Wenn die Woche mal nicht so gelaufen ist wie erhofft, guck ich zum Trost gerne meinen Lieblingsfall der RTL-"Versicherungsdetektive" – und meistens ist die Laune danach wieder besser. Weil ich immerhin nicht das Pech hatte, dreimal dieselbe kaputte italienische Tonvase bei unterschiedlichen Gesellschaften abzurechnen, die allesamt von Deutschlands bekanntesten Schadenregulierern vertreten werden, mir meinen schlampigen Betrugsversuch anschließend beim Käffchen am Küchentisch haarklein aufdröseln zu lassen und dann auch noch die Statue mit dem abben Arm im Hof erklären zu müssen, die ich angeblich vor einiger Zeit dem Cousin beim Umzug zerstört haben soll, damit's eine ordentliche Entschädigung gibt.

Aber so ist das Leben halt manchmal, und niemand weiß das besser als Patrick Hufen und Timo Heitmann, die im Auftrag von zwei großen deutschen Versicherern quer durchs Land reisen, um nachzuschauen, ob es bei den eingereichten Schäden der Kundschaft mit rechten Dingen zugeht: nach Winnenden und Chemnitz, Gummersbach und Jena, Essen und Baunatal, Weißenburg und Nürnberg.

Oft nämlich eher nicht – zumindest, wenn das Kamerateam von RTL mitkommt, das Hufen (in zerrissenen Jeans und knallrotem David-Bowie-"Heroes"-Shirt) und Heitmann (in Hemd und Weste) seit inzwischen zwölf Staffeln für die kuriosesten Fälle zur Arbeit begleitet, inzwischen mit Ellbogengruß und Gesichtsmaske.

Beulen, Risse, Brandflecken

Tausendfach kommen hierzulande Tag für Tag Beulen in Fahrzeuge, Risse in Smartphone-Displays und Brandflecken in Teppichböden, und sobald jemand dafür seine Hausrat-, Teilkasko-, Privathaftpflicht-, Hunde- oder Gebäudeversicherung in Anspruch nehmen möchte und irgendwas seltsam wirkt, nehmen die Ehrlich Brothers der Assekuranzwirtschaft die Fährte auf, bevor am Ende wie von Zauberhand feststeht, wie die Schäden tatsächlich zustande gekommen sind.

Alle Beteiligten beteuern, "echte Fälle, echte Emotionen, echte Ermittler" zu zeigen. Dafür spricht, dass manches derart kurios anmutet, dass vermutlich niemand damit durchkäme, es sich auszudenken. (Und dagegen: die gesammelten RTL-Erblasten.) Das meiste mag ungeheuer läppisch wirken – aber gerade deshalb sind "Die Versicherungsdetektive" eine der angenehmsten Alltagsablenkungen, die das deutsche Fernsehen derzeit zu bieten hat.

Die Versicherungsdetektive © Screenshot RTL Versuchen Sie besser erst gar nicht, diesem modisch gekleideten Herren einen Buddha aufzubinden.

Die Detektive klingeln an der Wohnungstür ("Palim-palim, Patrick Hufen von der HUK Coburg"), setzen sich zu ihren Klientinnen und Klienten neben große Stoffbären aufs Sofa vor die schönsten Fliesentische Deutschlands, trinken den angebotenen Kaffee mit Kokosmilch, weil die normale alle ist, und schauen erst ganz tief in die Akten und dann ihrem Gegenüber in die Augen – vor allem, wenn während des Termins der Eindruck entstanden ist, dass ein "Schadenbild" nicht ganz zum "Schadenhergang" passt, oder aus den zehn im Keller entwendeten wertvollen Buddha-Figuren im Laufe der Unterhaltung versehentlich zwanzig geworden sind.

Im Schraubstock der Argumente

Mit Komplimenten zu Wohnungseinrichtungen und Haustieren – "Schön haben Sie's hier!", "Das ist aber ein flauschiger Kater!", "Mein Sohn mag Schildkröten auch!" – brechen sie gleich zu Beginn das Eis, "Woher kommen Sie denn aus Italien?", und das ist in erster Linie natürlich taktisch klug, bevor das aufgebaute Vertrauen direkt in den argumentativen Schraubstock gespannt wird.

Selbst die offensichtlichsten Lügen hören sich Hufen und Heitmann mit stoischer Ruhe an und begegnen den Märchen aus tausendundeiner Schadenregulierung dann freundlich, aber bestimmt: "Das deckt sich nicht mit meinen Angaben", "Seien Sie mir nicht böse, ich kann Ihnen da nicht folgen", oder wenn's wirklich gar nicht mehr anders geht: "Unter diesen Umständen kann ich hier keinen Schaden bezahlen."

Dass die beiden mit ausreichend Beweisen anrücken, verlangt schon die Berufsehre ("Ist ja nicht mein erster Schadenfall mit PKW und Einkaufswagen"). Wenn irgendwo in Deutschland ein Versicherungsnehmer beim Küchenschrankaufhängen das Cerankochfeld seiner Eltern mit dem Knie zum Bersten gebracht haben soll, hat Heitmann vorher so lange mit dem Sachverständigen auf einem Vergleichsherd testgekniet, bis er sich seiner Sache sicher ist (kann tatsächlich passieren!). Hufen hat derweil Smartphones durch die Luft geschmissen und mit dem Auto überfahren, bis sich einwandfrei nachvollziehen lässt, wie exakt das Display daraufhin aussehen muss (kristallförmig zersprungen).

Hören Sie mal, ich lüge doch nicht!

Wenn jemand der Wahrheitsdehnung überführt ist, ohne dass sich noch eine halbwegs nachvollziehbar klingende Ausflucht böte, sind der Typ mit dem poppigen Klamottengeschmack und der stets adrett gescheitelte Kollege weiter höflich. Sie bringen ihre Ablehnung des Betrugsversuchs zum Ausdruck und bieten an, gesichtswahrend aus der Nummer wieder rauszukommen: Besser jetzt die Wahrheit sagen als Strafanzeige und Vertragskündigung zu riskieren. "In der Regel geht sowas sonst nicht schön aus. Deshalb mein Tipp: Vielleicht überlegen Sie nochmal?"

Bis dahin entwickeln Gespräche nicht selten eine veritable Loriot-Sketch-Qualität ("Hören Sie mal, ich lüge doch nicht!") – oder trotzen so lange allen Wahrscheinlichkeiten, bis sie sich tatsächlich als wahr herausstellen, obwohl sich im ersten Moment erstmal alles superverdächtig anhört.

Oder hätten Sie gedacht, dass man seine Smartwatch aus Versehen im Ofen verkokeln kann, weil die sich magnetisch unten ans Backblech haftet, während einen gerade die Katze abgelenkt hat? Dass sich mit einem arglos seit Jahren herumhängenden Kosmetikspiegel das Badfenster anzünden lässt, wenn die Sonne maximal ungünstig steht? Oder ein aus der Handtasche heraus explodierender E-Zigarettenakku einen veritablen Laminatschaden verursachen kann? Ich auch nicht, scheint aber trotzdem zu gehen.

Ein Hunni zur Güte

Manchmal geben die freundlichen Leute von der Versicherung auch einfach nach: "Damit wir nicht umsonst gekommen sind: Ich zahl' Ihnen 100 Euro und Sie gehen davon zusammen essen", bietet Hufen an, wenn sich der gemeldete angebliche 1.800-Euro-Leiterumfallschaden an den Küchengeräten als kleiner Kratzer herausstellt, das Versicherungsnehmer-Paar aber einen ehrlichen Einruck macht. Oder Heitmann sagt: "Ich hab ein Gefühl, dass Sie mir die Wahrheit sagen" (und halt: keinen Beweis fürs Gegenteil).

Die Versicherungsdetektive © Screenshot RTL Patrick Hufen mit Hilfsphysikerin: Mit dem Kosmetikspiegel das Badfenster in Brand setzen? Probieren wir's aus!

Brenzlig wird's bloß, wenn die Profis auch dann noch angelogen werden, obwohl es eigentlich längst keinen Zweck mehr hat.

Kann ja sein, dass man in Zwickau rückwärts beim Putzen aus den Schlappen in die eigene Wohnungstür fallen und dabei den Rahmen demolieren kann; wenn das im gleichen Haus nach ein paar Monaten aber nochmal so ähnlich passiert sein soll, klingt das schon sehr abenteuerlich. "Ein kräftiger Tritt und schon kommt der lustige Mann mit den Wuschelhaaren und bringt Bargeld mit?", textet der launige Off-Kommentar dazu, der auch sonst in heiterem Tonfall einordnet, was sich da auf der Mattscheibe abspielt oder gleich noch ereignen wird: "Das klingt ja gar nicht mal so plausibel", "Die Katze verweigert die Aussage, typisch!", "In ziemlich genau elf Sekunden werden hier noch ganz andere Sachen gebacken sein."

Dass die Erwartung des Publikums zu Gunsten eines schöneren, sich später in Luft auflösenden Spannungsbogens manchmal mit irreführenden Andeutungen gefliest wird, geht in Ordnung – weil man als geübter "Versicherungsdetektive"-Zuschauer ja schon ahnt, dass hier nichts so ist, wie es erst scheint.

Identitätstausch überm Backofen

"Ich bin heute gut drauf", verabschiedete sich Heitmann kürzlich aus seinem Hausbesuch bei den Backofenfrauen, die sich zunehmend in Widersprüche verstrickten – aber nicht, weil der angemeldete Schaden Fake gewesen wäre, sondern sie kurzerhand ihre Identitäten getauscht hatten: Die Schadenverursacherin war einfach so aufgeregt, dass die RTL-"Versicherungsdetektive" vorbeikommen, dass sie nicht mehr reden konnte. Die schwarz geröstete Smartwatch ist nach der Aufklärung dann einfach bezahlt worden – und Heitmann war belustigt: "Sowas hab ich auch noch nicht erlebt."

Etwas schwieriger ist da schon die von den Verantwortlichen als Kollateralschaden akzeptierte Tatsache, dass manches arme beim Betrug ertappte Würstchen auch noch Jahre nach der längst geklärten Sünde mit selbiger regelmäßig durch die Wiederholungsschleife geistert.

Zum 10. Geburtstag schenkte RTL seinen "Versicherungsdetektiven", die es beim Sender länger ausgehalten haben als die meisten Geschäftsführer, erstmals ein – angemessen kurioses – Special, bei dem Hufen und Heitmann sich selbst beim Aufklären ihrer absurdesten Fälle zusahen, um das nochmal zu kommentieren. (Der Vasenklassiker war selbstverständlich dabei.) In weiteren Specials durften das kürzlich Prominente mit zuviel Tagesfreizeit – Katja Burkard, Joachim Llambi, Panagiota Petridou und Wolfgang Bosbach – übernehmen.

Die Versicherungsdetektive © Screenshot RTL Timo Heitmann mit RTL-Kamerateam: Auch der hundertste Handyabsturz muss unterhaltsam erzählt sein.

Doch während sich in der RTL-News-Eigenproduktion alle Beteiligten weiter sichtlich Mühe damit geben, auch den hundertsten Handyabsturz noch so zu erzählen, dass es verhältnismäßig unterhaltsam ist, behandelt die Programmplanung das Format zunehmend stiefmütterlich.

Unter uns Schadenregulierprofis

Im Frühjahr mussten "Die Versicherungsdetektive" die Lücken im Nachmittagsprogramm stopfen, aus dem sie wegen nachlassenden Erfolgs gerade wieder verbannt wurden. Die neuen Folgen am Sonntagabend leiden bedauerlicherweise ebenfalls unter nachlassendem Publikumsinteresse. Und die Streamingplattform RTL+ zeigt dem Klassiker gleich ganz die kalte Schulter: mehr als die letzten zwei, drei von inzwischen über 70 Folgen gibt's selbst für zahlende Kundschaft nicht zu sehen.

Damit ich als Versicherungsnehmer bei beiden von Hufen und Heitmann vertretenen Gesellschaften gar nicht erst in Versuchung komme, mich mittels Schadensmeldung persönlich vom Spürsinn der namensgebenden Protagonisten zu überzeugen, kann ich nur hoffen, dass man sich beim Sender doch noch mal darauf besinnt, welches Formatjuwel man da im Fundus hat. Und falls nicht, muss man in Köln halt aufpassen, die Verbündeten nicht irgendwann auf die Idee kommen zu lassen, mal die in der Mediengruppe gemeldeten Versicherungsfälle der vergangenen Jahre zu überprüfen. (Kann man das Dschungelcamp eigentlich gegen Pandemie versichern?)

Aber das ist – schön haben Sie's hier im Programm, Herr Schäfer! – natürlich nur ein freundlich gemeinter Rat. In der Regel geht sowas sonst nämlich nicht schön aus. Deshalb mein Tipp: Vielleicht überlegen Sie nochmal?

Und damit: zurück nach Köln.

RTL zeigt eine neue Folge der "Versicherungsdetektive" an diesem Sonntag ab 19.05 Uhr.