Das britische Fernsehen ist für seine Historiendramen bekannt – angefangen bei den obligatorischen Austen- und Dickens-Verfilmungen bis hin zu „Das Haus am Eaton Place“ und aktuell natürlich „Downton Abbey“. Trotzdem ist der Erfolg, den BBC One mit seiner neuen Dramaserie „Call the Midwife“ Anfang des Jahres zu verzeichnen hatte, in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Mit durchschnittlich 8,68 Millionen Zuschauern in den Overnight Ratings (29,6 Prozent Marktanteil) und bis zu 11,41 Millionen Zuschauern in den Final Ratings (unter Berücksichtigung des zeitversetzten Fernsehens) ist die Produktion der erfolgreichste Neustart einer Dramaserie auf BBC One seit mehr als einem Jahrzehnt.

Legt man die Final Ratings zu Grunde, so war im Verlauf der ersten Staffel ein nahezu linearer Anstieg zu beobachten: Von Folge zu Folge schalteten mehr und mehr Zuschauer ein. Ein sicheres Zeichen für positive Mundpropaganda. Den Zuschauern gefiel, was sie da sahen – und das ließen sie andere wissen, egal ob im persönlichen Gespräch oder via Social Media.Nach nur zwei Episoden gab die BBC die Verlängerung der Serie für eine weitere Staffel bekannt – und legte schließlich sogar noch ein Weihnachtsspecial oben drauf, womit die Serie gleich in ihrem ersten Jahr in den erlauchten Kreis von „Doctor Who“ und „EastEnders“ aufsteigt, welche regelmäßig am ersten Weihnachtsfeiertag – in Großbritannien traditionell einer der fernsehintensivsten Abende des Jahres – mit aufwendig produzierten Spezialfolgen auf Sendung gehen.

Der große Erfolg auf dem heimischen Markt hat auch umgehend ein beträchtliches internationales Interesse hervorgerufen. „Call the Midwife“ ist bislang unter anderem nach Australien, Schweden, Norwegen, Finnland und Spanien verkauft worden. Ende September startet die Serie auf dem US-Sender PBS. Darüber hinaus hat sich in den Vereinigten Staaten die Online-Videothek Netflix die Video-on-Demand-Rechte gesichert. Weitere VoD-Deals in anderen Ländern werden laut Vertriebsfirma BBC Woldwide derzeit verhandelt. In Neuseeland, wo „Call the Midwife“ bereits im Fernsehen gezeigt wurde, konnte die Serie bei ihrer Premiere einen Marktanteil von 35 Prozent erzielen – und lag damit 20 Prozent über dem Sendeplatz-Schnitt.

Was einen aus deutscher Sicht ein wenig an diesem enormen Erfolg verblüffen kann: In ihren Grundzügen ähnelt „Call the Midwife“ einem langjährigen deutschen Serien-Hit. Die Serie dreht sich nämlich um eine Gruppe von Hebammen, die – teils Nonnen, teils Krankenschwestern – in einem Konvent gemeinsam leben und arbeiten. Die Grundkonstellation ist damit also gar nicht mal so verschieden von der ARD-Familienserie „Um Himmels Willen“. Hüben wie drüben stehen pro Folge jeweils ein oder zwei Mitglieder der Gemeinde als Fälle-der-Woche im Mittelpunkt.

Und tatsächlich ähneln sich sogar manche Figuren: Sister Evangelina (Pam Ferris) grantelt ebenso wie Schwester Felicitas (Karin Gregorek), während Schwester Hildegard (Andrea Sihler) sogar einschließlich der Brille ihre Entsprechung in Sister Bernadette (Laura Main) findet. Die Zuneigung, welche Hausmeister Fred (Cliff Parisi) seinem (eigentlich zum Zweck der späteren Schlachtung erworbenen) Schwein entgegenbringt, könnte einen unterdessen durchaus an Bürgermeister Wöller (Fritz Wepper) und dessen Kätzchen Mausi erinnern.