Herr Schäfer, Jahr für Jahr steht die Frage im Raum: Geht es weiter mit dem Deutschen Fernsehpreis, besonders angesichts der Tatsache, dass nach der letzten Verleihung das bestehende Commitment der Stifter auslief?

Stephan Schäfer: Es gibt eine gute Nachricht für das deutsche Fernsehen: Der Stifterkreis des Deutschen Fernsehpreises hat sich dazu entschlossen, den Deutschen Fernsehpreis nicht nur fortzusetzen, sondern tatkräftig nach vorne zu bringen. Im kommenden Jahr steht er turnusmäßig unter der Federführung von RTL und dort wird er am 6. Juni 2020 auch wieder im Programm zu sehen sein. Wir möchten einen glamourösen, einzigartigen Abend zelebrieren und den außerordentlichen Leistungen des deutschen Fernsehens wieder die Bühne geben, die sie verdienen. Das wird eine Preisverleihung für die Branche und fürs Publikum, für das wir das Fernsehen letztlich machen. Für diese Strategie gab es nicht nur Einigkeit im Stifterkreis, sondern gemeinsame Freude, den Deutschen Fernsehpreis wieder groß zu machen.



Jetzt ist der Stifterkreis ja unverändert geblieben. Die gleichen Parteien, die den Preis vor vier Jahren aus dem Fernsehen genommen haben, wollen jetzt wieder zurück. Woher der Sinneswandel?

Stephan Schäfer: Wir wollen die Stärke unserer Gattung und Branche gemeinsam zelebrieren. Zurückblickend müssen wir eingestehen: Ein Deutscher Fernsehpreis, der nicht im Fernsehen läuft - das ist merkwürdig. Im Stifterkreis haben wir gemeinsam rekapituliert und nach der Ausstrahlungspause herrschte Einigkeit, dass wir wieder eine Inszenierung haben möchten, die den kreativen Bestleistungen der Branche gerecht wird und auch eine Plattform für die Anerkennung junger Talente sein soll. Wir wollen jenen, die zum Kreativ-Boom deutscher Produktionen beigetragen haben, schließlich verdeutlichen: Wir wollen Euch feiern und freuen uns darauf.

Wolf Bauer: Es gibt ein gemeinsames Interesse der ganzen Branche, dass wir uns hinsichtlich der Anerkennungskultur für Spitzenleistungen im deutschen Fernsehen nochmal deutlich steigern. Wir sollten uns da durchaus an internationalen Vorbildern orientieren. Wir finden zum Beispiel, dass der BAFTA TV Award in Großbritannien ein sehr würdiger Preis ist, der Begehrlichkeiten weckt. Wer dort ausgezeichnet wird, weiß um die Bedeutung der Auszeichnung, weil man die hohe Wertschätzung der Branche für die BAFTAs kennt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich der Deutsche Fernsehpreis qualitativ weiter nach oben strecken und Ambitionen entwickeln. Dafür ist es unabdingbar, dass der Preis wieder live vor großem Publikum verliehen wird. Die Zuschauer geben uns jeden Tag vier Stunden ihrer Aufmerksamkeit und damit die Legitimation unserer Arbeit. Sie sind die wichtigsten Juroren, möchte ich sagen. Zumindest entscheidet das Publikum noch vor jeder Jury darüber, ob ein Programm ankommt oder nicht. Nie wurde so viel über ein immer vielfältiger werdendes Angebot an Fernsehen im weitesten Sinne gesprochen, egal ob über die großen fiktionalen Erzählungen, Unterhaltungsformate oder relevanten Informationssendungen und da wollen wir die Debatte des Publikums mit einer großen live übertragenen Verleihung spiegeln.

Der Fernsehpreis kommt also wieder ins Fernsehen. In welcher Form?

Stephan Schäfer: Der Deutsche Fernsehpreis kehrt wieder dahin zurück, wo er auch hingehört: Er wird an einem Samstagabend, natürlich um 20.15 Uhr und live ausgestrahlt. Dafür werden wir ein neues Konzept entwickeln, von dem wir glauben, dass es die Branche vor Ort in Köln und die Zuschauerinnen und Zuschauer zuhause begeistern wird.

Sie sprechen von einem neuen Konzept, daher die Nachfrage: Wer produziert die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2020?

Stephan Schäfer: Kimmig Entertainment hat den Deutschen Fernsehpreis mit den Stiftern aus dem Boden gestampft und 20 Jahre lang einen hervorragenden Job gemacht. Ich erlaube mir diese Aussage stellvertretend für den Stifterkreis, auch wenn ich selbst noch nicht so lange im Fernsehen zuhause bin. Für den Neustart des Deutschen Fernsehpreises als Live-Verleihung im kommenden Jahr haben wir uns aber für eine neue Produktionsfirma entschieden. Wir waren offen für neue Ideen und Riverside Entertainment hat uns mit dem vorgelegten Konzept überzeugt.

Jetzt haben Preisverleihungen natürlich ein gewisses Grundgerüst, das sich kaum variieren lässt. Können Sie kurz erklären, was neu ist an dem Konzept?

Stephan Schäfer: Sie haben Recht, die Mechanik einer Preisverleihung in eine attraktive Live-Show zu verpacken, ist anspruchsvoll. Wohlwissend, dass wir am 6. Juni nächsten Jahres ab 20.15 Uhr die Gesetze einer Preisverleihung nicht komplett außer Kraft setzen können, hat uns das vorgestellte Konzept dennoch mit neuen Ansätzen überrascht. Die Preisverleihung soll dynamischer, emotionaler und glamouröser werden und damit auch dem Publikum zuhause eine große aktionsgeladene Live-Show bieten.

Beim letzten Interview mit DWDL.de haben Sie, Herr Bauer, sich die Öffnung des Deutschen Fernsehpreises gegenüber neuen Marktteilnehmern gewünscht. Sehen das die Stifter ähnlich?

Wolf Bauer: Natürlich gibt es angesichts der wachsenden Aufmerksamkeit für die neuen Angebote auch das Bedürfnis, diese zu berücksichtigen. Wir haben gemeinsam die Perspektive des Zuschauers eingenommen, das sich in seiner Gesamtheit einem noch sehr vielfältiger gewordenen Angebot gegenüber sieht. Um zu beweisen, dass wir in Deutschland herausragende Kreative Programm-Macher haben, brauchte es nicht die Streaming-Plattformen. Ich sehe deren Verdienst aber darin, den Ehrgeiz und die Ambitionen bei einigen Marktteilnehmern und damit den Qualitätswettbewerb noch einmal angefeuert zu haben, und das begrüße ich.

Aber wie geht der Deutsche Fernsehpreis künftig mit Produktionen von Streaming-Diensten um?

Stephan Schäfer: Die Stifter haben beschlossen, eine eigene Kategorie für das „Beste Streaming-Programm“ ins Leben zu rufen, weil die einst geschaffenen Statuten des Deutschen Fernsehpreises die zu beobachtenden Leistungen eigentlich als Programme von Fernsehsendern definieren. Aber wir breiten die Arme aus und begrüßen die Leistungen der Streaming-Plattformen, die ja von der gleichen kreativen Community in Deutschland erschaffen werden, gleichgültig wo sie ausgestrahlt werden.

Wolf Bauer: Wie überall gibt es auch bei den neuen Programmanbietern Licht und Schatten. Es gibt aus meiner Sicht aber immer noch einen Unterschied zwischen den Programmleistungen auf den Streaming-Plattformen und dem, was große Sender anbieten. Die Meisterklasse kreativer Programmarbeit liegt doch immer noch darin, Millionen von Menschen mit einem gemeinsamen Programmerleben zu begeistern. Streaming-Plattformen schaffen oft sehr spitze Genre-Erzählungen, denken Sie an Dystopien oder History/Fantasy. Online-Videotheken adressieren häufig nur eine schmale Zielgruppe. Die Nischen werden zwar größer und wirken global. Ob ich sie aber im direkten Wettbewerb mit der Wirkungsmacht des linearen Fernsehens sehe? - da habe ich meine Zweifel. Ich begrüße aber entschieden den ersten Schritt, der jetzt getan wurde. Um das Thema ganzheitlich anzugehen, müsste man allerdings im Stifterkreis in Ruhe die Frage erörtern, ob man den Kreis jener, die diese Auszeichnung veranstalten nicht erweitern sollte.

Gibt es noch weitere Änderungen beim Deutschen Fernsehpreis?
 
Wolf Bauer: Wir haben seit zwei Jahren auch Sendervertreter in der Jury, weil sie ebenso Teil des kreativen Prozesses sind, der das deutsche Fernsehen formt, wie Produzenten, Regisseure, Autorinnen oder auch Kritiker. Es erschließt sich nicht, warum sie nicht mitdiskutieren sollen und tun das zur Bereicherung des Austauschs in den zahlreichen Jurysitzungen. Es lag uns aber sehr daran, dass wir die Unabhängigkeit der Entscheidung noch einmal in den Fokus rücken, und so haben die Stifter beschlossen, dass die Sendervertreter weiterhin mitarbeiten, aber bei der finalen Preisentscheidung nicht mitstimmen.

Die Goldene Kamera räumt nach einer letzten Verleihung im kommenden Jahr das Feld. Ist das auch eine Lücke, die die Stifter mit der Rückkehr des Fernsehpreises ins Fernsehen füllen wollen?

Stephan Schäfer: Ob eine andere Verleihung verschwindet ist für uns sekundär. Der Anspruch des Deutschen Fernsehpreises, gestiftet von den vier größten Sendern der deutschen Fernsehlandschaft, erschöpft sich nicht in einer Gelegenheit. Es ist die Überzeugung, für uns selbst - und mit uns ist die Branche gemeint - wieder eine ganz große Show auf die Beine zu stellen, gestützt von einer unabhängigen und diesmal besonders umfangreichen Juryarbeit unter dem erneuten Vorsitz von Wolf Bauer.

Herr Bauer, durch die Verschiebung vom Jahresanfang auf den Juni muss die Jury fast anderthalb Jahre Programm sichten. Sind Sie darauf vorbereitet?

(lacht) Ja, wobei ich mich schon verpflichtet hatte bevor die Details der kommenden live Verleihung bekannt wurden. Es ist sicher noch einmal ein deutlich höherer Zeitaufwand für die Sichtung aller Programme, der ich neben meinen Projekten als Produzent jede Woche mehrere Stunden widme. Aber ich bin erneut fasziniert in welcher Qualität und Vielfalt in Deutschland produziert wird. Dabei meine ich sowohl tolle neue Programmideen, gelungene Adaptionen wie auch die erfolgreiche Pflege etablierter Programme. Der hoffentlich streitbaren Auseinandersetzung über diese Angebote werden wir für den Deutschen Fernsehpreis 2020 so viele Jury-Sitzungen wie nie zuvor widmen. Und ich begrüße die Verlegung der Verleihung in den Juni, weil sich damit künftig die Gelegenheit ergibt, jeweils eine Saison zu betrachten und das Beste mit dem Deutschen Fernsehpreis zu krönen.
 
Herr Bauer, Herr Schäfer, herzlichen Dank für das Gespräch.