Für das Tagesprogramm hatte man ein schickes Kino in der Londoner Innenstadt angemietet, für den Abend eine Location für eine Aftershow-Party gefunden. Amazon Prime Video wollte zum ersten Mal einen European Autumn Season Showcase veranstalten und im Rahmen eines solchen Events der Fachpresse die Programm-Highlights der kommenden Monate präsentieren, darunter neue Serien  sowie neue Staffeln bekannter Serien. Einen ähnlichen Event hat Konkurrent Netflix im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Paris und in diesem Frühjahr in Berlin veranstaltet.

Gastgeber der eintägigen Veranstaltung, bei der neben Präsentationen und Panel-Diskussionen auch Einzel-Interviews mit den anwesenden Stars der Amazon-Serien angedacht waren, sollten Jay Marine, Vice President Prime Video Europe,  sowie Roy Price (bis gerade eben noch Vice President Amazon Studios) sein. Am Freitag sorgte nun die sofortige Suspendierung von Price aufgrund von Belästigungsvorwürfen einer Produzentin (DWDL.de berichtete) für Schlagzeilen. Am Freitagabend folgte die Absage der Veranstaltung in London.

Der Amazon Prime European Autumn Season Showcase werde verschoben, heißt es in einer verschickten Mitteilung an die eingeladenen Journalisten. Für Unannehmlichkeiten bitte man um Entschuldigung. Der Grund wird nicht angegeben, ist aber offensichtlich. Es ist eine nachvollziehbare Absage: Angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe gegen den bisherigen Programmchef von Amazon, stünden kommenden Donnerstag kaum die neuen Serien bzw. Staffeln im Mittelpunkt.

Dazu entwickelt der Skandal um sexuelle Nötigung in den Chefetagen Hollywoods derzeit eine unberechenbare Dynamik. Immer neue Vorwürfe, die nötige Aufklärung und die Diskussionen über die Vorfälle dominieren derzeit die Schlagzeilen. Der schwierigen Gratwanderung im offiziellen Umgang mit im Raum stehenden und noch zu prüfenden Vorwürfen umgeht Amazon mit der Absage des Showcases nun erst einmal - und gewinnt Zeit zur Klärung.

Die Suspendierung von Roy Price kommt zu einem Zeitpunkt, wo seine Bilanz an der Spitze von Amazon Studios zunehmend in Frage gestellt wurde. Abseits eines Kritiker-Erfolges mit "Transparent" hat Amazon Studios keine Serien etablieren können, die ein breiteres Publikum ansprechen wie es "House Of Cards", "Orange Is The New Black" oder zuletzt auch "Stranger Things" bei Netflix taten. Unabhängig von den jetzt erhobenen Vorwürfen galt Price daher schon seit einigen Monaten als angezählt.