Langsam steigt das Emmy-Fieber. Einmal im Jahr feiert sich das US-amerikanische Fernsehen so groß, wie wir in Deutschland nur davon träumen können. Die Primetime Emmy Awards sind weit mehr als nur eine Fernsehshow, in der die Besten der Besten geehrt werden - es sind gleich zwei. Dazu veranstalten TV-Sender, Produktionsfirmen und Fachmedien eine Woche lang zahlreiche Empfänge, Partys und Vorträge.

Was der Film-Welt die Oscars sind, sind der Fernsehbranche ihre Emmys. Zwei Veranstaltungen, die in den USA auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Doch was macht den US-amerikanischen Fernsehpreis so besonders? Ist es einfach nur die pure Größe des US-Marktes? Oder die auch in Europa ausgeprägte Verehrung mancher Kultserien von amerikanischen Pay- und Kabelsendern? Nein, die Emmys lehren auch uns als Branchenbeobachter Jahr für Jahr, wie völlig anders sich die amerikanische Fernsehbranche präsentiert und selbst versteht.

Fünf Gründe, die diese Ehrung der Besten mit Bedeutung auflädt


Seit 2010 ist das Medienmagazin DWDL.de exklusiv als einziges deutsches Medium vor Ort und berichtet live von einem Event, von dem wir in Deutschland viel lernen könnten. Die gesammelten Erkenntnisse der vergangenen Jahre lassen sich leicht zusammenfassen - in fünf Gründen, die diese Ehrung der Besten mit einer Bedeutung auflädt, wie es keine Auszeichnung der deutschen Fernsehbranche schafft.

Naheliegend und weitgehend bekannt ist der vermutlich relevanteste Unterschied zwischen dem Primetime Emmys und beispielsweise dem Deutschen Fernsehpreis: Statt einer Jury entscheiden in den USA die Mitglieder der Academy of Television Arts & Sciences, einem traditionsreichen Verband für Fernsehschaffende jeden Handwerks, zunächst über die Nominierungen und dann noch einmal über die Gewinner. Ohne die Fachkompetenz von sorgfältig besetzten Jurys schmälern zu wollen: Die Meinung tausender Fernsehschaffenden verleiht den Emmys ein völlig anderes Gewicht. Die Preisvergabe auf so einer breiten Basis ist gleichzeitig weitgehend frei von Kritik.

Die Emmys sind fast das ganze Jahr über im Bewusstsein der Branche

Aus diesem Modus ergibt sich ein weiterer Unterschied: Die Emmys sind fast das ganze Jahr über im Bewusstsein der Branche. Dabei helfen auch eigene Verleihungen für einzelne Bereich des Fernsehens, etwa Daytime-Programme, Sport oder Information. Aber auch das Highlight des TV-Jahres, die Verleihung der Primetime Emmys, wirft ihren Schatten schon weit voraus. Mehrere Monate sogar. Denn während Nominierungs- und Abstimmungsphase wirbt die Branche um die Gunst der Branche: Mit Screenings, Events und Kampagnen, die die Academy-Mitglieder überzeugen sollen.

Und die können dann, ein weiterer Vorteil gegenüber deutschen Auszeichnungen, detailliert alle künstlerischen, technischen, persönlichen und Team-Leistungen auszeichnen. Die Emmys strotzen nur so vor Kategorien, die das gesamte Spektrum der Branche abdecken. Das ist inzwischen so umfassend, dass neben der Live-Show mit den Königskategorien der Großteil der Emmys bereits im Vorfeld im Rahmen der sogenannten Creative Arts Emmys verliehen wird.

Diese Lösung hat sich über die Jahre entwickelt, so dass die große Live-Show, die in diesem Jahr am Sonntag, den 22. September stattfindet, das sein kann, was sie sein soll: Eine große Show, eine möglichst kurzweilige Preisverleihung. Natürlich hagelt es auch bei den Emmys immer mal wieder Kritik an der Gestaltung der Award-Show, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Die Mühe und Kreativität, die in der Produktion der Primetime Emmy Awards steckt, stellt alle Anstrengungen in Deutschland in den Schatten - mit kreativen Einspieler und Einlagen, wie sie der Deutsche Fernsehpreis erst zögerhaft für sich entdeckt.

Das alles ergibt in Summe den entscheidenden, fünften Unterschied: Die Verleihung der Primetime Emmy Awards, die in diesem Jahr bereits zum 65. Mal verliehen werden, werden nicht nur innerhalb der Branche enorm wertgeschätzt. Auch das amerikanische TV-Publikum trägt die Verleihung, fiebert mit und lädt die Bedeutung der Emmys weiter auf. Was für ein Unterschied zu unserem Fernsehpreis. Bei uns erlebt die noch junge und in Theorie ehrenwerte Deutsche Akademie für Fernsehen seit zwei Jahren wie schwer es ist, eine Akademie zu gründen, die der Academy of Television Arts & Sciences ähnelt.

11 Monate im Jahr ist der Deutsche Fernsehpreis tot; wird nur kurz aus der Mottenkiste geholt

Dabei würde es für den Anfang schon reichen, wenn der Deutsche Fernsehpreis von den Beteiligten mehr Wertschätzung erfahren würde. Doch ARD, ZDF, RTL und Sat.1 - die vier Stifter der Verleihung, die am 2. Oktober wieder in Köln stattfindet - begreifen die Verleihung zu Ehren der Besten im deutschen Fernsehen leider nur als eine einmal jährliche Fernsehshow. 11 Monate im Jahr ist der Deutsche Fernsehpreis de facto tot, wird stets nur kurz aus der Mottenkiste geholt. Man spürt trotz zahlreicher Ideen keine Lust, mehr aus ihm zu machen. Die turnusmäßig wechselnde Ausstrahlung scheint Last, nicht Ehre zu sein. Pflicht statt Kür. Wo bleibt die Freude, die Begeisterung und Überzeugung?

Das ständige Sekretariat und die geschätzte Jury kann sich da noch so anstrengen: Solange die Stifter so herzlos mit dem Preis umgehen und ihm auch in diesem Jahr mit gezielter Gegenprogrammierung erneut mutwillig schaden wollten, kann man nicht mehr Wertschätzung erwarten. Die demonstrative Unlust der Stifter des Deutschen Fernsehpreis macht deutlich: Zwischen unserem Fernsehpreis und den US-amerikanischen Primetime Emmys liegt so viel mehr als nur 9.000km Entfernung.