Freundlich, verbindlich aber als Persönlichkeit zunächst einmal gänzlich unauffällig - so man könnte Johann Wadephul ganz diplomatisch als… diplomatisch beschreiben. Wie passend für das Amt des Außenministers. Weniger passend für TikTok oder Instagram, wo der Kampf um Aufmerksamkeit auf wenige Sekunden reduziert ist und im Geschrei der Stimmen vermeintlich nur die lautesten, die extremsten ein Gehör finden. Wadephuls Account ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Dabei soll es beim Lob nicht um die Politik, sondern die gelungene Vermittlung eben dieser gehen. Darum kümmert sich eines der smartesten Social Media Teams des Jahres, für uns Bildschirmheldinnen und -helden 2025.

Der Auftritt ist strukturiert, mit mehreren wiederkehrenden Formaten. Neben den naheliegenden Erzählungen von Auslandsreisen, allerdings im Zeitraffer gemixt mit Popkultur der jeweiligen Destinationen, haben sich auch einige Rubriken entwickelt, wie sie manche gute Comedyshow pflegen würde - oder manch erfolglose gut gebrauchen könnte: „Ist russische Desinformation immer noch so verrückt?“ beispielsweise. Eigentlich geht es nur um winzige, wenige Sekunden lange Ausschnitte absurder russischer Propaganda, angemessen absurd inszeniert: Mit Anmoderation des Ministers („Herzlich willkommen bei unserer beliebten Rubrik ‚Ist russische Desinformation immer noch so verrückt?“), der gleichen Frage im Jingle und danach meist noch einmal vorgetragen mit einem befreundeten Diplomaten.

Oder „Wadefood“, die Snackcorner des Accounts: Auf seinen Auslandsreisen testet der Minister Snacks aus aller Welt. Taste Test eines Silver Surfers. Viele Videos widmen sich natürlich auch den Themen bzw. Anlässen seiner Reisen. Dabei jedoch nie länglicher Frontalunterricht der Marke Habeck. In Aufmachung, Schnitt, Storyline folgen die Botschaften dem Medium und der dort zu erreichenden Zielgruppe. Man bleibt auch bei ernsten Beiträgen den Gepflogenheiten des schnellen Social Media-Konsums treu - und nach Realpolitik taucht der Minister plötzlich als Tarot-Karten-Leger in einer an Astro TV angelehnten Aufmachung auf, um dem fiktiven Anrufer zu vergewissern, dass der Tag der offenen Tür im Ministerium tatsächlich für jeden offen sei.

Und sein Social Media Team schafft es, dem überdurchschnittlich jungen Publikum auf TikTok und Instagram einen Ü60-Boomer und ehemaligen Anwalt als Weltreisenden auf rastloser Mission zu präsentieren und dabei auf subtile Art und Weise Politik zu transportieren. Immer maximal weit entfernt vom Sprech einer Pressemitteilung. Genau genommen sogar oft entfernt von jedem Sprech: Hier wirken Bilder, Schnitte, Musik. Und ein Außenminister, der - wenn er zu Wort kommt - weder Jugendsprache versucht noch monologisiert. Er beweist in der an Eitelkeit reichen Spitzenpolitik eine bemerkenswerte Souveranität. Wadephul bleibt dabei Wadephul, spielt nicht; er lässt mit sich spielen. Und ist bei diesem Social Media Team in besten Händen.