Jürgen Domian ist aufgeregt. Das spürt man in den ersten Minuten – doch verwunderlich ist es nicht, schließlich liegt seine letzte Sendung fast drei Jahre zurück. Hinzu kommt, dass er die Fragen in seiner neuen WDR-Show "Domian Live" vor Studiopublikum stellt und, wichtiger noch, seinen Gästen in die Augen blickt. Trotzdem dauert es nicht lange, bis sich der spätabendliche Talk vertraut anfühlt. Das liegt freilich zu allererst am Moderator selbst, der seine ehrliche Neugier auch nach all den Jahren nicht verloren hat.

Es liegt aber auch am Setting der Sendung, die von UME in einer Ecke der WDR-Kantine produziert wird und den Blick freigibt auf die Autos, die im Hintergrund durchs nächtliche Köln rauschen. Und dann sind da natürlich die Gäste, von deren Geschichten der 61-Jährige bis zur Begegnung in der Show nichts weiß. Das erhöht die Spannung für ihn und die Zuschauer gleichermaßen und macht "Domian Live" auf diese Weise ein Stück weit zur Wundertüte im Spätprogramm.

Thematisch macht "Domian Live" gewissermaßen dort weiter, wo "Domian" einst aufhörte. Gleich zu Beginn trifft der Talker auf einen Mann, der an einer seltenen Krankheit leidet. In seinem ganzen Körper bilden sich gutartige Tumore, erzählt er offen und spricht zugleich über persönliche Ängst und Beleidigungen, die er immer wieder über sich ergehen lassen muss. Wenig später berichtet eine Frau von den fast drei Jahrzehnten, die sie bei den Zeugen Jehovas verbrachte, und der Gewalt, der sie während ihrer Ehe ausgesetzt war.

Platz ist aber auch für eine ehemalige Straßenbahnfahrerin und ihre Sado-Maso-Erfahrungen sowie eine Frau, die sich einst in einem Autotank versteckte, um aus der DDR zu flüchten. Letzteres mag angesichts des Mauerfall-Jubiläums naheliegend gewesen sein, wirkte aber fast schon zu gewöhnlich – und doppelte sich noch dazu mit dem "Kölner Treff", der unmittelbar vor "Domian Live" ebenfalls mit einer Fluchtgeschichte aus der ehemaligen DDR endete.

Und so blieb die ganz große Überraschung bei der Premiere zunächst aus. Ebenso wie die angekündigte Beteiligung der Fernsehzuschauer, die eigentlich dazu aufgerufen waren, sich via Telefon oder Skype an den Gesprächen zu beteiligen. Wirklich gefehlt hat dieser interaktive Part allerdings nicht, weil dadurch mehr Raum blieb für intensive Eins-zu-Eins-Gespräche, die spürbar vom Vertrauen profitierten, das sich Jürgen Domian über mehr als 20 Jahre hinweg erarbeitet hat.

Manch einer scheint in Domian gar einen guten Freund zu wähnen. "Schön, dich wiederzusehen", sagt sein letzter Gast des Abends – ganz so, als sei man sich schon häufig über den Weg gelaufen. Vielleicht wäre sogar noch mehr Intensität drin gewesen, hätten der Moderator und seine Gäste noch etwas näher zusammengesessen. Das ist jedoch allenfalls ein kleines Detail. Entscheidender für das Gelingen der Show wird sein, ob sich die Menschen vor der Kamera ähnlich öffnen werden wie einst in der Anonymität des nächtlichen Telefontalks.

Nach nur einer Ausgabe lässt sich diese Frage freilich schwer beantworten. Sicher ist jedoch, dass Jürgen Domian dem Fernsehen gefehlt hat. Umso wünschenswertrer wäre es, würde der WDR ihm auch über die zunächst vier geplanten Ausgaben hinaus einen Sendeplatz einräumen. Denn wenn die mehr als 20.000 Gespräche, die Domian einst führte, eines zeigten: Es besteht kein Mangel an spannenden Geschichten.

"Domian Live" läuft freitags um 23:30 Uhr im WDR Fernsehen.