Schon wieder geht's hier um Figuren, die ich mag. Und zwar um Sabrina Spellman und ihre Tantchen aus der Sitcom "Sabrina - Total verhext!". Sie waren nicht ungemein komplex, aber witzig, unterhaltsam und immer mal wieder überraschend. Ich habe die Sitcom gerne geschaut, weil ich die Figuren mochte und es mir Spaß gemacht hat, dass hier eine gutherzige, manchmal etwas verwirrte Teenager-Hexe auf dem Weg zum Erwachsenwerden im Mittelpunkt einer Comedy steht.

Jetzt sind Sabrina Spellman, Tante Hilda und Tante Zelda wieder da - in "Chilling Adventures of Sabrina". Die Serie ist komplett anders als die harmlose Sitcom von damals: eine düstere Fantasygeschichte für die Zielgruppe der Young Adults, also für junge Erwachsene. Aber die Figuren sind in ihrem Kern genau so, wie ich sie Ende der 90er-Jahre kennengelernt habe: die positive, optimistische, hilfsbereite Sabrina; die unbedarfte, mütterliche, fröhliche Tante Hilda und die ernste, strenge, auf den Ruf der Familie bedachte Tante Zelda. Die Beziehungen der drei untereinander sind zwar höchstkompliziert, aber sie halten zusammen. Und: Alle drei haben an Komplexität gewonnen, wie im Laufe der ersten Staffel deutlich wird.

Es ist ein Serien-Remake, wie ich mir Remakes eigentlich wünsche: Man nimmt Zutaten aus dem alten Werk und mischt daraus etwas Neues, doch der Ursprung bleibt identifizierbar. Bei Sabrina war das relativ einfach: Denn die Vorlage gibt es in zwei gegensätzlichen Varianten. Einmal die hellen, eher unbeschwerten Geschichten von Sabrina Spellman in der Comicreihe "Sabrina The Teenage Witch", die 1971 zum ersten Mal erschien. Dann die düsteren, blutigen Geschichten von Sabrina Spellman in der Comicreihe "Chilling Adventures of Sabrina", die seit 2014 gedruckt wird. Weil ich die Sitcom-Version mochte und die Pläne, daraus eine düstere Version zu machen, gut fand, war das "Sabrina"-Remake tatsächlich die Serie in diesem Jahr, auf die ich mich persönlich am meisten gefreut habe. Und die Rechnung ist aufgegangen: "Chilling Adventures" ist eine höchst aktuelle, aufwändig produzierte Serie geworden, die den Sabrina-Kern bewahrt und gleichzeitig etwas völlig Anderes daraus erschaffen hat.

Doch nicht nur das Format wurde angepasst und weiterentwickelt, auch die darin erzählten Geschichten und Konflikte. In den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren waren Hexen in der Mainstream-Popkultur oftmals ein Symbol für Feminismus und Emanzipation - die Hexenwelt eine erstrebenswerte Welt, in der Frauen die Macht und das Sagen haben, das Patriarchat überwunden wurde. Bei "Chilling Adventures" ist das anders: Die Teenagerin Sabrina (Kiernan Shipka) muss sich an ihrem 16. Geburtstag entscheiden, ob sie der Hexenwelt vollständig angehören will, dadurch mehr Macht erlangt und sich damit der Welt der Sterblichen entzieht. Oder ob sie weiterhin in der Welt der Sterblichen verhaftet bleiben möchte. Eigentlich keine Frage für eine Halb-Hexe, die ihre Hexenkraft gerne nutzt, sollte man meinen. Wenn da nicht der Pferdefuß wäre, dass sie sich mit dem Übertritt in die Hexenwelt dem Teufel versprechen und seinen Befehlen gehorchen muss - und sie nicht mehr selbst entscheiden kann, ob sie ihre Zeit mit Sterblichen verbringen möchte oder nicht. Ihre Freiheit aufzugeben, ist für Sabrina unvorstellbar. Sie hadert damit, dass größere Macht und Freiheit gleichzeitig nicht möglich sind - und beschließt nichts weniger, als den Herrscher in dieser Welt, den "Dark Lord", zu besiegen.

Die Welt der Hexen und Hexer ist männlich dominiert und folgt Regeln, die Männer gemacht haben - und entspricht damit dem Patriarchat, das in der Welt der Sterblichen die Macht hat. In unterschiedlichen Geschichten wird in der ersten Staffel der feministische Grundkonflikt thematisiert, in beiden Welten. Und mittendrin Sabrina, die in all dem Übel, der Finsternis, der Feinseligkeit wie ein heller Stern leuchtet. Sie ist die Pure, die Reine, und es tut fast körperlich weh, ihr dabei zuzusehen, wie sie den verzweifelten Kampf aufnimmt, wie sie dabei ständig in Gefahr läuft, vom Bösen korrumpiert zu werden, wie sie trotz der guten Vorsätze und der hehren Ziele auf die dunkle Seite abgleiten könnte, ohne es zu bemerken.

Die erste Staffel hat ihre Schwächen, und doch ist in jeder Folge sichtbar, was ihre überragende Stärke ist: diese besondere Figur Sabrina, die gemeinsam mit ihren gegensätzlichen Tanten in dieser düsteren Welt ein Geschichten-Schatz ist, aus dem noch viele spannende Staffeln entstehen können, in denen Konflikte verhandelt werden, die in unseren Gesellschaften in der realen Welt hochaktuell sind.

"Chilling Adventures of Sabrina" ist bei Netflix verfügbar. "Sabrina - Total verhext!" läuft derzeit im Disney Channel, ist allerdings bei keinem Streaminganbieter verfügbar.

Zum Schluss noch ein kleiner Hörtipp in eigener Sache:

Der DWDL.de-Podcast "Seriendialoge" geht weiter - mittlerweile schon in der sechsten Staffel. Natürlich dreht sich wieder alles um Serien, allerdings nicht um bestimmte Serien zum Gucken, sondern darum, wie Serien wirken und wie sie gemacht werden. Zum Staffelauftakt in der vorigen Wochen habe ich mit der Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Daniela Schlütz darüber gesprochen, welche Wirkung Serien auf das Publikum haben. Was diese Wirkung alles umfasst, ob sie uns bewusst ist oder nicht, welche Rolle die Serienfiguren dafür spielen, warum uns Anti-Helden und -Heldinnen faszinieren - um diese Fragen und noch mehr geht es in der Folge: 

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In der Episode in dieser Woche dreht es sich nun ums Machen: Ich frage die Autoren von "4 Blocks" - Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf -, wie man spannend schreibt. Ein Gespräch über Bomben unter dem Tisch, darüber, was Spannung ausmacht, wie wichtig die Figuren für die Spannung sind und wie man es schafft, elegante Cliffhanger zu schreiben: 

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