Austria-Update vom 21. Mai
ORF jubelt über den ESC-Sieg und fängt schon an zu rechnen
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Die finanziellen Sorgen des ORF sind groß, dennoch ist man fest entschlossen, den ESC 2026 auszutragen. Außerdem: Canal+ ist offenbar an der Bundesliga interessiert und der ORF-Redaktionsausschuss appelliert an die Bundesregierung.
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Österreichs Sieg beim Eurovision Song Contest (ESC) ist das dominierende Thema in den zurückliegenden Tagen gewesen. Tatsächlich standen die Chancen auf einen Sieg von JJ ja ziemlich gut, wie ein Blick auf die Wettquoten im Vorfeld der Show verraten hat. Der ORF wurde deshalb auch bereits im Vorfeld der Veranstaltung gefragt, was passieren würde, sollte Österreich tatsächlich gewinnen. Damals blockte der ORF noch alle Anfragen dazu ab, seit Samstagnacht kennt aber auch die Freude auf dem Wiener Küniglberg keine Grenzen mehr. Und gleich die wichtigste Nachricht vorab: Ja, der ESC findet 2026 in Österreich statt. Das machte die ORF-Führung bereits kurz nach JJ’s Sieg klar.
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Dass der ESC im Land des Vorjahressiegers ausgetragen wird, ist zwar eine gute Tradition, aber längst keine Selbstverständlichkeit, wenn man weiß, wie teuer diese Veranstaltung ist. Und so richteten sich in den Tagen nach Österreichs Sieg die Augen auf den ORF: Der öffentlich-rechtliche Sender muss, ähnlich wie ARD und ZDF, kräftig sparen. Die neue Regierung hatte den ORF-Beitrag gerade erst bis 2029 eingefroren, es wird also keine Anpassung an die Inflation geben. Deshalb muss der ORF 220 Millionen Euro sparen - zusätzlich zu einem ohnehin laufenden, 325 Millionen Euro schweren Sparpaket. Der ESC 2026 ist trotzdem nicht in Gefahr: "Die Arbeiten dafür beginnen ab sofort, die Freude auf dieses Event ebenso", erklärte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. "Wir werden den Song Contest stemmen", so Weißmann gegenüber der Nachrichtenagentur APA.
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Dennoch: Der ESC 2026 wird für den ORF ein finanzieller Kraftakt. Das weiß auch Weißmann, der von einer finanziellen Herausforderung spricht. Schon die Austragung des Musik-Wettbewerbs im Jahr 2015 hatte viele Millionen Euro gekostet - damals noch mit großzügiger Förderung der Stadt Wien. 2026 kommt noch hinzu, dass im ORF auch Kosten für die Fußball-WM und die Olympischen Winterspiele anfallen. ORF-Programmchefin Stefanie Groiss-Horowitz scherzte gegenüber der APA von einem Klingelbeutel, den man sich stricken werde. Man müsse alles zusammenkratzen, um den ESC 2026 über die Bühne zu bringen. Die österreichische Hauptstadt ist auch in jedem Fall jetzt wieder Favorit, wenn es darum geht, einen geeigneten Austragungsort zu finden. Mit Innsbruck, Oberwart und Wels meldeten aber auch schon andere Städte ihr Interesse an der Austragung an. Auch aus der Grazer Politik kamen Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die Stadt eine Bewerbung ernsthaft prüft.
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Der ESC am Samstag ist jedenfalls die mit Abstand meistgesehene Sendung/Übertragung der vergangenen Woche im gesamten österreichischen Fernsehen gewesen. So erreichte die Übertragung im Schnitt 896.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, der Marktanteil lag bei 46 Prozent. Als JJ in Basel auf der Bühne stand, lag die Reichweite nach ORF-Angaben sogar bei 1,3 Millionen. Bei der Punktevergabe sahen 731.000 Menschen zu, das ließ den Marktanteil auf 52 Prozent steigen. Bei der Entscheidung weit nach Mitternacht sahen 787.000 Menschen zu, damit waren für ORF 1 herausragende 63 Prozent drin. Bei den 12- bis 29-Jährigen erzielte der ORF Marktanteile jenseits der 70 Prozent, bei der Entscheidung waren es sogar 82 Prozent. Am Sonntag erzielte der Sender mit der Pressekonferenz von JJ in Wien und der Primetime-Doku "Mein Traum wird wahr" ebenfalls starke Quoten, die weit über dem Senderschnitt lagen.
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Unter der Überschrift "Weniger Journalismus ist keine Lösung" hat der ORF-Redaktionsausschuss an die Regierung appelliert, unabhängigen Journalismus im Land zu unterstützen. Dabei verwiesen die Journalistinnen und Journalisten darauf, dass Qualitätsjournalismus nicht nur in Österreich unter Druck sei. Der Redaktionsausschuss sagt, durch das Einfrieren des ORF-Beitrags sei ein "massiver Kahlschlag bei Programm und Personal" zu erwarten. "Zu glauben, Qualität und Quantität des Programms können mit deutlich weniger Geld und Personal aufrecht erhalten bleiben, geht völlig an der Realität vorbei", heißt es. Kritisiert wird außerdem die Gremienreform, die Bundesregierung hat künftig weniger Einfluss auf die Besetzung des Stiftungsrates. Dennoch habe die Politik weiterhin große Einflussmöglichkeiten. Zu befürchten sei eine parteipolitische Absicherung der Aufsichtsgremien des ORF, "wenn sich die Parteien weiterhin die – laut Verfassung – unabhängigen und weisungsfreien Mandate untereinander aufteilen und ihre Mehrheiten absichern". Daher appellieren die Journalisten an die Mitglieder des Stiftungsrates, ihre Pflicht zur Unabhängigkeit auch wirklich ernst zu nehmen.
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Nach den Rechten an Champions-, Europa- und Conference League will der Streamingdienst Canal+ jetzt offenbar mehr und schielt auch auf die Fußball Bundesliga. Wie die Tageszeitung "Der Standard" berichtet, hat das Unternehmen ein entsprechendes Angebot im laufenden Vergabeprozess gelegt. Kommentieren wollte Canal+ diese Meldung bislang noch nicht. Aktuell hält Sky einen Großteil der Ausstrahlungsrechte - und will diese wohl auch verlängern. Gut möglich also, dass es hier zu einem Wettbieten zwischen den beiden Anbietern kommt. Wann die Rechte final vergeben werden, ist unklar. Das Gebot von Canal+ unterstreicht aber deren Ambitionen in Österreich.
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Nach einem ersten Prozesstag im März ist ein österreichischer Verleger in der vergangenen Woche vor dem Landesgericht Klagenfurt wegen gefährlicher Drohung und Verleumdung zu einer Geldstrafe in Höhe von 96.000 Euro verurteilt worden, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Mann hatte einen Lehrling in einem Handyshop bedroht und zudem behauptet, von diesem Lehrling niedergeschlagen worden zu sein. Videoaufnahmen überführten den Verleger der Lüge. Der Mann wollte in dem Geschäft eigentlich seine Handyfolie gratis getauscht bekommen, der Lehrling lehnte das ab. Später verlor der junge Mann auf Initiative des Verlegers seinen Job. Der Richter kritisierte den Verleger nun unter anderem dafür, dass er kein echtes Geständnis abgelegt habe. Polizisten gaben vor Gericht an, dass der Verleger ihnen gegenüber mehrmals damit geprahlt habe, einer der reichsten Österreicher zu sein.
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Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch zieht in den ORF-Stiftungsrat. In den vergangenen Jahren saß er in den Aufsichtsgremien des ZDF, zuerst im Fernsehrat, zuletzt im Verwaltungsrat. Hier machte er unter anderem mit seinem Blog "Neues aus dem Fernsehrat" Schlagzeilen - ein ähnlich gelagertes Projekt für seine Arbeit im ORF ist bereits gestartet. In einem Interview mit dem "Standard" hat er einen ersten Einblick in das gegeben, wie er sich seine Arbeit vorstellt. So schließt Dobusch, von der SPÖ in das Gremium entsandt, aus, sich einem parteipolitischen Freundeskreis anzuschließen. Wie er sich die Vorbesprechungen vorstellt, hat er bereits hier gebloggt. Außerdem fordert Dobusch eine geheime Wahl, wenn es darum geht, dass der Stiftungsrat über den künftigen Generaldirektor bzw. Generaldirektorin entscheidet, aktuell läuft das im Stiftungsrat noch über eine offene Abstimmung. "Im Stiftungsrat gibt es vielleicht Menschen, die Nachteile befürchten müssen, wenn sie nicht mit anderen stimmen", sagt Dobusch jetzt. Außerdem gibt Dobusch in dem Interview eine ziemlich klare Einschätzung zum von der FPÖ entsandten Stiftungsrat Peter Westenthaler, der den ORF und einzelne Journalistinnen und Journalisten in den vergangenen Monaten immer wieder angegangen ist. "Das ist klar die Strategie von rechtsextremen Parteien in ganz Europa, FPÖ, AfD und Co: öffentlich-rechtliche Medien anzugreifen, als Gegner zu verstehen, zu diskreditieren und auf eigene Kanäle zu setzen, wo niemand kritisch nachfragt. Deshalb agiert Westenthaler so. Das macht er nicht in seiner Aufsichtstätigkeit, sondern als politischer Akteur."
Was noch zu sagen wäre…
"Der ORF veranstaltet bereits die erste Spendengala, um zu sammeln für diese große Veranstaltung. Das österreichische Team ist im Flixbus auf dem Weg nach Hause, um Reisekosten und Hotel zu sparen."
Barbara Schöneberger im Anschluss an Österreichs ESC-Sieg
ORF jubelt über den ESC-Sieg und fängt schon an zu rechnen
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