Man erinnere sich noch ans Jahr 2019, als es kurzzeitig den Plan gab, beim Deutschen Fernsehpreis eine Kategorie fürs "Beste Streaming-Programm" zu schaffen. Die Stifter haben sich schnell eines besseren besonnen - und das ist auch gut so, schließlich lassen sich die beiden Welten schon bei den alteingesessenen Medienhäusern längst nicht mehr gänzlich trennen - und die Menge an herausragendem Programm, das bei klassischen Streamern oder zuerst in Mediatheken lief, nimmt stetig zu.

Das zeigt sich auch darin, dass in diesem Jahr in allen Kategorien soviele Streaming-Produktionen wie nie nominiert wurden. Die Netflix-Serie "The Billion Dollar Code" führt mit fünf Nominierungen gleichauf mit der Sky-Serie "Der Pass" sogar die Liste der meistnominierten Produktionen an, Netflix ist daneben auch mit "Gladbeck" und "Shiny_Flakes" im Rennen, RTL+ ist mit  "Das weiße Schweigen", "Faking Hitler", "Ferdinand von Schirach - Glauben" und "MSV - Mein herz schlägt numa hier" dabei, mit "Oh Hell" und "Herr Raue reist" sind zwei Magenta TV-Produktionen nominiert, Amazon kann mit "LOL" auf eine Auszeichnung hoffen.

Wolf Bauer © UFA Juryvorsitzender Wolf Bauer
Die Streaming-Konkurrenz hat dem Fernsehen jedenfalls insgesamt Beine gemacht, meint der Jury-Vorsitzende Wolf Bauer, der sich insgesamt ziemlich zufrieden zum Programmjahr äußert: "Die Programmarbeit scheint insgesamt mutiger, vielfältiger und gegenwärtiger zu werden. Der zunehmende Verlust an linearer Nutzung insbesondere bei den jüngeren Zielgruppen führt auch bei den etablierten Sendern zur Suche nach jungen ‚spontanen’ Formaten. Insgesamt zeigt sich auch in der Mitte des Fernsehens mehr Mut zum Experimentieren, der wachsende Wettbewerb beschert dem Publikum neue Ideen und frische Gesichter in allen Programmfeldern. Wir leben in herausfordernden Zeiten, die uns ein neues Denken und Handeln abverlangen, und dies spiegelt sich ohne Frage auch im Fernsehschaffen wider."

Im Bereich der Fiktion sieht Bauer "ein breites Spektrum an Themen und Formen": "Produktionen, die einen neuen und schlüssigen Blick auf historische Ereignisse werfen, sorgten hier ebenso für Aufsehen wie die fiktionale Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten und politischen Prozesse." Der Informationsbereich sei "stark von den aktuellen Ereignissen seit dem Beginn des Ukraine-Krieges geprägt", was sich vor allem in der Nominierung von zwei Reporterinnen und einem Reporter niederschlägt. In der Unterhaltung konstatiert Bauer unterdessen, dass sich "Veränderungen unserer Gesellschaft" widerspiegeln würden, so seien etwa die Diversitätsdebatte und queere Themen sehr präsent.

Die Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis 2022

Doch wer darf nun konkret auf Auszeichnungen hoffen? Im maßgeblichen Vergleich der Werkkategorien nach Sendergruppen führt das ZDF mit 13 Nennungen, gefolgt von der ARD mit zehn Nennungen, sowie RTL Deutschland mit sieben und RTLzwei sowie ProSiebenSat.1 mit jeweils zwei Nennungen. Ebenfalls jeweils zwei Nennungen gehen an MagentaTV und Netflix, sowie je eine Nominierung an Amazon Prime und Sky.  Bezieht man auch die Personen-Kategorien mit ein, dann liegt das ZDF mit 25 vor der ARD mit 24 Nennungen. RTL Deutschland kommt auf 14, Netflix auf acht, ProSiebenSat.1 auf sieben, Sky auf fünf, Magenta TV auf vier, RTLzwei auf zwei und Amazon Prime und Welt auf jeweils eine.

The Billion Dollar Code © Netflix/Kundschafter Film The Billion Dollar Code führt gemeinsam mit Der Pass das Ranking an
Im Vergleich der nominierten Produktionen führen in der Fiktion der Mehrteiler "The Billion Dollar Code" (Netflix) und die Drama-Serie "Der Pass" (Sky) mit je fünf Nominierungen. Auf vier Nennungen kommt der Fernsehfilm "Die Wannseekonferenz" (ZDF), und je drei Nennungen gehen an "Faking Hitler" (RTL+), "Ein Leben lang" (ARD), "Schneller als die Angst" (ARD) und "Oh Hell" (MagentaTV). In der Unterhaltung erhält "Wer stiehlt mir die Show" (ProSieben) drei Nominierungen, und in der Information gehen drei Nennungen an "Kevin Kühnert und die SPD" (NDR). Der Frauen-Anteil über alle Kategorien hinweg liegt bei 36 Prozent der Nominierungen.

Verliehen wird der Deutsche Fernsehpreis in diesem Jahr erstmals an zwei Abenden. Schon am 13. September gibt es die "Nacht der Kreativen", während der die Preise in den Personenkategorien Beste Regie, Bestes Buch, Beste Kamera, Bester Schnitt, Beste Musik und Beste Ausstattung in Fiktion, Unterhaltung und Information ausgezeichnet werden. Durch diesen Abend, der im Kölner Studio Ehrenfeld stattfindet, wird Jana Pareigis führen. Alle weiteren Kategorien gibt's dann einen Abend später im Rahmen der Show "Die TV-Highlights des Jahres", die zeitversetzt im ZDF übertragen wird. In diesem Rahmen werden auch der Förderpreis und der Ehrenpreis der Stifter vergeben. Moderieren wird einmal mehr Barbara Schöneberger.

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