Als Stefan Raab vor einem Jahr sein Comeback beim Eurovision Song Contest ankündigte, war das nur möglich, weil zwei Frauen den Daumen hoben. Und so saß der gerade frisch aus der TV-Rente zurückgekehrte Entertainer in Berlin umrahmt von ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und RTL-Content-Chefin Inga Leschek, die sich zuvor auf eine gemeinsame ESC-Mission zwischen ARD und RTL verständigt hatten – mit dem klaren Ziel, nach vielen ernüchternden Ergebnissen endlich wieder ein deutsches Erfolgserlebnis einfahren zu können.

Die Messlatte legte das Trio freilich hoch. "Ich mach' das nicht, weil ich Zweiter oder Dritter werden will", sagte Raab, dessen Aufgabe erklärtermaßen nicht darin bestand, selbst noch einmal die ESC-Bühne zu betreten, sondern nach talentierten Schützlingen Ausschau zu halten, die – wie einst Lena Meyer-Landrut – das Zeug zum Sieg mitbringen.

Gemessen an der Platzierung muss festgehalten werden: Geklappt hat das nicht. Nur Rang 15 belegte das Duo Abor & Tynna mit dem unkonventionellen Song "Baller" im Mai beim Eurovision Song Contest. Ein Misserfolg, den Stefan Raab am Morgen nach dem Finale von Basel auf seine Kappe nahm. "Das ESC-Finale ist die einzige Fernsehshow, deren Erfolg nicht an der Quote gemessen wird, sondern an der Platzierung. Und die Platzierung war leider nicht so gut, wie wir es erhofft hatten", räumte Raab ein.

Dass es das Trio Raab / Strobl / Leschek trotzdem in unsere diesjährige Bildschirmhelden-Riege schafft, liegt dann auch freilich weniger an der Platzierung selbst als am generellen Erfolg, den die ungewöhnliche Partnerschaft mit sich brachte. Tatsächlich gelang es in dieser speziellen Konstellation, eine lange nicht gesehene ESC-Euphorie in Deutschland zu entfachen. Und das weit vor dem eigentlichen Finale.

Möglich war das, indem Stefan Raab - aktuell bekanntlich nicht gerade erfolgsverwöhnt - dem Vorentscheid mit gleich drei Primetime-Shows bei RTL zu neuer Relevanz verhalf. Und versteckte die ARD den Vorentscheid in den vergangenen Jahren nur noch am späten Abend, so sorgte die von Raab Entertainment produzierte "Chefsache ESC" auf Anhieb für viel Aufmerksamkeit – noch dazu in Zielgruppen, die mit dem Eurovision zuletzt nicht allzu viel anfangen konnten. Der Lohn: Eine eindeutige Win-Win-Situation. Während sich RTL über mehr als 21 Prozent Marktanteil in der Spitze freuen durfte, legte die Entscheidungsshow im Ersten noch eine Schippe drauf und war so erfolgreich wie seit vielen Jahren nicht mehr.

Mit diesem Rückenwind gelang dann auch dem Eurovision Song Contest die höchste Reichweite seit 2016 – garniert mit traumhaften 64,3 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Trotz der ernüchternden Platzierung sprächen also einige Faktoren für eine Neuauflage der "Chefsache". Dass es dennoch erstmal nicht dazu kommen wird, dürfte auch mit schlechtem Timing zusammenhängen, denn nach Jahrzehnten wechselt die Zuständigkeit innerhalb der ARD vom NDR zum SWR, der 2026 lieber eigene Wege beim Vorentscheidung beschreiten möchte.

Die Messlatte, die Stefan Raab, Christine Strobl und Inga Leschek mit der ungewöhnlichen Kooperation gelegt haben, ist freilich hoch. Und ganz so schlecht wie es die Platzierung nahelegt, kam übrigens auch der Song von Abor & Tynna nicht an: In 26 Ländern hat es "Baller" in die Daily Charts von Spotify geschafft – mehr als jeder andere Song des ESC-Jahrgangs. Man darf also gespannt sein, was unter der neuen Federführung möglich sein wird. Die Messlatte liegt hoch.