Zu Beginn zogen die ITV-Programme viel Kritik auf sich: Mit billig produzierten Talk- und Gameshows sowie reichlich US-Einkaufsware holten sie zwar hohe Einschaltquoten, bestätigten aber zugleich die Befürchtungen derjenigen, die im Vorfeld vor den Qualitätseinbußen durch die Kommerzialisierung des Fernsehens gewarnt hatten. Anfang der 60er Jahre beschäftigte dieses Thema sogar das britische Parlament. Ob nun durch eigene Einsicht oder durch die im Raum stehende Drohung einer Nicht-Verlängerung der nur zeitlich befristeten Sendelizenzen: Die ITV-Sender schraubten an der Qualität ihrer Programme. So schuf beispielsweise der ITV-Lizenznehmer Granada 1960 mit der „Coronation Street“ eine auf Sozialrealismus bedachte Variante der Soap Opera, welche über die kommenden Jahrzehnte hinweg gleichermaßen für sensationelle Einschaltquoten als auch für Fernsehpreise gut war. ITV-Serien wie „The Prisoner“ („Nummer 6“), „The Avengers“ („Mit Schirm, Charme und Melone“) und „The Professionals“ („Die Profis“) wurden zu Welterfolgen. Und in dieser Reihe darf natürlich auch „Mr. Bean“ nicht fehlen.

Zu strukturellen Veränderungen kam es bei ITV erst ab 1990 mit der Verabschiedung eines neuen,  auf Liberalisierung und Deregulierung bedachten Mediengesetzes, welches die Cross-Ownership-Beschränkung aufhob: Lizenznehmer konnten damit erstmals mehr als einen Regionalsender betreiben, was umgehend einen Konsolidierungsprozess in Gang setzte. Durch Aufkäufe und Fusionen entstand so bis 2004 ein vereinigtes Unternehmen, die ITV plc, wodurch nunmehr – mit Ausnahme einzelner Regionalfenster – de facto ein landesweit einheitliches Programm gesendet wird. Einzig die Lizenznehmer für Schottland (STV) und Nordirland (UTV) sind als nennenswerte unabhängige Betreiber übrig geblieben, welche ihr Programm allerdings meist eng mit dem „Kern-ITV“ verzahnen.

Der Umbau des Senders ist damit allerdings noch keineswegs beendet. 2010 gab der damals neu ins Amt gekommene Geschäftsführer Adam Crozier einen sehr ehrgeizigen, auf fünf Jahre angelegten „Transformation Plan“ aus, dessen Stoßrichtung vor allem darin besteht, die Abhängigkeit von der Werbefinanzierung zu reduzieren. ITV hatte zu diesem Zeitpunkt gerade die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Werbemarkt zu spüren bekommen – und ein Millionendefizit angehäuft. Auf diesem Hintergrund gab der neue Chef als Marschroute vor, dass ITV künftig nur noch zu 50 Prozent über Werbeeinnahmen finanziert werden solle. Für die andere Hälfte müssten alternative Einnahmequellen aufgetan werden.

Crozier setzt dabei vor allem auf die Vermarktung eigener Inhalte. Dadurch, dass die Granada ihren eigenen, bereits international aufgestellten Produktionsarm in die ITV-Fusion mit eingebracht hat, befindet sich der Sender schließlich in der luxoriösen Position, Inhalte nicht nur zu verbreiten, sondern über das eigene Schwesterstudio selbst herzustellen – und damit zu besitzen. Die Konstellation ist der Situation im US-Fernsehen nicht unähnlich, wo sämtliche großen Networks eng mit mindestens einem konzerneigenen Produktionsstudio verbandelt sind (zum Beispiel ABC und ABC Studios). Analog dazu hat sich auch der Produktionszweig der Granada ab 2009 sukzessive in ITV Studios umbenannt.

ITV Studios produziert nicht nur für die eigene Senderschwester, sondern auch für BBC und Channel 4. Daneben werden Inhalte auch an Sky sowie an neue digitale Plattformen wie Netflix und Lovefilm weiterlizenziert. Einen immer größer werdenden Stellenwert nimmt darüber hinaus, wie die eingangs zitierten Meldungen zeigen, auch das internationale Geschäft ein. So trat ITV Studios beispielsweise selbst als Ko-Produzent der (wenn auch kurzlebigen) US-Adaption von „Prime Suspect“ bei NBC auf.

Die unabhängigen TV-Produzenten in Großbritannien sehen den Fokus, den ITV auf In-House-Produktionen legt, naturgemäß mit großer Sorge. Trotzdem hat die Strategie, die – zumindest wenn man die jüngsten Quartalszahlen zum Maßstab nimmt – offenbar schon erste Früchte trägt, auch etwas Beruhigendes: Denn sie zeigt, dass gerade in einer globalisierten und digitalisierten Medienwelt der Schlüssel zum Erfolg mehr denn je in der Fähigkeit liegt, attraktive Inhalte anzubieten.