Nachdem "The Bear" schon bei den 75. Primetime Emmys, die mit etwas Verspätung Anfang des Jahres vergeben worden waren, der große Abräumer war, geht die Dramedy auch diesmal als haushoher Favorit ins Rennen. Das wird schon allein bei der Zahl der Nominierungen deutlich: Insgesamt 23 sind es in diesem Jahr, noch nie konnte eine in der Sparte nominierte Produktion eine solch hohe Zahl verbuchen. Gerissen wurde dadurch die Bestmarke von "30 Rock" aus dem Jahr 2009, wo 22 Nominierungen auf dem Papier standen. Und zum Vergleich: bei den letzten Emmys bekam "The Bear" mit 13 Nominierungen zehn weniger. Nun also dreiundzwanzig, All-Time-Record, Ausrufezeichen.
Und diese Favoritenrolle konnte "The Bear" bei den Creative Arts Emmys am vergangenen Wochenende noch unterstreichen: Sieben Preise räumte die Produktion von Christopher Storer hier bereits ab, darunter der häufig wegweisende für das beste Casting, sowie die beiden für den besten Gastauftritte. So konnten sich Jamie Lee Curtis und Jon Bernthal gegen die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchsetzen, mit zwei Preisen folgt erst mit weitem Abstand "Only Murders in the Building", das in zwei Musik-Kategorien erfolgreich war.
Nun steht also noch die TV-Gala an. Kurzer Rückblick aufs vergangene Jahr: Damals ging "The Bear" nach dem Abend mit sechs von sechs damals möglichen Preisen Preisen heim. Bestes Drehbuch, beste Regie, bester Hauptdarsteller, beste Nebendarstellerin, bester Nebendarsteller und natürlich beste Comedy. Dieses Mal locken sogar sieben Preise, gleichzeitig das Maximum, denn neben allen genannten Kategorien ist nun auch eine Nominierung für die beste Hauptdarstellerin dabei. Durch Doppelnominierungen in den Kategorien für die beste Regie und den besten männlichen Nebenpart, geht "The Bear" sogar mit neun Nominierungen in den letzten Emmy-Abend.
Nicht nur Vorjahressieger und Timothée-Chalamet-/Armand-Duplantis-Verschnitt Jeremy Allen White bekommt für seine Rolle als Küchenchef Carmen "Carmy" Berzatto erneut die Chance nach einer Emmy zu greifen. Ebon Moss-Bachrach (Richard "Richie" Jerimovich, oder auch einfach "Cousin") versucht seinen Preis gegen seinen Küchenkollegen Marcus (gespielt von Lionel Boyce) zu verteidigen - und dann wäre da noch Ayo Edebiri als Sydney "Syd" Adamu, die bei der letzten Gala den Preis für die beste Nebendarstellerin bekam und nun in der Hauptkategorie vertreten ist. In der Nebenkategorie wurde Platz frei für Liza Colón-Zayas, die die Küchenkraft Tina mimt.
"The sky is the limit", oder aber "The Bear" greift nach den Sternen. Und das nicht nur bei den Emmys. In der nun nominierten zweiten Staffel - der inzwischen schon veröffentlichte Drittling fiel nicht in den entsprechenden Nominierungszeitraum und wäre erst kommendes Jahr auszeichnungsfähig - erfolgt in der Serie ein Neustart. "The Original Beef of Chicagoland" ist Geschichte und soll dem neuen Konzept des Restaurants mit dem neuen Namen "The Bear" weichen, das Carmy und Syd zusammen ausbaldowern. Der Laden soll ein Publikumsmagnet mit hochklassigen Speisen und erstklassigem Service in Chicago werden. "Lass uns nach den Sternen greifen", meint Syd - und damit meint sie vor allem den Michelin-Stern als Auszeichnung in der Gourmetküche. Allerdings gibt es ein nicht gerade kleines Problem, denn trotz des überraschenden Geldsegens aus den Tomatendosen der Auftaktstaffel fehlt eine große Summe, die für die umfangreichen Investitionen notwendig wäre. "Onkel" Jimmy lässt sich auf einen Deal ein, der vorsieht, dass sie weiteres, von ihm geliehenes Geld innerhalb von 18 Monaten zurückzahlen müssen - oder Grundstück und Immobilie gehen an ihn über. So die Prämisse von Staffel 2.
Übertroffen wurde "The Bear" von FX im Gesamtranking mit 25 Nominierungen übrigens nur von "Shõgun", welches ebenfalls bei FX läuft und bei den Handwerkskategorien ebenfalls überzeugen konnte. Schon jetzt ist das Preiskonto des zu Disney gehörenden Pay-TV-Senders also prall gefüllt - und selbst wenn "The Bear" wider Erwarten am letzten Emmy-Abend enttäuschen sollte, gibt es zwei weitere, heiße Anwärterinnen, die am Ende des Tages ebenso wie "The Bear" aus dem Disney-Universum stammen. Besonders ist dabei, dass die Mockumentary "Abbott Elementary" von und mit Quinta Brunson wie schon die letzten beiden Male die einzige Comedy ist, die von einem Network kommt, in dem Fall ABC. Dabei war die Comedy-Kategorie einst eine Domäne der Networks. Mit sieben Nominierungen ist die Produktion über die öffentliche Grundschule in Philadelphia sogar Jägerin Nummer eins, sie kann die Nominierungen jedoch nur in sechs Siege ummünzen, womit sie nicht das Maximum wie "The Bear" erreichen kann. Und auch hinter "Only Murders in the Building" blitzen am Ende des Streamingdienstes Mausohren hervor. Die Crime-Comedy bekam sechs Nominierungen, allerdings konkurrieren Steve Martin (Charles-Haden Savage) und Martin Short (Oliver Putnam) als beste Hauptdarsteller miteinander, so dass die Serie über True-Crime maximal noch auf fünf weitere Emmys kommen kann.
Bereits bei der letzten Gala konnte sich Quinta Brunson mit ihrer Rolle als engagierte, gutherzige, aus Sicht des Kollegiums jedoch als eher übermotiviert wahrgenommene Lehrerin Janine Teagues in der Kategorie der besten Hauptdarstellerin durchsetzen. Neben Janelle James (Ava Coleman) und Sheryl Lee Ralph (Barbara Howard), die beide eine Nominierung für die beste Nebenrolle bekamen und Tyler James Williams (Gregory Eddie), dessen Name in den Ring für den besten Nebendarsteller geworfen wurde, bekam auch Quinta Brunson wieder eine. Obwohl das Schulamt ihre Janine Teagues in der dritten Staffel aufgrund ihrer fortschrittlichen Ideen mit einem Stipendium abwirbt und sie dadurch weniger an der "Abbott Elementary" lehrt, ist das Licht dennoch hauptsächlich auf sie gerichtet. Ergänzt werden die Nominierungen noch um die beste Regie und das beste Drehbuch.
Etwas gegen die Titelverteidigung einzuwenden hat wohl Selena Gomez. Für ihre Rolle als Mabel Mora in "Only Murders in the Building", die zusammen mit Oliver Putnam (Short) und Charles-Haden Savage (Martin) erneut einen Mord aufzuklären und darüber zu podcasten hat, erhielt sie nun ihre erste Nominierung für die Hulu-Produktion als Darstellerin überhaupt. Und auch wenn es zunächst nicht so erscheint, der Titel es aber so will, ereignet sich das Unglück dann doch wieder im Wohnkomplex Arconia, dem "Building" aus dem Titel "Only Murders in the Building". Oscarpreisträgerin Meryl Streep steht auf der Liste für die beste Nebenrolle, ebenso wie Paul Rudd. Beide begegnen sich in der nun nominierten, dritten Staffel auf der Bühne des Goosebury Theaters am Broadway, NYC. Dort versucht Oliver Putnam (Martin Short) mit seinem neuen Stück "Todesrasseln" seinen durch den uralten Misserfolg "Splash" ruinierten Ruf wieder herzustellen. Und dann ist da ja noch der Mord, der die zwei älteren Männer und die jüngere Mabel miteinander verbindet.
Eine Nominierung weniger, dafür aber gleich viele Möglichkeiten wie "OMITB", hat "Hacks": fünf Nominierungen und das ohne, dass sich irgendwer in einer Kategorie in die Quere kommt. Nachdem sich die Wege von Deborah Vance (Jean Smart) und Ava Daniels (Hannah Einbinder) zum Ende der zweiten Staffel trennten, oder besser gesagt die Verbindung von einer Person überraschend aufgekündigt wurde, kann man die Comedienne Vance in der nominierten dritten Staffel noch auf der Stand-up-Special bedingten Welle des Erfolgs reiten sehen. Ihre Comedy-Autorin kehrt nach Los Angeles zurück und kämpft dort um jeden Job: die Highs and Lows der Unterhaltungsbranche in zwei Personen. Nominiert ist Jean Smart als Hauptdarstellerin und Hannah Einbinder als Nebendarstellerin. Ergänzt wird das schauspielerische Können durch Paul W. Downs (spielt Jimmy Lusaque Jr.) für die beste Nebenrolle, der zu den bereits oben Genannten stößt. Vervollständigt wird der Reigen übrigens von Bowen Yang ("Saturday Night Live"). Darüber hinaus gab es für "Hacks" noch eine Nominierung für die beste Regie.
Weiter abgeschlagen kommt der einzige Neuzugang "Palm Royale" von Apple TV+ mit drei Nominierungen, die beiden FX-Comedys "What We Do In The Shadows" (morbide Vampir-Mockumentary, drei Nominierungen) und "Reservation Dogs" (Coming-of-Age über eine Native-Americans-Clique, zwei Nominierungen), an denen Taika Waititi beteiligt ist, sowie die für die zwölfte Staffel nominierte Larry-David-Show "Curb Your Enthusiasm" von HBO, die zusätzlich zur Nominierung als beste Comedy auch noch eine für Larry David selbst bekam. Noch nie konnte er den Preis für seine Rolle als mehr oder weniger fiktionalisierte Version von sich selbst gewinnen und es könnte - so die von ihm beförderten Gerüchte stimmen - auch die letzte Chance sein, denn das Vorbild von "Pastewka" mit dem unrunden deutschen Titel "Lass es Larry!" wird wohl mit der zwölften Staffel final-final enden.
Neben Zyniker Larry David, treten der genannte Vorjahresgewinner Jeremy Allen White, sowie Steve Martin und Martin Short an. Komplettiert wird die Runde durch Matt Berry ("What We Do In The Shadows") und D'Pharaoh Woon-A-Tai ("Reservation Dogs"). Bei den Damen verteidigt wie erwähnt Quinta Brunson ihren Titel und bekommt den Atmen von Selena Gomez, Ayo Edebiri, Jean Smart (gewann 2022), Maya Rudolph ("Loot"/"Reich!") und Kristen Wiig für ihre Präsentation als Maxine Simmons in "Palm Royale" zu spüren. Dort reist der Apfelkonzern in die 1970er Jahre und lässt die Figur in die High Society eines elitären Clubs in Palm Beach, Florida, eintauchen. Doch das versteht sich eher als ein Reinmogeln, denn Simmons ist verschuldet und eigentlich auf das große Geld von der vermögenden Tante ihres Mannes angewiesen, die im Sterben liegt, aber nicht sterben will. Gespielt wird besagte Tante Norma Dellacorte von Carol Burnett, die ebenfalls eine Nominierung für die beste Nebenrolle bekam, womit sie das Feld komplettiert.
Mit "The Bear", "Abbott Elementary", "Only Murders in the Building", "What We Do in the Shadows" und "Reservation Dogs" entstammen fünf der acht nominierten Comedys - und damit mehr als die Hälfte - zwar nicht ein- und demselben Sender/Streamingdienst, jedoch gehören FX, ABC und Hulu bekanntlich allesamt zu Disney. Es scheint also auch ein Kampf Disney gegen den Rest, sprich HBO und Apple TV+. Ob "The Bear" ein weiteres Mal abräumen wird, muss sich noch zeigen. Wenn man jedoch bedenkt, dass die Televison Academy durchaus eine Vorliebe für Siegesserien hat, könnte mit der ersten Auszeichnungen Anfang des Jahres der Grundstein von etwas Großem gelegt worden sein, was nach Fortsetzung verlangt. Man blicke nochmals in die Geschichte: mit fünf Siegen in Folge bei "Frasier" (1994-1998), drei Auszeichnungen ohne Pause bei "30 Rock" (2007-2009) und fünf erfolgreichen Teilnahmen hintereinander bei "Modern Family" (2010-2014), um nur ein paar Dauergewinner zu nennen, wäre ein Sieg in der Kategorie der besten Comedy-Serie zumindest nicht überraschend. Dass das Maximum an Nominierungen ein gutes Omen für die spätere Auszeichnung werden kann, bestätigte ja auch "30 Rock" vor 15 Jahren...
Die Verleihung der Emmys ist aufgrund der Zeitverschiebung hierzulande zu nächtlicher Stunde zu sehen. Magenta TV überträgt die Verleihung in der Nacht vom 15. auf den 16. September ab 2 Uhr live auf #dabeiTV, zuvor gibt's ab 0:30 Uhr schon Vorberichterstattung und Bilder vom Roten Teppich.