wir haben hier ein wunderbares Becken", schwärmt sie und erweckt beinahe den Eindruck, sie besuche gerade eine Vernissage. Rob wiederum gibt in diesem Zusammenhang übrigens zu Protokoll, die "Vasen-Form" zu bevorzugen und macht deutlich, Gefallen an "weiblichen Schenkeln" zu finden. Die Damen sollen aber bitteschön im Genitalbereich "nicht zu zart gebaut" sein, mahnt der Frauenversteher, der es mag, auf dem heimischen Sofa mit seinen – kein Witz – Nacktkatzen zu schmusen.

Naked Attraction© RTL II

Wie gut, dass der junge Mann bei so viel Oberflächlichkeit am Ende des Auswahlprozesses zu verstehen gibt, dass das Gesicht am wichtigsten ist. Keine Frage: FKK-Fan Rob ist aus Sicht von RTL II und der BBC-Tochter Tower Production der Traum-Kandidat für die Adaption des aus England stammenden Formats, das sich nicht nur der Lust auf Fleischbeschau hingeben möchte, sondern auch dem Bildungskanon des Senders gerecht wird. Dankenswerterweise wird das geneigte Publikum zwischendurch in kleinen Filmchen noch einmal aufklärt, worin der Unterschied zwischen einem Blut- und einem Fleischpenis liegt.

Irgendwann, nachdem das Teilnehmerfeld auf zwei Single-Nackedeis dezimiert wurde, lassen dann übrigens auch Jennifer und Rob die Hüllen fallen – vermutlich um so etwas wie Gleichberechtigung herzustellen, bevor die wichtige Entscheidung ansteht, welchem Pärchen der Sender einen Kennenlern-Drink spendiert. So plätschert die Sendung schließlich ihrem Ende entgegen, während man sich vor dem Fernseher allmählich die Frage stellt, was genau RTL II mit "Naked Attraction" eigentlich bezwecken möchte. 

Das Problem der Show ist nämlich keineswegs die offensichtliche Oberflächlichkeit, die ja letztlich nur allzu menschlich ist. Selbst zum Skandal will die Sendung mit ihrer sehr aufdringlichen Darstellung des menschlichen Körpers in der heutigen Zeit nicht so recht taugen. Wer will sich heutzutage noch ernsthaft erregen, wenn das Fernsehen zu später Stunde nackte Menschen zeigt? Nein, vielmehr ist es das Prinzip des Spiels, das sich innerhalb kürzester Zeit erschöpft. Beim nächsten Kuppelshow-Versuch darf das Fernsehen seinen Kandidaten daher gerne wieder das Tragen von Unterwäsche gewähren.

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