Frau Lamprecht, Herr Vogel – wenn man hinter Ihrer Familienserie "Das Wichtigste im Leben" ein Satzzeichen setzen würde, wäre es ein Frage- oder Ausrufezeichen?

Jürgen Vogel: Gute Frage, keine Ahnung. Aber wir beide hatten mit der Auswahl des Titels ja auch nichts zu tun. Und wenn es anders gewesen wäre, hätten wir ganz sicher einen anderen gewählt.

Lamprecht: Und weil der Titel außerdem ja kein Satzzeichen hat, würde ich mal denken, dass eher beide gelten.

Gibt die Serie denn Antworten darauf, was das Wichtigste im Leben sein könnte, oder stellt sie nur Fragen?

Lamprecht: Ich hoffe jedenfalls schwer, dass nicht ersteres der Fall ist. Ich finde Fragen grundsätzlich interessanter als Antworten.

Vogel: Wobei gar nicht so wichtig ist, welche Fragen es stellt oder wie klug die genau sind, sondern ob sie dem Zuschauer Anregungen zum Nachdenken liefern. Und weil jede Figur unserer Serie auf der Suche nach dem jeweils besten Weg durchs Leben in einem berührenden, authentischen Tonfall erzählt wird, könnte das aus meiner Sicht auch klappen.

Lamprecht: Es geht darum, welche Rolle jeder in der Familie und darüber hinaus spielt. Wie viel Raum muss man sich selber nehmen, wie viel Raum den anderen geben? Darum geht es doch schließlich in jedem sozialen Zusammenhang.

Der sich im Fall der Familie Fankhauser mit schwer pubertierender Tochter, kleinerem Bruder und einem Adoptivkind mit abruptem Interessenswandel von Basketball zu einer völlig anderen Beschäftigung als dauerhaftes Ringen, fast schon Kämpfen um Nähe und Abgrenzung zeigt.

Lamprecht: Stimmt, Nähe und Abgrenzung bilden den Kern der Serie, aber nicht nur der Kindern, sondern auch meiner Rolle als Frau und Mutter, die nach Aufgaben außerhalb der Familie sucht, ohne sich von ihr abzugrenzen.

Vogel: Und diese Suche ist in der Tat oft ein Kampf.

Der Genrebegriff „Feel Good“, mit dem hierzulande Familienserien oft etikettiert werden, passt demnach nicht so richtig auf „Das Wichtigste im Leben“ oder?

Lamprecht: Absolut, aber die offizielle Überschrift „Familiendramaserie“ trifft es irgendwie auch nicht; dafür steht das Drama nicht genug im Vordergrund.

Vogel: Für Etiketten sind aus meiner Sicht eher Kritiker wie Sie zuständig; wir sind dafür zu sehr involviert. Richtig ist aber, dass solche Serien vor zwanzig Jahren noch anders konzipiert waren. Da wurde Familie tendenziell viel eher als heile Welt erzählt. Heutzutage ist Realismus wichtiger, also die Normalität des Lebens nicht weich zu zeichnen. Das schafft definitiv mehr Identifikationsmöglichkeiten.

Lamprecht: Und genau deshalb schlagen die Amplituden wie im wahren Leben bei uns in beide Richtungen aus, also Tragödie und Komödie – weil der alltägliche Wahnsinn des Familienlebens auch in der Realität oft eine Prise Humor enthält.

Vogel: Es geht eben darum, Normalität unterhaltsam zu machen, ohne sie zu überzeichnen.

Im Laufe der Serie tauchen also nicht noch dunkle Geheimnisse und menschliche Abgründe auf?

Vogel: Nein, wir wollen den normalen Wahnsinn des Lebens so erzählen, dass er auch ohne Knalleffekte spannend ist.

Lamprecht: Am Ende der ersten Staffel löst sich schon ein geheimnisvoller Bogen auf, aber eben kein allzu ausgefallener. Es gibt also weder eine Drogenküche im Keller noch Ufos auf dem Dach. Gibt’s bei uns zuhause ja auch nicht.

Schöpfen Sie für Ihre Rollen daher auch aus eigener Familienerfahrung?

Vogel: Ich schöpfe auf der Suche nach der bestmöglichen Lösung bei jeder Rolle aus meinem eigenen Leben oder wie ich die Dinge als Schauspieler und Mensch sehe – selbst, wenn es um einen Mörder geht.

Lamprecht: Anders könnte ich gar nicht spielen. Aber bei diesen Drehbüchern war es auch leicht, an eigene Erfahrungen anzuknüpfen.

Haben Sie sich als Eltern beide denn manchmal auch wiederentdeckt in Kurt und Sandra Fankhauser, ihren Denkweisen, Alltagshandlungen, womöglich auch Verschrobenheiten?

Vogel: Ich finde Kurt besonders in seiner Verschrobenheit toll, will mich aber nicht in dieser Figur spiegeln.

Lamprecht: Ich konnte in fast jeder Szene irgendwelche privaten Gefühle oder Erlebnisse heranziehen, und hätte da entsprechend oft genauso oder genau anders reagiert als Sandra. Zum Glück geht es hier aber nicht um mein Leben.

Vogel: Über mein eigenes will ich öffentlich aber ohnehin auch gar nicht so viel preisgeben, ganz ehrlich.

Die Frage war Ihnen also zu boulevardesk?

Vogel: (lacht) mir persönlich ja.

Ist trotzdem die erlaubt, was für Sie beide das Wichtigste im Leben ist?

Vogel: Fragen darf man alles, aber schon, weil diese hier jetzt fast unvermeidbar ist, war ich so strikt gegen den Titel. Meine Antwort lautet daher: gute Verdauung.

Lamprecht: Für mich ist es ein Zusammenspiel aus mehreren Dingen, und das sage ich nicht, um mich vor der Antwort zu drücken, sondern weil es die eine eben nicht gibt. Unter den vielen Faktoren, die mein Leben besser machen, ist daher natürlich auch Familie enthalten. Aber auch mein Beruf, Humor, Offenheit, Selbstreflexion – all so was ist mir wichtig.

Hatten Sie denn einen Alternativ-Titel im Kopf?

Lamprecht: Es gab sogar einen, aber der wurde verändert.

(Anm. d. Red.: Die Serie hatte zunächst den Arbeitstitel "Wann sind wir da")

Vox zeigt die Serie "Das Wichtigste im Leben" immer mittwochs um 20:15 Uhr