Von einem Kollegen der BBC hat Hanns Joachim Friedrichs gelernt, dass es hilfreich sein kann, sich bei seiner journalistischen Arbeit nicht mit einer Sache gemein zu machen, nichtmal einer guten – und selbst wenn dieser Ratschlag nach seiner Erwähnung in Friedrichs' Biografie sehr viel kategorischer interpretiert worden ist als das dem Verursacher selbst lieb gewesen sein dürfte, tut man vermutlich niemandem Unrecht mit der Behauptung: Für herkömmliche Nichtjournalismuspromis gilt das ja wohl auf jeden Fall nicht.

Denn die versuchen gerade gleich mehrfach ihren Einsatz für die gute Sache zu demonstrieren.

Am Freitagabend lief im Ersten die Premiere der neuen SWR-BR-NDR-Koproduktion "Comedy rettet die Welt. Ein bisschen", die wochenaktuell Lösungsansätze für die Krisen der Gegenwart auf die Bühne zu bringen verspricht. Und am Montag legt die "Wir können auch anders"-Crew um Anke Engelke und Bjarne Mädel nach, um unterhaltsam zu dokumentieren, wie Städte und Gemeinden erfolgreich den Herausforderungen des Klimawandels begegnen.

Das reicht bloß alles nicht.

Ein paar schnelle Gags im Sitzen

Dabei ist die Grundidee ja in beiden Fällen lobenswert: Anstatt immer nur den schlechten Zustand der Welt und seine vermeintliche Aussichtslosigkeit zu referieren, schaut man sich einfach mal an, was dem entgegengesetzt werden kann.

Praktischerweise erweist sich "Comedy rettet die Welt" direkt als Totalausfall, über den kein weiteres Wort verloren werden muss: Die aktuellen Schlagzeilenausrisse sind bloß Schmückwerk für ein paar lose im Sitzen vorgetragene Gags, in deren Folge die sich wechselnde Quartette mit vorbereiteten Einspielern oder Kurz-Stand-ups an Allgemeinheiten abarbeiten. Zur Premiere empfahl Mirja Boes, die Gleichberechtigung zu stärken, indem man pfeifenden Bauarbeitern auf der Straße Kaffee in den Helm kippt; Matthias Matschke erfand die "Scheiß doch drauf"-Karte für ökosorgenfreies Einkaufen im Greenwashing-Zeitalter; Simon Pearce faselte was von "Eltern-Gaga-Weisheiten für die modernen Probleme der komplexen Welt"; und Lisa Feller erfand die Dating-App "Singleship", über die man sich mit Trotteln verabreden kann, die einem demonstrieren, wie toll es ist, Single zu sein.

Ach so, nein, danke.

Kein Bus mehr ab Hoopte, Schleuse

"Wir können auch anders" geht ebenfalls mit dem festen Vorsatz der guten Laune ans Werk, aber deutlich ernster – oder wie Bjarne Mädel zu Beginn fragt: "Haben Sie auch keine Lust mehr, zu hören, wie schwierig alles ist?" Um dann mit "guten Geschichten" dagegen zu halten. Im ersten Teil der Reihe für die ARD Mediathek, die im Linearen aus unerfindlichen Gründen als 90-Minuten-Film laufen muss, setzen sich Engelke und Mädel erst aufs Leihrad, um sich vom Hamburger Senator für Verkehr und Mobilitätswende am autobefreiten Jungfernstieg erklären zu lassen, wie die Hansestadt ihre Verkehrsversion für die Zukunft umsetzt. Sie fahren mit dem E-Minibus durch die Stadt, mit der S-Bahn an einen "Switch Point" für Pendler:innen und ganz weit raus aufs Land, Endhaltestelle Hoopte Schleuse, um sich dort vom Elbmobil abholen zu lassen.

In Karlsruhe lässt sich Mädel erklären, wie die Stadt gelernt hat, Fahrradverkehr zu priorisieren, und übergibt den Staffelstab per Videoschalte an Sebastian Vettel, der in Zürich die Bevorzugung des ÖPNV per Ampelsteuerung studiert. Bevor es dann nochmal aufs Land rausgeht: ins 250-Einwohner:innen-Örtchen Sprakebüll, das die Verkehrswende dank Sonne und Windkraft schon aus eigener Energie (und Eigeninteresse) gewuppt bekommt.

In Folge zwei machen Annette Frier und Axel Prahl beim Thema Bauen und Wohnen weiter: Das Duo mietet fast eine gemeinsame Wohnung in Düsseldorf, die im "Living Circle" klimafreundlich aus einer ehemaligen Büro-Bestandsimmobile heraus entwickelt wurde, erklärt die Vorteile des Modulbaus (spart Emissionen und Müll) und gibt sich im autofreien Freiburger Vauban-Quartier beim Schaukeln beeindruckt vom Niederigenergeiverbrauchsprinzip der Wohnhäuser.

Ein Ausflug wohlfühliger Glückseligkeit

Es ist ein unterhaltsamer Ausflug wohlfühliger Glückseligkeit geworden, der teilweise arg ausführlich über Standards staunt und – um seine Grundprämisse zu erfüllen – geflissentlich vermeidet, mögliche Schwächen der vorgestellten Projekte, ihre teilweise begrenzte Übertragbarkeit oder sogar ein mögliches Scheitern andernorts zu thematisieren.

Aber so gut das alles auch gemeint ist: Am Ende verpufft die Wirkung des verordneten Positivismus. Vor allem, weil die im Abspann ausgewiesene "sustainable production" von Laura Lo Zito und Lars Jessen (2Pilots in Kooperation mit Florida Film) ihre Promis tatsächlich nur als höfliche Fragesteller:innen gebraucht, worüber die sich zwischendurch selbst ein bisschen lustig machen – anstatt zwei Schritte weiterzugehen, und sie sich tatsächlich aktiv dafür einsetzen zu lassen, die erlebten Ausnahmen auch anderswo anzuschubsen. Oder zumindest ein paar Politikerinnen auf die Füße zu treten und sie zu fragen, warum sie das in ihrer Stadt nicht hinkriegen.

So reist die passionierte ÖPNV-Nutzerin Anke Engelke ins belgische Gent, um dort vom stellvertretenden Bürgermeister demonstriert zu kriegen, was für ein Erfolg die Befreiung der Innenstadt vom Autoverkehr geworden ist und wie Gent vom umgesetzten "Zirkulationsplan" profitiert hat (Unfallrate um ein Drittel gesenkt, genau so viele Besucher:innen aus dem Umland, weiterhin starker Einzelhandel).

Und verschwindet dann wieder mit dem saloppen Hinweis: "Also die Bürgermeister von Kiel, Chemnitz, Krefeld können sich gerne bei ihm melden."

Gegenvorschlag: selbst nachfragen

Ja. Oder, Gegenvorschlag: Engelke hätte sich einfach selbst auf den Weg machen können, um in Kiel, Chemnitz, Krefeld nachzuhaken, warum das nicht schon längst geschehen ist? Und was passieren muss, damit sich das ändert.

Das wäre dann wohl doch ein bisschen zuviel Arbeit geworden und hätte die heitere Tonalität der Produktion gesprengt, die ihrem von der allgemeinen Nachrichtenlage erschöpften Publikum lieber nicht zuviel zumuten möchte. Gleichzeitig ist es nachvollziehbar, dass Prominente davor zurückscheuen, in der Öffentlichkeit aus der Neutralität ihrer gewohnten Rolle hinauszutreten und sich für konkrete gesellschaftliche Veränderungen einzusetzen.

Was auch daran liegen könnte, dass Aktivismus in der gegenwärtigen Lage zunehmend verpönt ist, weil Einzelne der Mehrheit aufbürden könnten, diese in ihrem gewohnten Ablauf zu stören. (Außer Hannes Jaenicke will im Fernsehen wieder Orang-Utans retten, die sind in der Regel weit genug weg.)

TV-Aktivismus als eigenes Genre

Fürs britische Fernsehen ist der TV-Aktivismus derweil nicht nur seit vielen Jahren gesendete Realität, sondern fast schon ein eigenes Genre. Promikoch Jamie Oliver kämpfte für die Channel-4-Reihe "Jamies School Dinners" schon vor fast zwanzig Jahren (!) dafür, dass Mittagessen in britischen Schulkantinen drastisch besser und gesünder wird (mit Erfolg). Und sein Kollege Hugh Fearnley-Whittingstall legte sich vor laufender Kamera mit großen Supermarktketten und Politiker:innen in Brüssel an, um in der Aktivismus-Dokureihe "Hugh's Fish Fight" auf problematische Fischfangpraktiken hinzuweisen und die Politik der EU zu beeinflussen. (Sie erinnern sich: Großbritannien war mal Teil der Europäischen Union.)

Auch in Deutschland sind es kurioserweise oft TV-Köche, die zumindest einen Ambition erkennen lassen, über ihr eigentliches Aufgabenfeld hinaus aktiv zu werden und sich in gesellschaftlichen Belangen zu engagieren. Was sehr unterschiedlich ausgehen kann: Beeindruckend, so wie Tim Mälzers Engagement für die Grimme-Preis-nominierte Dokureihe "Zum Schwarzwälder Hirschen", die sich traute, etablierte Prinzipien der Integration von Menschen mit Down-Syndrom zu hinterfragen; oder ziemlich schief, wie Frank Rosins (prinzipiell lobenswerter) Versuch, auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbaren Menschen per Blitzausbildung in "Rosins Heldenküche" eine zweite Chance zu geben.

Erst Shitstorm, dann Polizeischutz?

Klar: Wer sich aus dem Fenster lehnt, hat im Zweifel das Pech, auch mal eine gewischt zu kriegen. So wie Eckhart von Hirschhausen, der sich für seinerARD-Reportage über Long-Covid-Patient:innen im vergangenen Jahr zwar löblicherweise bis zu Gesundheitsminister Karl Lauterbach durchfragte – aber sich wegen der positiven Darstellung umstrittener Blutwäschen anschließend viel Kritik und sehr deutlichen Widerspruch anhören musste.

Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf engagieren sich noch am ehesten öffentlich sichtbar für die – aus Ihrer Sicht – gute Sache, sei es Seenotrettung im Mittelmeer oder die Beendigung von Missständen in der Krankenpflege – bislang aber vor allem indirekt, indem sie Betroffenen außerhalb der eigenen Entertainment-Formate Sendezeit verschaffen.

Dass sich die meisten Promis eher schwer damit tun, vor der Kamera aktivistisch aufzutreten, mag auch der Entwicklung geschuldet sein, dass es heute bei vielen Reizhemen (und welches Thema ist dieser Tage keines?) oft nicht bei kontrovers geführten Diskussionen bleibt, sondern über die sozialen Medien augenblicklich Shitstorms losgetreten werden, die schnell in Empörung oder sogar Hass münden.

Leute erreichen, die keine Doku einschalten

Für seinen Plan der autofreien Innenstadt hat der stellvertretende Genter Bürgermeister, wie er sagt, Polizeischutz wegen Todesdrohungen bekommen; und da kann man der zuhörenden Anke Engelke nun wirklich nicht verübeln, dass sie sich und ihrem Umfeld sowas lieber ersparen würde.

Es ist aber ganz unbedingt zu bedauern, weil das Fernsehen sonst nämlich öfter die Chance hätte, von einer breiten Öffentlichkeit eher als dröge wahrgenommene Fortschrittsthemen von prominenten Gesichtern so erzählen zu lassen, dass das auch Leute erreicht, die dafür sonst eher keine journalistische Dokumentation einschalten würden. Um Debatten nicht nur zwischen denen führen zu lassen, die sich ohnehin schon mit gegensätzlichen Auffassungen ineinander verkeilt haben.

Deshalb: Wir brauchen mehr Promi-Aktiviusmus im deutschen TV! Nicht nur ein bisschen.

Und damit: zurück nach Köln.

"Wir können auch anders" läuft am Montag ab 23.35 Uhr als Doku im Ersten und als sechsteilige Reihe in der ARD Mediathek; weitere Folgen von "Comedy rettet die Welt. Ein Bisschen" kommen freitags um 21.45 Uhr im Ersten bzw. in die ARD Mediathek.